Der Gründer von Nestlé: ein Deutscher. Der ABB-Co-Gründer: ebenso ein Gentleman aus Germany. Wer brachte die Schweizer Uhrenindustrie auf Zack? Die Hugenotten. Nicht wenige grosse Schweizer Firmen und Schlüsselindustrien wurden von ausländischen Köpfen erdacht und aufgebaut.

Anders als früher ist solch migrantisches Unternehmertalent heute weitherum anerkannt. Seit kurzem gibt es sogar einen Anlagefonds, der seinen Fokus auf migrantengeführte Start-ups legt. 5502 heisst er, benannt nach der Postleitzahl des chilenischen Nests Pachacamita, aus welchem der Vater des Fondsmitgründers Jan Claudio Muñoz stammt.

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«Migranten haben oft mehr Biss als Bio-Schweizer»

Der 5502-Fund ist das Hauptvehikel der Schweizer Wagniskapitalfirma Backbone Ventures, die 40 bis 50 Prozent des Volumens des mit 20 Millionen Franken dotierten Fonds in der Schweiz investiert. Die Investmentthese: «Migranten haben oft mehr Biss als Bio-Schweizer», sagt Backbone-Partner Janic Frölicher. «Sie müssen permanent aus ihrer Komfortzone ausbrechen, weil sie in ihrer neuen Wahlheimat meist weder Netzwerk noch Vermögen haben.»

Solche Unternehmer funktionierten ähnlich wie Secondos, die in ihrem Gastland auf dem normalen Bildungsmarkt oft wenig Chancen hätten und deshalb beispielsweise voll auf eine Sportart wie Fussball setzten, sagt Frölicher: «Sie haben eine All-in-Mentalität, mehr Ambitionen, Durchhaltewillen und Resilienz.» So, wie die Ausnahmetalente wie Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka ihre PS auf den Schweizer Fussballrasen bringen, starten Entrepreneure mit Migrationshintergrund ihren Turbo für den Werkplatz Schweiz. Etwa Nikunj Dudani, Chef des Westschweizer Greentechs Aerospec.

Herausforderungen mit neuer Perspektive angehen

Der studierte Ingenieur Dudani stammt aus dem indischen Rajasthan und sieht Vorteile darin, dass er sich in der Schweiz neu erfinden musste: «Da ich aus einem anderen Kulturkreis komme, kann ich mich voll und ganz auf das Geschäft konzentrieren und Herausforderungen mit einer neuen Perspektive angehen, die Einheimische vielleicht nicht immer in Betracht ziehen.» So sah es wohl einst auch Walter Boveri, Co-Gründer von BBC (später ABB).

Nikunj Dudanis Start-up misst die Luftqualität in Unternehmen und hat dazu ein Instrument entwickelt, das günstiger als bisherige Tools arbeitet. Das Unternehmen aus Ecublens VD ist eines von bisher drei Schweizer Investments des 5502-Funds. Janic Frölicher von Backbone Ventures plant mehr solche Schweizer Frühinvestitionen, sogenannte Pre-Seed-Tickets, die in der Regel 350’000 bis 500’000 Franken umfassen.

Nicht Wohlfahrt betreiben, sondern Geld verdienen

Unternehmerische Entwicklungshilfe? Zu wenig kompetitiv gedacht. Philanthropie sei ja schön und gut, «aber wir haben es hier mit Outperformern zu tun, die wirklich etwas reissen können», sagt Frölicher.

Mit Investitionen in Gründer, die bezüglich Herkunft oder Nationalität unterrepräsentiert seien, lasse sich Mehrwert erzielen: «Wir sind kein Wohlfahrtskomitee, sondern wir wollen Geld verdienen.»

«Den falschen Pass kann man nicht haben»

Zu den Fondsinvestoren gehörten Privatpersonen, Stiftungen und Vermögensverwalter.

Was Frölicher wichtig ist: Typischerweise stammten die Gründerinnen und Gründer zwar aus Übersee, aber auch eine europäische Herkunft gehe für den Fonds voll in Ordnung: «Den falschen Pass kann man bei uns nicht haben.»