Da steht er. Ein Traum in Lack und Leder. Der neue 6er, das aktuelle Flaggschiff von BMW, 250 Stundenkilometer schnell, rund eineinhalb Tonnen und 111000 Fr. schwer. Elegant in seiner Erscheinung, nicht zu protzig auf der einen Seite, nicht zu billig auf der anderen: Eben so, wie ein Nobelcoupé bajuwarischer Provenienz zu sein hat. A bissl Understatement halt.
Davor, in gebührendem Abstand zum blankpolierten Kühlergrill: Doelf Carl, seit Januar Managing Director der BMW Group Switzerland. Dunkler Anzug, dezente Krawatte, feines Schuhwerk, filigrane Brille, schlanke Postur, leicht angegraut das Haar elegant.
Alles andere als aufdringlich in seinem Auftreten, sachlich, korrekt, nicht laut, nicht der «Aufgepasst!-jetzt-komme-ich! (und-verkaufe-Ihnen-den-Wagen,-von-dem-Sie-schon-immer-geträumt-haben)-Typ». Da haben zwei zusammengefunden, die zumindest vom Äusseren her schon mal zusammenpassen.
Dass es auf der anderen, unternehmerischen und damit weit wichtigeren Ebene ebenfalls stimmt, davon ist der 48-Jährige selbstredend überzeugt. Allerdings: Nach erst wenigen Wochen an der Unternehmensspitze will er zu geschäftlichen Belangen noch keine Äusserungen abgedruckt wissen.
Zuerst müsse er sich am Firmensitz in Dielsdorf einleben und den Kontakt zu den schweizweit verstreut operierenden Partnern pflegen. Allein im Bereich der Automobilvertretungen sind dies deren 95, hinzu kommen über 30 Verkaufsstellen für Motorräder. Doelf Carl ist in den 63 Tagen zwischen Jobantritt und Automobilsalon denn vor allem eines gewesen: Ständig auf Achse.
Stufe um Stufe Ford-wärts
Autos haben den im Engadin stammbaumverwurzelten Zürcher von Kindesbeinen an zu faszinieren vermocht. Bis zu seinem 18. Lebensjahr indes war die Eisenbahn das bevorzugt genutzte Familiengefährt was Wunder auch, arbeitete der Vater zu dieser Zeit doch auf der SBB-Verwaltung. Ein Umstand, der verpflichtet.
Kaum volljährig, habe er jedoch sofort die Autoprüfung gemacht und sich seinen ersten Wagen zugelegt: «Einen Ford Capri, ein Coupé.» Ursprünglich aus der Transportbranche kommend, wo er auf Anraten des Berufsberaters eine KV-Lehre absolviert hatte, wechselte Doelf Carl bald einmal ins Automobilgeschäft.
Bei Ford war er anfänglich in der Fahrzeugdisposition tätig, nahm kontinuierlich und immer gemäss dem damaligen Unternehmens-Slogan «Kommen Sie Fordwärts» eine Stufe nach der anderen, wechselte zwischenzeitlich ins Ausland, nach Rom, um 1998, nach zwei Jahren in dieser Position und insgesamt 19 Jahren Betriebszugehörigkeit, als Verkaufschef seinen Abschied von Ford zu geben.
Bei Rover Schweiz, einem Joint Venture zwischen BMW/British Rover Group und der Emil-Frey-Gruppe, übernahm er die Funktion des Generaldirektors. Es sei dies eine höchst interessante Zeit gewesen, sagt Doelf Carl. Vor allem die Art und Weise, wie Firmenchef und (Ex-)Nationalrat Walter Frey seinen Betrieb führt, habe ihn beeindruckt. «Engagement, Gerechtigkeit, Kontinuität und Stabilität stehen für ihn an erster Stelle, wenn es ums Geschäft geht. Und Frey setzt dies auch konsequent um.» Dass beim prominenten Autoimporteur Lehrlinge mittels Urinprobe auf Drogenkonsum kontrolliert werden, quittiert Carl mit einer entsprechenden Handbewegung: «Es ist nicht immer alles so, wie es herumerzählt wird.»
Nach drei Jahren Rover stieg der mittlerweile zweifache Vater 2001 auf Saab um und übernahm die Leitung des Schweden-Ablegers in der Schweiz. Mit dem auf Anfang Jahr vollzogenen Wechsel zu BMW übernimmt er die Markenführung des bayerischen Automobilherstellers im binnenländischen Markt, an dem dieser 5,5% hält. Damit verbunden sind rund 230 Arbeitsplätze.
Wie sieht sich Doelf Carl, der sagt, er habe sich seine Fähigkeiten in der Praxis und nicht in der Theorie angeeignet, in der Rolle des Generaldirektors, des Chefs? «Ich denke, dass ich fordernd bin, offen und konstruktiv in der Sache. Für mich ist vor allem der Teamgedanke wichtig.»
Für ihn als Repräsentant von BMW sei oberstes Ziel, die mit der Marke verbundenen Werte umzusetzen. Und dies in einer Zeit, in der gerade auch das in der Vergangenheit von Wirtschaftsbaissen weitgehend verschont gebliebene Segment der so genannten «Premium Automobile» mit rückläufigen Absatzzahlen zu kämpfen hat. «Die Leute achten mehr aufs Geld, das ist klar», sagt Carl, «aber ich glaube, dass gerade in der Schweiz eine Käuferschaft existiert, die bereit ist, für gute Produkte auch den entsprechenden Preis zu bezahlen.»
Entscheidend sei vor allem, dass das Angebot Authentizität besitze was für ein Auto der oberen Mittelklasse vor allem eines bedeute: Qualität. «Die an einen Wagen gestellten Ansprüche sind heutzutage sehr hoch, sowohl was Technik, Zuverlässigkeit, Design und Komfort als auch die Erfüllung von Umweltvorschriften anbelangt.» Hinzu kämen die Ansprüche an die Ausstattung, deren Spannweite keine Grenzen kenne.
Was die Sonderanfertigungen im eigenen Wagen angeht, gibt sich der Vielfahrer mit dem BMW 545iA als Geschäftsfahrzeug, der sich gerne auch mal aufs Motorrad schwingt, eher konservativ: «Luxus sind für mich zum Beispiel Ledersitze, wohingegen Navigationssysteme ja schon fast zur Standardausrüstung gehören.»
Schneller wachsen als die Konkurrenz
Doelf Carls Einstieg bei BMW fällt zusammen mit einer Produkteoffensive, welche die Bayern mit dem neuen 6er Coupé und dem X3 zu Jahresbeginn eingeleitet haben. In Genf erstmals präsentiert werden zudem das 6er Cabrio, der 5er Touring und eine Oben-ohne-Version des Mini Cooper. Im Herbst dann vollzieht die Nummer 7 auf dem Schweizer Markt mit dem neuen «Einser» den Einstieg ins Segment der unteren Mittelklasse.
So viel Neues und zumal lang Erwartetes auf einmal komfortable Zustände für jemanden, der einen neuen Job antritt. Doelf Carl schmunzelt; natürlich sei es toll, zu solch einem Zeitpunkt einzusteigen, allerdings die Lachfältchen verschwinden wieder «die Verantwortung, die damit verbunden ist, wiegt auch nicht gerade leicht». Denn mit den Neuheiten seien logischerweise auch hohe Erwartungen verknüpft.
«Wir wollen schneller wachsen als die Konkurrenz», verrät der neue Chef von BMW Schweiz eine seiner Maximen. Er tut dies in besonnenem Ton, nicht marktschreierisch, das wäre nicht seine Art. «Ich habe keine Verkäufermentalität, wie man sie als Konsument vielleicht vom Autokauf her kennt», bemerkt Doelf Carl, «ich sehe mich eher als Berater, ich will Interessenten und Angestellte mit Informationen für Produkte und Aufgaben begeistern.»
Und dies in einem Metier, in dem Emotionen eine sehr wichtige Rolle spielen. Beim Thema Auto, da könne ein jeder und eine jede mitreden, ist Carl überzeugt. Sei es als Freund des viergeräderten Individualverkehrs oder als Gegner desselben, sei es als glühender Anhänger des Motorsportes oder lärmgeschädigter Hauptstrassenanwohner «kalt lässt das Auto niemanden, und das macht dieses Business ja auch so interessant», bemerkt Doelf Carl.
Sich selbst sieht er am ehesten in der Rolle des faszinierten und sensibilisierten Normalverbrauchers. «Ich habe zu Hause keinen Oldtimer stehen und gehöre auch nicht zu denen, die am Wochenende am Wagen herumschrauben», gibt der BMW-Direktor freimütig zu.
Profil: Steckbrief
Name: Doelf Carl
Funktion: Managing Director BMW Group Switzerland, Dielsdorf
Alter: 48
Wohnort: Widen AG
Familie: Verheiratet, zwei Söhne
Karriere:
1978-1998 Ford Motor Company (u.a. Verkaufsdirektor)
1998-2001 Managing Director bei Rover Group Switzerland
2001-2003 Managing Director Saab Automobile Schweiz AG
Seit 2004 Managing Director BMW Group Switzerland
Firma: BMW Schweiz
1953 übernahm die damalige Motag von Karl Hübner den Import von BMW-Fahrzeugen in die Schweiz. Nach Hübners Tod integrierte die Münchner Muttergesellschaft die Geschäfte in Dielsdorf unter der neuen Firmierung BMW (Schweiz) AG in den Verbund der BMW AG. BMW Schweiz beschäftigt heute 230 Personen und setzte im abgelaufenen Jahr 1,258 Mrd Fr. um, was einem Rückgang gegenüber 2002 um 3,2% entspricht. Mit einem Anteil von 5,5% ist BMW (inkl. Mini) die Nr. 7 auf dem Schweizer Automobilmarkt, der von VW, Opel und Renault angeführt wird.