Von UBS bis Versace – in den letzten Monaten geraten westliche Firmen häufiger ins Visier der chinesischen Internet-User. Die Drehbücher gleichen sich: Eine Firma «beleidigt» China. Darauf lässt sich die Online-Community von Staatsmedien zu wütenden Protesten und Boykottaufrufen anstacheln. Der Druck wächst und am Ende muss sich das Unternehmen öffentlich entschuldigen.
«Es gibt eine nationalistische Antwort im Internet, die offensichtlich von der Regierung geschürt wird», sagt Andrew Polk, Partner der Beratungsfirma Trivium China zur Wirtschaftsagentur «Bloomberg». Vor dem Hintergrund des Handelsstreits und der Proteste in Hongkong scheinen Medien und Internetnutzer zuletzt besonders empfindlich.
Doch worauf müssen Firmen achten, damit sie vom chinesischen Volkszorn verschont bleiben oder glimpflich aus einem «Shitstorm» herauskommen?
Firmen wie Swarovski, Versace, Givenchy und Calvin Klein gerieten ins Fadenkreuz der Medien und Internet-Nutzer, weil sie auf Webseiten oder auf Produkten Hongkong oder Taiwan nicht explizit als Teil von China bezeichneten. Für die Regierung in Peking ist das ein No-Go. Entsprechend muss die sogenannte «Ein-China-Politik» von allen Firmen, die Geschäfte im Land machen wollen, peinlich genau beachtet werden.
So listete etwa Swarovsky auf der Webseite die Sonderverwaltungszone Hongkong als eigenes Land in der Ländersuche. Nachdem ein Screenshot davon in den sozialen Medien auftauchte, wurde «Swarovski Entschuldigung» mit 480 Millionen Aufrufen zum trendenden Hashtag auf Weibo, dem chinesischen Twitter. Die Firma musste sich entschuldigen und die Fehldarstellung korrigieren.
Noch schlimmer traf es die Kleidermarke Coach. Das US-Luxuslabel bedruckte T-Shirts mit Städtenamen wie Chicago, Mailand, Shanghai, Taipeh oder Hongkong und den zugehörigen Ländern. Doch weil hinter Taipeh und Hongkong nicht «China» stand, gab es wütende Proteste, die Shirts mussten vernichtet werden. Ähnlich erging es Versace, hier wurde «China» bei den Städten Hongkong und Macau weggelassen.
Die «Global Times», das internationale Sprachrohr der chinesischen Regierung, bezeichnete den Vorfall als «Respektlosigkeit gegenüber der territorialen Einheit Chinas». Und die Tageszeitung «Renmin Ribao», ein Parteiorgan der Kommunistische Partei, warnte westliche Firmen am Montag in einem Kommentar: Solch «zufällige» Fehler seien angesichts des «kritischen Zeitpunktes» umso ungeheuerlicher und würden das Ansehen der betreffenden Marken in China nachhaltig beschädigen.
Der zweite Fallstrick ist der Respekt für Chinas Symbole, Kultur und Geschichte. Das musste auch UBS-Ökonom Paul Donovan schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Für einen völlig harmlosen «Schweine-Vergleich» in seinem täglichen Kommentar zum Wirtschaftsgeschehen wurde Donovan beurlaubt, nachdem ein «Shitstorm» auf Weibo ausbrach. Die UBS reagierte damit auf Boykottdrohungen von mehreren chinesischen Firmen.
Je nach Stimmungslage genügt bereits eine Kleinigkeit, um wütende Reaktionen auszulösen: So erschien chinesischen Medien und Teilen der Öffentlichkeit die Neujahrskampagne von Burberry deplatziert, weil die abgebildete Familie zu wenig harmonisch und fröhlich wirke. Westliche Marken hätten nur ein oberflächliches Verständnis für China, hiess es in einem Kommentar der «Global Times». «Düstere Farben in einem Familienfoto übermitteln Skepsis, Melancholie, Hass und sogar Trauer in der chinesischen Kultur.» Das sei für das Neujahrsfest ein «Tabu».
Auch wenn ausländische Marken China nicht bewusst beleidigen wollten, sollten sie «Kulturberater anstellen oder besser recherchieren, bevor sie in Zukunft eine Kampagne lancieren», so die «Global Times» zum Burberry-Fall. «Mit der wachsenden Wirtschaft werden die Chinesen in ihrer Identität selbstbewusster. Sie verlangen Anerkennung der Welt.»
Unter anderem mussten Burger King und Dolce & Gabbana Werbekampagnen zurücknehmen, weil sie sich lustig gemacht hätten, über Menschen, die mit Stäbchen essen.
Ein UBS-Ökonom schreibt einen falschen Satz – und in China ist der Teufel los. Was lernen wir daraus? Den Kommentar von «Handelszeitung»-Chefökonom Ralph Pöhner lesen Sie hier.
Ist der Schaden erst passiert, geraten die Proteste oft ausser Kontrolle. Chinas Regierung sei sich bewusst, dass die Situation eine Eigendynamik erhalten und «zu einem Flaschengeist werden kann, den man nicht mehr zurück in die Flasche bringt», sagt Polk von Trivium China. Betroffenen Firmen bleibt deshalb nichts anderes übrig als eine möglichst rasche Entschuldigung.
Wichtig ist dabei ein Schuldbewusstsein für die begangene Verfehlung zu zeigen und glaubhaft eine Umkehr zu versichern. Wie das geht, zeigte Swarovski nach dem Hongkong-Vorfall: «Swarovski entschuldigt sich aufrichtig bei den Chinesen, deren Gefühle verletzt wurden, bei unseren Partnern und unserem Asiensprecher Jiang Shuying», so die Firma in einem Statement. «Swarovsky hat immer entschlossen Chinas Souveränität und territoriale Integrität verteidigt.» Man habe tausende Webseiten auf der ganzen Welt und sei daran den Fehler so schnell wie möglich zu korrigieren.
Besonders Luxusmarken können heute auf die Kunden in Festlandchina nicht mehr verzichten. Gemäss Daten der Beratungsfirma Bain & Company sind chinesische Käufer heute für ein Drittel aller Luxusverkäufe und zwei Drittel des Branchenwachstums verantwortlich. Doch wer in China Geschäfte machen will, hat viele Fettnäpfchen zu vermeiden.