Stéphane Reynard und Dany Varone machen es sich nicht leicht. Auf 14 ha Rebland, das in nicht weniger als 220 Parzellen aufgeteilt ist, kultivieren die beiden Cousins insgesamt 21 Rebsorten und erzeugen mit den geernteten Trauben bis zu 40 verschiedene Weine. «Man muss schon ein bisschen verrückt sein», gesteht Stéphane Reynard lachend ein, «wenn man sich das antut. Jedes Jahr nehmen wir uns vor, dies zu ändern, aber wir schaffen es einfach nicht. Und vielleicht ist das auch gut so.»
Perfektionisten für 40 Weine
Der rekordverdächtigen Zahlen zum Trotz: Stéphane Reynard und Dany Varone wissen, was sie tun. Sie sind Perfektionisten, die ihren Reben wie auch ihren Weinen die ganze Aufmerksamkeit schenken und sich nicht mit mittelmässigen Resultaten zufrieden geben. Als sie sich vor 20 Jahren zusammentaten und die Domaine Cornulus im oberhalb von Sion gelegenen Dorf Savièse gründeten, bewirtschafteten sie nur gerade 1 ha Rebland. Heute gehört das Winzerduo zur Walliser Elite, nicht zuletzt dank der kompetenten und präzisen Kellerarbeit von Dany Varone.
Mag sein, dass sich andere in ihrer Lage mit dem Erreichten zufrieden gäben, doch die beiden wissen, dass man immer und überall noch ein bisschen zulegen kann. So erklärt es sich auch, dass sie 1999 damit begannen, einen Teil der Reben biologisch-dynamisch zu bewirtschaften. Denn hinter diesem Entscheid steckt die Erkenntnis, dass nicht nur die Reben resistenter werden, sondern dass auch die Traubenqualität zunimmt und somit der Terroircharakter und die Sortentypizität deutlicher zum Ausdruck kommen.
Wie bei den eigenen Kindern
Die Frage drängt sich auf, welche von den 21 kultivierten Sorten ihnen besonders am Herzen liegen. «Alle sind uns gleichermassen lieb», antwortet Stéphane Reynard. «Jede Traubensorte hat ihre eigenen Charakteristiken. Als Winzer muss man die genau kennen, damit man einer jeden gerecht werden und zum optimalen Ausdruck verhelfen kann.»
Um den Interpretationsspielraum voll nützen zu können, haben Stéphane Reynard und Dany Varone fünf verschiedene Linien kre-iert. Noblesse du Terroir heisst das Basissortiment, das sich aus einer Reihe verschiedener weisser und roter Weine zusammensetzt, die diesen wohl klingenden Namen auch tatsächlich verdienen. Zur Linie Octoglaive gehören acht, in schlanke Halbliterflaschen abgefüllte Weissweine, gekeltert aus edlen Sorten, die nicht aus der Walliser Weinbautradition wegzudenken sind, aber nie eine grosse Verbreitung erreicht haben. Die tief gehaltenen Erträge, der Ausbau auf der Hefe und der Verzicht auf die malolaktische Gärung verleihen diesen Gewächsen Rasse und Charakter.
Expressive, lagerfähige Crus werden mit den Trauben der beiden Spitzenlagen Clos de Mangold (2 ha) und Clos de Corbassières (3,3 ha) erzeugt. Während sich Erstere, zwischen Sion und Sierre gelegen, durch ein einzigartiges gipshaltiges Terroir auszeichnet, ist Letztere ein aussergewöhnlich exponierter, terrassierter Steilhang westlich von Sion. Die bis zu 70-jährigen Reben werden biologisch-dynamisch bewirtschaftet.
Die Linie Antica schliesslich umfasst grosse, strukturierte Rotweine (Humagne Rouge, Cornalin, Syrah, Cabernet Franc und eine Trè Gran genannte Assemblage). Die in Barriques ausgebauten Antica-Gewächse reifen unter idealen Bedingungen in einem ehemaligen, unter dem Clos de Mangold gelegenen Bergwerk langsam ihrer Vollendung entgegen.
Ohne Fendant läuft gar nichts
«Und jetzt an die Arbeit!», sagt Stéphane Reynard nach dem Rundgang durch Keller und Reben und meint damit, dass es an der Zeit sei, in der neuen, kurz vor dem Ortseingang von Savièse gelegenen Vinothek einige Weine zu verkosten. Wo die Reise durch den Wein-Dschungel der Domaine Cornulus beginnt, ist vorgegeben: Beim Fendant, der im Wallis wie das Wasser zu den Alltagsgetränken gehört. Doch da der aus der Chasselas-Traube gekelterte Fendant allzu lange als anspruchloser Massenwein galt, verzichten Reynard und Varone auf die Verwendung dieses Namens und haben ihre sechs verschiedenen Chasselas-Weine nach den Reblagen benannt. «Unsere Chasselas sind ausgeprochene Terroirweine. Jeder hat seinen spezifischen Charakter», erläutert Reynard. Der Lentine 2004 (Nob-lesse du Terroir) zeigt sich mineralisch, rund und rassig, der Vieilles Vignes Clos de Mangold 2004 enthüllt in der Nase florale Noten und dezente Zitrusaromen, im Gaumen ist er gut strukturiert und finessenreich, der Vieilles Vignes Clos de Corbassières 2004 schliesslich beeindruckt mit einem kräftigen, fruchtigen Bouquet und einem gut strukturierten, vielschichtigen Körper.
Als Rebsorte über jeden qualitativen Zweifel erhaben, ist die im Wallis alteingesessene Petite Arvine. Der 2004er der Linie Octoglaive gibt eine markante, von floralen Noten geprägte Nase zu erkennen, im Gaumen zeigt er Frische und Eleganz und die typische salzige Note im Abgang. Aus der gleichen Linie stammt der in Barriques ausgebaute 2003er Hermitage: Aus der im Wallis Hermitage oder Ermitage genannten Sorte Marsanne Blanche gekeltert, zeigt er sich vollmundig-komplex und zugleich angenehm frisch und rassig.
Eine kuriose Spezialität unter den diversen Rotweinen ist die Cuvée Rouge de Chasse (Noblesse du Terroir), die als Begleitung zu Jagdgerichten gedacht ist. «Jedes Jahr stellen wir die Zusammensetzung und die Mischverhältnisse neu zusammen. Beinahe drei Wochen pröbelten wir dieses Jahr rum, bis wir endlich die uns richtig erscheinende Assemblage hatten.» Das lange Pröbeln hat sich gelohnt: Der 2004er präsentiert sich fruchtig und zugleich würzig, fein gewoben, saftig und lang.
Eine Entdeckung ist auch der Gamay Vieilles Clos de Corbassières Vignes 2004: In der Nase zeigt er Aromen von reifen roten Früchten, im Gaumen ist er fleischig-rund, facettenreich-elegant und von beeindruckender Länge. Kommentarlos öffnet Stéphane Reynard den Cornalin Antica 2002. Dass dieser Wein gemeinhin zu den beeindruckendsten Interpretationen der gleichnamigen autochthonen Walliser Sorte gezählt wird, erstaunt nicht: In ihm verbinden sich Kraft und Eleganz, Komplexität und Subtilität zu einem dicht gewobenen, harmonisch-samtigen, aber keineswegs modisch zurechtdesignten Ganzen.
Ein nicht minder grosser Wein ist der Syrah Antica 2003: Mit seiner würzigen, pfeffrigen Nase und seinem vollmundig-vielschichtigen, von schwarzen Früchten und präsenten Tanninen geprägten Körper gehört er fraglos zu den besten Syrah-Gewächsen des Wallis.
Erwähnt werden müssen auch die beiden exzellenten Süssweine, die die Palette der Domaine Cornulus abrunden: Der Grain noble CÏur du Clos, Clos de Corbassières (eine Assemblage aus Marsanne Blanche und Petive Arvine) und der Hermitage Grain noble Octoglaive. Beide Elixiere werden nur in Kleinstmengen erzeugt und sind jeweils schnell ausverkauft.
Die Weine sind direkt ab Gut erhältlich. Domaine Cornulus, Route de Savièse, Savièse. Tel. 027-395 2545.