Ding, dong – der Walmart-Lieferant steht mit prallgefüllten Taschen vor der Haustür. Den Testkunden erreicht diese Mitteilung im Büro. Doch statt nach Hause zu fahren, lehnt er sich im Bürostuhl zurück. Und verfolgt via Webcam, wie der Lieferant das Haus betritt und Milch, Joghurts und Eier im Kühlschrank verstaut. Möglich macht die Ins-Haus-Lieferung ein Spezialschloss an der Haustüre. Dank einem Einweg-Code erlaubt dieses den Zutritt zum Haus.
Noch ist die Kühlschrank-Lieferung für die breite Masse ein utopisches Zukunftsszenario – eines von vielen. Denn mit Hochdruck arbeiten Detailhändler und Onlineshops an neuen Lösungen: von den USA bis in die Schweiz, von LeShop bis Post, am Boden und in der Luft. Der Konkurrenz immer einen Schritt voraus, ist das Ziel.
Siroop testet Drohnenlieferung
Ein Liefertrend erobert derzeit die Lüfte. Vergangene Woche startete der Onlineshop Siroop einen Test für Drohnenlieferungen in Zürich. Zusammen mit dem US-Drohnen-Startup Matternet und Mercedes lassen sie Kleinpakete zu strategisch platzierten Lieferwagen fliegen. Die Feinverteilung zum Kunden übernimmt dann aber ein Lieferant.
Siroop-Partner Matternet macht auch mit der Post gemeinsame Sache. Seit März transportieren Drohnen Laborproben testweise zwischen zwei Spitälern in Lugano. Noch vor Ende Jahr soll die Technologie in weitere Teile der Schweiz expandieren – dann sollen Europa, die USA und Japan folgen. Ende September präsentierte das Startup eine Bodenstation. Auf der rund zwei Quadratmeter grossen Plattform sollen die Drohnen starten und landen können. Eine Bepackstation sorgt dafür, dass der richtige Inhalt von der richtigen Person empfangen wird – die Information dazu wird via QR-Code übermittelt.
Geduld ist gefragt
Bis Drohnenlieferungen Alltag werden, dauert es aber wohl noch zehn Jahre, sagte Matternet-CEO Andreas Raptopoulos unlängst gegenüber dem «Blick». Das Potenzial hat auch Amazon erkannt. Alleine 2016 reichte der Internet-Gigant 78 Patente aus diesem Bereich ein, zeigt eine Auflistung der Beratungsfirma CB Insights.
Eine weitere Zukunftshoffnung liegt auf Robotern. Derzeit versucht sich die Post zusammen mit Jelmoli in der Stadt Zürich: Wer diesen Service ausprobieren möchte, muss aber in den Stadtkreisen 1, 2, 3 oder 9 wohnen – nicht weiter als 5 bis 6 Kilometer vom Warenhaus an der Bahnhofstrasse entfernt. Zudem ist Geduld gefragt, der kniehohe Lieferroboter auf sechs Rädern braucht für die Kurzstrecken rund zwei Stunden. In der Testphase ist der Helfer auch noch mit einer Begleitperson unterwegs. Das Beispiel zeigt, für Roboter wird es schwierig: Der Boden ist deutlich umkämpfter als die Luft.
Lieferung in den Volvo-Kofferaum
Auch beim Lieferort zeigt sich die Branche innovativ, längst muss es nicht mehr das traute Heim sein. Seit Frühjahr bietet LeShop zusammen mit der Post und Volvo den Service «In-Car-Delivery» an. Dem Lieferanten erlaubt dabei ein einmalig gültiger Code das Öffnen des Kofferraums, wo er die bestellten Waren verstauen kann – egal ob das Auto zuhause, vor dem Büro oder in der Stadt steht. Bislang ist das Angebot auf die Städte Bern, Lausanne, Genf und Zürich beschränkt.
Noch hält sich das Interesse in Grenzen. Seit März hätten über 20 Kunden das Angebot genutzt, erklärt Sascha Heiniger, Kommunikationschef von Volvo Car Switzerland. Die technische Möglichkeit hätten bis dato 6'500 Autobesitzer, ihr Fahrzeug ist mit der nötigen «Volvo on Call»-Technik ausgestattet.
Harziger Start
Trotz des harzigen Starts arbeitet Volvo Schweiz und die globale Volvo Car Group am Ausbau ihres Dienstes. Verhandlungen mit aktuellen und neuen Partnern, den Dienst auf weitere Regionen und Produkte auszubauen, würden laufen. Bis heute hätten sich über 500 Kunden generell für «In-Car-Delivery» registriert, zeigt sich Heiniger ermutigt.
Das Projekt «hat noch Potenzial», sagt LeShop-CEO Schumacher. Momentan mache man eine Standortbestimmung. Zur Diskussion stünde die Erweiterung des Angebots auf zwei oder drei weitere Marken über Volvo hinaus.
Abholstation für Pendler
Innovative Liefermodelle gibt es auch für ÖV-Nutzer. Die SBB ist mit ihrem grossen Bahnhofsnetz dafür prädestiniert. Zurzeit läuft der dritte Versuch. Am PickupPoint beim Gleis 18 am Hauptbahnhof Zürich können Pendler Produkte von vier Shops in Empfang nehmen. Mit Farmy.ch ist auch ein Lebensmittelhändler am Start. Betrieben wird der Punkt vom Startup Notime. Der Erfolg ist aber auch am Bahnhof nicht garantiert: In den vergangenen Jahren sind sowohl das LeShop-Projekt Goodbox wie auch das SBB-Projekt Speedyshop gescheitert.
Dessen ungeachtet sind die Ziele der SBB in Sachen Zukunftsfähigkeit ambitioniert: Zürich soll der weltweit digitalste Bahnhof werden, sagte SBB-Chef Andreas Meyer kürzlich. Beim am 21. November anstehenden Digital Day sollen die Schweizerinnen und Schweizer einen Vorgeschmack bekommen, wie dieser aussehen könnte.
Auf ein bereits stattliches Abholnetz kommt heute die Migros Gruppe: Im Grossraum Zürich gibt es bereits 45 Pickmup-Standorte, insgesamt sollen es in der Schweiz bis Ende Jahr rund 450 sein. Rund ein Viertel der Stationen ist auf LeShop-Produkte ausgerichtet, viele haben Produkte von Digitec-Galaxus und ExLibris im Angebot.
Lieferung innert vier Stunden
Bereits weit fortgeschritten sind die Händler bei der Lieferzeit. Beim Elektronikversandhändler Brack können Kunden in Zürich oder einigen anderen Städten bis 15 Uhr bestellen und halten schon rund vier Stunden später ihr Produkt zuhause in den Händen. Dabei setzt das Unternehmen für die Endzulieferung an die Kunden auf die Velokuriere des Startups Notime. Auf die gleichen Strampler setzt auch Manor, deren Kunden müssen allerdings bereits bis Mittag ihre Bestellung aufgeben, um sie am gleichen Tag zu erhalten.
In der Schweiz zeigen sich die Lieferdienste von Coop und Migros mit Zeitfenstern bis abends spät kundenfreundlich. Wohin die Reise gehen kann, zeigt das Angebot von Amazon-Prime in den USA: Gerade wird in zwölf amerikanischen Städten ein Schnellservice mit Lieferung innerhalb einer Stunde getestet.
Das Rennen um die letzte Meile im Versandgeschäft läuft also heiss. Ob die Bestellung per Drohne, Roboter oder doch von einem Menschen gebracht wird, dürfte die Konsumenten letztlich wenig interessieren. So lange die Lieferung preisgünstig, pünktlich und heil ihr Ziel erreicht.