Hochkarätige Absagen waren Viktor Vekselberg bisher fremd. Bis letzte Woche, als Peter Löscher dem russischen Milliardär im persönlichen Gespräch eröffnete, er demissioniere. Löscher war zuletzt Vizepräsident der russischen Renova Group, Vekselbergs Mann für den Neuanfang, sein Aushängeschild. Und jetzt geht er. Von sich aus.
Löscher wollte nicht länger auf Halbmast segeln, nachdem sein Aktionsradius im Februar eingeschränkt worden war. Statt Chef von Renova in Zürich war er seither nur noch Vizepräsident bei der Moskauer Muttergesellschaft – ohne operative Funktion. Eine Degradierung war das für einen Manager, der früher den Weltkonzern Siemens leitete. Löschers Demission war ein Entscheid gegen Vekselberg.
Mehr Strukturen, weniger Vekselberg
Dabei hatte der Russe den Österreicher vor zwei Jahren geholt, um Grosses zu erreichen: Renova sollte in einen Konzern nach westlichen Massstäben umgebaut werden. New Renova hiess das Projekt intern. Die Corporate Governance galt es zu verbessern, interne Abläufe zu institutionalisieren und die schwer zu überblickende Firmenstruktur zu vereinfachen. All dies sollte geschehen im Hinblick auf das Fernziel, den Konzern, der auch Sulzer und Oerlikon kontrolliert, für die Zeit nach Vekselberg aufzustellen. Mehr Strukturen, weniger Vekselberg. Selbst ein Börsengang in ferner Zukunft war nicht ausgeschlossen.
Mit New Renova sollte der Standort Zürich aufgewertet und zum professionellen Berater für die ganze Gruppe gemacht werden. Ursprünglich verfolgte Vekselberg die Idee, noch mehr Beteiligungen von der Schweiz aus zu verwalten. Treibende Kraft war Vladimir Kuznetsov, Vekselbergs langjähriger Stellvertreter in der Schweiz. Kuznetsov hatte im Westen studiert. Ein bescheidener, aufrichtiger Mann. Vekselberg vertraut ihm.
Putin nahm seine Oligarchen zur Brust
Dann kam Löscher. Und das Alphatier gab sogleich Schub. Als Erstes holte er neue Leute: Einen Finanzchef für Zürich, Portfoliomanager, Analysten, einen PR-Mann. Das Team in Zürich wuchs, und Löscher schuf für New Renova ein neues Zuhause in einem Vorzeigebau an der Klausstrasse im Zürcher Seefeld. Löscher selbst kostete auch einige Millionen pro Jahr. Der Aufbruch war eine Gratwanderung für alle. Vekselberg durfte das ausländische Standbein nicht zu offensichtlich stärken, um die politische Führung in Russland nicht vor den Kopf zu stossen. Baumeister Löscher konnte es sich mit dem Renova-Ableger in Moskau nicht verderben, wo noch immer mächtige und altgediente Gefährten Vekselbergs sassen.
Ein Jahr war es ruhig. Dann begannen sich die Dinge zum Schlechten zu wenden. Putin nahm seine Oligarchen zur Brust und ermahnte sie an ihre Vaterlandspflichten. Konkret hiess das: Ihre Kapitalexporte wurden erschwert. Und letztes Jahr stieg die Besteuerung der Gewinne von Offshore-Firmen. Mitten in der Auseinandersetzung zwischen Putin und dem Westen wurde es so auch für Vekselberg heikler, im Ausland mit der grossen Kelle anzurichten.
Starker Wertverlust
Gleichzeitig verloren Vekselbergs Beteiligungen rapide an Wert. Der Rubel crashte, der Ölpreis sackte ab: Das war schlecht für viele Beteiligungen in Russland und zum Beispiel für die im Ölsektor operierende Sulzer in der Schweiz. Unglücklicherweise paukte Löscher (mit dem Segen des Verwaltungsrats) just zu jener Zeit ein taktisches, unattraktives Sulzer-Übernahme-Angebot durch, das letztlich aber eine satte Milliarde Franken verschlang. Vekselbergs Reserven schwanden. Es galt nun eher, sich für den Ernstfall zu wappnen, als vom Aufbruch zu träumen.
Eine fulminante Expansion von Zürich aus war in dieser politisch-ökonomisch vertrackten Situation kaum noch möglich. Die von Löscher aufgebauten Management-Kapazitäten waren nun nicht von Nutzen, die neuen Lokalitäten wirkten überdimensioniert. Schon länger war ihm von Moskau signalisiert worden, dass der Wind dreht und der Ausbau nicht im gleichen Tempo weitergehen könne. Einige bei Renova fanden, Löscher sei zu wenig kompromissbereit gewesen, ein guter Lenker für einen etablierten Konzern zwar, aber für den Aufbau vielleicht der Falsche. Die Resultate, die er vorzuweisen hatte, waren letztlich bescheiden: Die Übernahme von Sulzer-Konkurrent Dresser-Rand klappte nicht, der Sulzer-Aktienkauf ging nicht auf, und selbst die Übernahme von Tech-Startups verzögerte sich. Ob Divergenzen zum Thema Corporate Governance zur Isolation von Löscher beitrugen, darüber gibt es unterschiedliche Berichte.
Vekselberg war von Löscher überzeugt
Klar ist einzig: Vekselberg wollte Löscher nicht loswerden. Im Gegenteil war er von dessen Qualitäten als Stratege und Netzwerker überzeugt, weshalb er ihn auch als Vizepräsidenten im Verwaltungsrat der Gruppe halten wollte.
Doch Löschers Abgang passt zur bisherigen Geschichte von Vekselberg in der Schweiz: Es ist ein stetes Kommen und Gehen in seinem Imperium. Ob bei der Renova Management AG oder bei Oerlikon und Sulzer: Überall ist die Fluktuation gross, die Konstanz gering. Jeder neue Manager bringt eigene Leute mit und muss sich beweisen. Unruhe, ja Streit ist da programmiert.
Am Renova-Standort in Zürich haben inzwischen einige Manager und Assistenten gepackt. Ansonsten geht der Alltag nach der Ära Löscher weiter. Noch immer flattern Anfragen hinein, ob der Oligarch nicht in dieses oder jenes Unternehmen investieren möchte. Und irgendwo schwebt noch immer die Idee im Raum, Renova doch noch als internationalen Konzern aufzustellen.