Es mag sein, dass Mario Draghi der grosse Beschützer des Euroraums ist – allen Schaden von Investoren fernhalten kann er jedoch wohl nicht.
Die am stärksten belasteten Bereiche in der Eurozone, von portugiesischen Staatsanleihen bis hin zu italienischen Bankaktien, zeigen, dass Investoren trotz der Konjunkturprogramme und Sicherheitsnetze der Europäischen Zentralbank nicht immun gegenüber Verlusten sind.
Leicht unterstützende Wirkung
Durch das 2012 von der EZB aufgelegte OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) und die im vergangenen März angekündigte quantitative Lockerung (QE) waren die Märkte bislang gegenüber politischen Einflüssen schmerzfrei. Zwar sieht es bei weitem nicht so schlimm aus wie beim Einbruch vor fünf Jahren, doch Investoren fangen an, sich zu fragen, wann die Betäubungsmittel wohl ihre Wirkung verlieren.
«Sobald eine richtige Motivation für einen Verkauf besteht, spielt es keine Rolle, dass jemand über QE-Bonds kauft», sagt Charles Diebel, Zinschef bei Aviva Investors in London. «Solange sich sonst nichts ändert, könnte man sagen, dass QE zwar etwas Unterstützung darstellt, aber darüber hinaus eigentlich nicht so viel.»
Turbulenzen bleiben möglich
Tatsächlich stellen die Länder, die von 2010 bis 2012 im Brennpunkt der europäischen Staatsschuldenkrise standen, nach wie vor potenzielle Quellen für Turbulenzen an den Finanzmärkten dar.
In Portugal ist eine Regierung an die Macht gekommen, die sich gegen die Reformen ihrer Vorgänger ausgesprochen hat. In Spanien bestehen ähnliche Befürchtungen und in Griechenland könnte sich das Rettungsprogramm in Luft auflösen. Die anhaltende Flüchtlingskrise hat darüber hinaus das Potenzial, der Einigkeit innerhalb der Europäischen Union Risse zuzufügen.
Warnung vor falschen Erwartungen
«Nach OMT und QE hatten die Märkte das Potenzial für böse Überraschungen nicht mehr eingepreist», sagt Marco Valli, Chef-Volkswirt für den Euroraum bei UniCredit SpA in Mailand. «Aber QE ist nicht darauf ausgelegt, politische Risiken zu neutralisieren.»
Die Rendite zehnjähriger portugiesischer Bonds ist stetig gestiegen, seit Ministerpräsident Antonio Costaim November eine neue Regierung bildete, die eine Lockerung der Sparmassnahmen durchsetzen will. Der Aufschlag gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen stieg in der vergangenen Woche auf den höchsten Stand seit dem Start des QE-Programms.
Hohe Wertverluste
In Italien und Spanien leiden die Banken darunter, dass Investoren Vermögenswerte abgestossen haben, die mit den finanziellen Schwachpunkten der Länder verbunden sind.
Italienische Bankaktien haben diesen Monat 20 Prozent an Wert verloren. Investoren sehen Pläne, das Volumen ihrer notleidenden Kredite zu reduzieren, mit Skepsis. Die Regierung in Rom und die EU-Kommission haben sich am Dienstag auf einen Plan zur Reduzierung dieser Verbindlichkeiten geeinigt. Titel von Banco Popolare di Milano weiteten ihre Verluste in diesem Monat dennoch auf 30 Prozent aus, da Zweifel bestehen, dass diese Einigung verwässert wird und nicht weit genug geht.
In Spanien ging es für Banco Santander und Banco Popular Espanol so stark abwärts wie seit dem Höhepunkt der Finanzkrise nicht mehr. Hintergrund ist nicht zuletzt das Ringen der Anti-Spar-Partei Podemos um eine Rolle in der nächsten Regierung nach einem unklaren Wahlausgang im Dezember.
Griechenland erneut im Fokus
Auch griechische Staatsanleihen befinden sich wieder auf Talfahrt, nachdem Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Lockerung bei der Rentenreform versprochen hat und damit erneut auf Kollisionskurs mit den europäischen Kreditgebern seines Landes geht. Denn die Rentenreform zählt zu den Bedingungen für das jüngste Hilfspaket.
«Wenn ich als Ergebnis politischer Risiken beispielsweise spanischen Anleihen gegenüber unsicher wäre – würde es dann einen Unterschied machen, ob die EZB sie kauft oder nicht?», fragt Diebel von Aviva. «Man würde sie dessen ungeachtet verkaufen.»
Allerdings wurde das aktuelle QE-Bondkauf-Programm im Volumen von 60 Milliarden Euro monatlich erst vor zehn Monaten eingeführt – seine Wirkung wurde somit bislang kaum getestet.
Zweites Programm im Vorlauf
Das OMT-Programm, das etwas besser auf die Schwächen des Euroraums zugeschnitten sein könnte, wurde noch gar nicht eingesetzt. Es ist an Bedingungen geknüpft und seine Rechtmässigkeit steht nach wie vor in Frage. Am 16. Februar will sich das Bundesverfassungsgericht Argumente dagegen anhören.
Die Wahl einer gegen Sparmassnahmen eingestellten Regierung in Spanien und das Aufkommen der extremen Rechten in Frankreich könnten Investoren als Anlass dienen, um Staatsanleihen oder ähnliche Vermögenswerte abzustossen, sagt Nick Kounis, Leiter Makro-Analyse bei ABN Amro NV in Amsterdam. Ab einem bestimmten Punkt werde die EZB eingreifen müssen, erwartet er.
«Die Risiken in der Peripherie werden bleiben», erklärt Kounis. «Die Lage ist kaum vorhersehbar und potenzielle Risiken lauern überall.»
(bloomberg/jfr)