Roche-Verwaltungsratspräsident Franz Humer sagte 2003, als er die Vitaminsparte an die niederländische DSM verkaufte, damit lasse sich kein Geld verdienen.
Chris Goppelsroeder: Die Sparte macht heute 5 Milliarden Euro Umsatz. Das entspricht zwei Dritteln des Umsatzes von DSM, beim Ebitda ist der Anteil sogar noch höher. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich.
Also eine Genugtuung, dass Sie es der grossen Roche gezeigt haben?
Stolz, ja. Wir haben eine Menge gemacht aus dem Geschäft. Aber Genugtuung nein, das wäre fehl am Platz.
Warum?
Roche hat gewaltige Verdienste bei der Erforschung von Vitaminen. Wir haben allen Grund, Roche dankbar zu sein.
Ihre Konkurrenz produziert in China, Sie betreiben im aargauischen Sisseln die grösste Vitaminfabrik der Welt. Kann diese Rechnung aufgehen?
Sicher. Sisseln ist eine kostengünstige Anlage, wenig personalintensiv und auf dem neusten Stand. Dazu kommt, dass wir unsere Grundstoffe in Dollar einkaufen, Währungsschwankungen machen uns vergleichsweise wenig zu schaffen.
Wie wichtig ist der Standort Schweiz?
Sehr wichtig. Wenn etwas in der Schweiz produziert wird, dann wird das häufig mit bester Qualität verbunden. Das ist eine Karte, die wir ausspielen können.
Auch wenn Sie nicht beim Endkunden punkten müssen?
Die Schweiz zieht immer, auch bei Industrie-Kunden.
DSM hat kürzlich seine Strategie aufdatiert. Im Vorfeld gab es Spekulationen, die Vitaminsparte werde verselbstständigt.
Richtig ist, dass der Schwerpunkt auf der Nutrition-Sparte liegt. Doch auch unsere Materials-Sparte kann sich sehen lassen. Sie wächst, die Margen sind gut.
Trotzdem, DSM produziert Dyneema, ein Stoff, aus dem schusssichere Westen und Panzerverkleidungen hergestellt werden, und Vitamine unter einem Dach. Wie passt das zusammen?
Personenschutz ist ein riesiges Thema, sehen Sie sich die Entwicklungen weltweit an. Zudem findet Dyneema an sehr vielen Orten Verwendung. Die Seile, mit denen die Antenne auf dem Freedom Tower in New York verspannt sind, bestehen zum Beispiel aus Dyneema.
Trotzdem, Synergien gibt es keine.
Stimmt, doch bei anderen Produkten gibt es die sehr wohl, zum Beispiel bei den Biomedicals. Da liegt unsere Stärke genau in der Konvergenz unserer Expertise in der Materialwissenschaft und den Lebenswissenschaften.
Ist die Aufspaltung des Unternehmens aufgehoben oder nur aufgeschoben?
«Niemals» zu sagen, ist falsch – vor allem, wenn man eine derart ausgeprägte Transformationshistorie hat wie wir. Zur Erinnerung: Wir haben vor mehr als hundert Jahren mit Minen angefangen.
Sie hätten CEO werden können, wenn DSM aufgespaltet worden wäre.
Gegenfrage: Wer sagt denn, dass ich das jetzt nicht bin? Auf meiner Visitenkarte steht schon CEO.
Ein Sparten-CEO ist schon nicht ganz das Gleiche wie ein Konzernchef.
Okay, aber ich bin nicht mehr in einem Alter, in dem es ständig um die Frage geht: Was kommt als Nächstes?
Über eine zweite Kotierung in London – neben Amsterdam – wurde spekuliert. Warum kam es nicht dazu?
Wir glauben, dass Amsterdam für DSM ein guter Börsenplatz ist. Abgesehen davon: Es ist heute für Investoren sehr einfach, weltweit Aktien zu handeln.
Sie haben 3 Milliarden Euro für Zukäufe zur Verfügung. Was werden Sie machen?
Wir werden unser Nutrition-Geschäft weiterentwickeln – vor allem in Richtung Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt, dass sich kommerzieller Erfolg für uns ohne Nachhaltigkeit nicht mehr erreichen lässt.
Sie sind ein global tätiges Unternehmen mit Marktanteilen von 20 bis 25 Prozent. Wie wollen Sie da noch wachsen?
Im bestehenden Geschäft ist es aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schwierig. Deshalb suchen wir nach neuen Märkten.
Zum Beispiel?
Die Konsumenten wollen nachhaltigere Produkte. Das ist unsere Chance. Wir arbeiten zum Beispiel an der Entwicklung von Enzymen, die geeignet sind, Antibiotika als Wachstumsförderer in der Tierhaltung zu ersetzen. Wir sind überzeugt, dass hier ein gewaltiges Potenzial liegt.
Das heisst?
Mit Antibiotika werden in der Tierhaltung heute 4 bis 5 Milliarden Dollar umgesetzt. Wir sind zuversichtlich, dass ein bedeutender Teil dieser Umsätze künftig bei Unternehmen, die Alternativen anbieten, anfallen wird – zum Beispiel bei uns. Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen in der Tiermast keine Antibiotika mehr.
Sie hätten CEO werden können, wenn DSM aufgespaltet worden wäre.
Gegenfrage: Wer sagt denn, dass ich das jetzt nicht bin? Auf meiner Visitenkarte steht schon CEO.
Ein Sparten-CEO ist schon nicht ganz das Gleiche wie ein Konzernchef.
Okay, aber ich bin nicht mehr in einem Alter, in dem es ständig um die Frage geht: Was kommt als Nächstes?
Über eine zweite Kotierung in London – neben Amsterdam – wurde spekuliert. Warum kam es nicht dazu?
Wir glauben, dass Amsterdam für DSM ein guter Börsenplatz ist. Abgesehen davon: Es ist heute für Investoren sehr einfach, weltweit Aktien zu handeln.
Sie haben 3 Milliarden Euro für Zukäufe zur Verfügung. Was werden Sie machen?
Wir werden unser Nutrition-Geschäft weiterentwickeln – vor allem in Richtung Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt, dass sich kommerzieller Erfolg für uns ohne Nachhaltigkeit nicht mehr erreichen lässt.
Sie sind ein global tätiges Unternehmen mit Marktanteilen von 20 bis 25 Prozent. Wie wollen Sie da noch wachsen?
Im bestehenden Geschäft ist es aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schwierig. Deshalb suchen wir nach neuen Märkten.
Zum Beispiel?
Die Konsumenten wollen nachhaltigere Produkte. Das ist unsere Chance. Wir arbeiten zum Beispiel an der Entwicklung von Enzymen, die geeignet sind, Antibiotika als Wachstumsförderer in der Tierhaltung zu ersetzen. Wir sind überzeugt, dass hier ein gewaltiges Potenzial liegt.
Das heisst?
Mit Antibiotika werden in der Tierhaltung heute 4 bis 5 Milliarden Dollar umgesetzt. Wir sind zuversichtlich, dass ein bedeutender Teil dieser Umsätze künftig bei Unternehmen, die Alternativen anbieten, anfallen wird – zum Beispiel bei uns. Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen in der Tiermast keine Antibiotika mehr.
Was haben Sie sonst noch in der Pipeline?
Im nächsten Jahr starten wir zusammen mit Evonik in Nebraska, USA, eine 200 Millionen Dollar teure Anlage, die Omega-3-Fettsäuren in einem Fermentierungsverfahren herstellen wird. Ziel ist es, eine Alternative zu Fischöl zu schaffen.
DSM ist ein B2B-Unternehmen. Wie wissen Sie, was die Konsumenten wollen?
Indem wir uns mit der ganzen Wertschöpfungskette auseinandersetzen, das heisst, wir suchen den Kontakt zu unseren direkten und indirekten Kunden, zu den Detailhändlern und zum Konsumenten.
Trotzdem: Der Konsument ist für Sie weit weg.
Stimmt. Aber der Markenhersteller und der Detailhändler wissen ziemlich genau, was die Konsumenten wollen, hier hat sich vieles verändert.
Zum Beispiel?
Konsumenten und Detailhändler wollen nachhaltige Produkte und lassen sie diese auch etwas kosten.
Ihre wichtigsten Kunden – grosse Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé – verlieren Marktanteile. Was heisst das für Sie?
Die Karten werden neu gemischt; das ist eine Opportunität für uns. Unser Vorteil ist, dass beide – die grossen wie die kleinen Player – innovative Produkte brauchen und dafür kommen sie zu uns.
DSM wird immer wieder als Übernahmekandidat gehandelt. Zu Recht?
Ich denke nicht, dass wir gefährdet sind. Wir sind gut aufgestellt und haben eine starke Bilanz.
Trotzdem, wie mulmig ist Ihnen, wenn Sie sehen, was mit der Chemieindustrie in der Region Basel passiert ist? Syngenta gehört zu Chemchina, Clariant hat die Saudis im Rücken, Ciba gibt es nicht mehr.
Ich mache mir keine Sorgen. Eine Übernahme kann auch ihr Gutes haben. Wir wissen ja, was aus der Vitaminsparte von Roche geworden ist. DSM hat sie übernommen – und zum Fliegen gebracht.
Spartenchef: Chris Goppelsroeder wechselte 2003 zusammen mit dem Vitamingeschäft von Roche zur niederländischen DSM. Seither hat er aus dem leidenden Geschäft eine Nutrition-Sparte mit mehr als 5 Milliarden Euro Umsatz gezimmert.
Unternehmen: Die niederländische DSM hat sich in den vergangenen Jahren vom breit aufgestellten Chemiekonzern zu einem auf Materials und Nutrition fokussierten Chemiekonzern entwickelt. Das Unternehmen ist stark gewachsen und machte 2017 8,6 Milliarden Euro Umsatz, den grössten Teil mit Nutrition. DSM beschäftigt weltweit 25'000 Personen, 45 Prozent der Umsätze kommen aus schnell wachsenden Volkswirtschaften. Im Juli kam es zu einem strategischen Update, das jedoch weniger spektakulär ausfiel als erwartet. Es kam nicht zu einer Aufspaltung des Unternehmens.