Seit Monaten baut Apple in Zürich im Kreis 5 einen eigenen Forschungs- und Entwicklungsstandort auf. Das Bedürfnis nach Geheimhaltung ist enorm. Als ein Mitarbeiter einer benachbarten Firma den entsprechenden Hauseingang fotografierte und das Bild auf Facebook postete, reagierte der Apple-Hauptsitz in den USA umgehend. Via Liegenschaftsverwaltung gelangten die Manager aus Cupertino an die Firma des fotografierenden Mitarbeiters und drängten darauf, dass dieser das Posting auf Facebook löschen möge. Was auch geschah.
Die Adresse des fraglichen Hauseingangs ist Hardturmstrasse 131. «Team 1» und «Team 2» ist das Einzige, was auf den Klingelschildern steht. Im Hausinnern findet sich immerhin der Verweis auf «Apple Switzerland». Ein ganzes Stockwerk des Bürokomplexes im Westen der Stadt hat der Konzern gemietet. «Apple baut in Zürich kräftig aus», erzählt ein Konkurrent.
Abwerben bei der Konkurrenz
Woran Apple arbeitet, ist nicht bekannt. Offenbar haben die Mitglieder von Team 1 und Team 2 rigorose Geheimhaltungsverträge unterschrieben, heisst es. Nicht einmal Familienmitglieder sollen Bescheid wissen dürfen. Immer wieder gibt es Spekulationen um Projekte zu selbstfahrenden Autos und zu Virtual Reality. Erst kürzlich übernahm Apple ein Robotik-Team der ETH und schon vor zwei Jahren kaufte man die Zürcher VR-Firma Faceshift, welche bis diesen Frühling im Technopark ansässig war – jetzt ist sie dort abgemeldet.
Klar ist, alles dreht sich um Computer Vision, also darum, dass Computer und Geräte ihre Umgebung wahrnehmen können. Das zeigen auch die Stelleninserate. Zurzeit sucht Apple in Zürich mehrere Softwareingenieure, die darauf spezialisiert sind. Von der Konkurrenz hat man bereits einige Hochkaräter abgeworben. Der Aufbau des Forschungs-Hub in Zürich dürfte kaum abgeschlossen sein. Apple will sich dazu nicht äussern.
«Fantastisch für Standort Zürich»
Doch Apple ist nicht der einzige Konzern, der in Zürich auf Talentsuche geht. Facebook, Magic Leap und Go-Pro: All diese Internet- und Technologiekonzerne suchen Spezialisten für Computer Vision. «Die Entwicklung ist fantastisch für den Standort Zürich», sagt ein Forschungschef. «Es bildet sich ein richtiges Cluster. Wir sehen ein positives Momentum.»
Facebook hat letztes Jahr begonnen, in Zürich eine eigene Entwicklungsabteilung aufzubauen. Im Herbst übernahm man damals mit Zurich Eye ein ganzes Team von der ETH. Federführend war die Facebook-Tochter Oculus, bekannt für ihre Virtual-Reality-Headsets. Als Übergangslösung mietete sich Facebook/Oculus in der Bahnhofstrasse beim Büroanbieter Regus ein.
Auch Oculus wirbt hier Spezialisten ab
Wie Apple heuert auch Oculus in Zürich weitere Softwareentwickler an. Derzeit sind drei Jobs zu vergeben. Nirgendwo ausserhalb des Stammlandes USA stellt die Firma mehr Spezialisten für Computer Vision ein als in Zürich. Das geht aus den globalen Stellenangeboten von Facebook hervor. Zudem wirbt auch Oculus in Zürich direkt Keyplayers bei anderen Technologiefirmen ab.
Inzwischen ist das Provisorium an der Bahnhofstrasse nicht mehr geeignet und ein Umzug steht bevor. Bereits sind entsprechende Räumlichkeiten in Zürich besichtigt worden. Was aussteht, ist die Vertragsunterzeichnung. Noch arbeiten hier erst gegen zwanzig Leute. Unternehmensnahe Kreise berichten allerdings von substanziellen Ausbauplänen. Jemand sei angestellt worden, um das Wachstum des Hub in Zürich zu managen. Der Konzern will sich dazu nicht äussern.
Warten auf den Milliardenmarkt
Auch Magic Leap baut in Zürich aus. Im Frühling kaufte das mit Milliarden bewertete US-Unternehmen – noch ohne Produkt – die 3D-Abteilung der Zürcher Softwarefirma Dacuda. In der Szene heisst es nun, mittelfristig wolle Magic Leap ebenfalls Stellen in der Stadt schaffen. Erste Angebote sind auch in diesem Fall bereits ausgeschrieben – natürlich zu Computer Vision. Magic Leap will virtuelle Objekte direkt auf die Retina des Auges projizieren.
Wer Virtual Reality oder Augmented Reality nur mit klobigen Brillen für Gamer gleichsetzt, greift zu kurz. «Virtual Reality ist Teil eines grösseren Ganzen, im Kontext fortschrittlicher Computer Vision und künstlicher Intelligenz», erklärt Jan Azzati. Der Virtual-Reality-Unternehmer und Co-Gründer der Zürcher Firma Immersiveweb.ch erklärt das Wesen von Computer Vision als «Überbegriff für maschinelles Sehen, für alle Technologien, die visuellen Input aufnehmen und diesem mit ihren Algorithmen Sinn, Form und Kontext verleihen». Das Computer-Sehvermögen ist demnach eine Schlüsseltechnologie, die in Kombination mit künstlicher Intelligenz in der Robotik wie auch für selbstfahrende Autos, Drohnen oder eben auch interaktive Erlebnisse im virtuellen Raum eingesetzt wird.
Riesiger Markt
Es winkt ein riesiger Markt. Das auf diese Industrie spezialisierte US-Marktforschungsunternehmen Tractica prognostiziert, dass Hard- und Software bis in fünf Jahren für einen weltweiten Umsatz von 50 Milliarden Dollar stehen werden.
Was Zürich in diesem Wettforschen so attraktiv macht, ist die weltweit grösste Dichte an Professoren an der ETH im Bereich Computer Vision. Entsprechend entstehen zahlreiche Spin-offs, die für Konzerne interessant sind. Disney Research, IBM Research und Microsoft machen sich das seit Jahren zunutze und arbeiten eng mit der Hochschule zusammen. «Ich bin sehr stolz, dass die grossen Konzerne in Zürich Forschung betreiben und unseren jungen Leuten gute Chancen bieten», sagte ETH-Professor Roland Siegwart kürzlich der «Bilanz».
Die Konzerne haben nicht nur Zürcher Studenten im Blick. Die Stellenausschreibungen sollen auch Talente aus dem übrigen Europa anlocken. Nicht nur für Apple und Facebook: Auch der Grafikkartenhersteller Nvidia sucht in Zürich einen Computer-Vision-Experten. Ebenso der Kamera-Hersteller Go-Pro für sein Drohnenprojekt. Und Google sowieso.