Für DSM, die frühere Dutch State Mines, ist die Rechnung aufgegangen: Im Herbst 2003 bezahlte das holländische Chemieunternehmen 1,75 Mrd Euro für Roches Vitamin- und Feinchemikalien-Geschäft. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die in DSM Nutritional Products (DSM NP) umfirmierte Roche-Sparte 1,9 Mrd Euro Umsatz - bei einer Betriebsgewinn-Marge von immerhin 10,6%. Diese liegt deutlich über jener des Gesamtkonzerns von 6,3%.

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DSM NP hat nach wie vor ihren Sitz in der Schweiz. Ihr CEO, Feike Sijbesma, der auch Mitglied der Geschäftsleitung von DSM ist, pendelt Woche für Woche zwischen Holland und Kaiseraugst. Er hat durchaus Gewicht im DSM-Konzern, denn das Geschäft mit Ingredienzen für Nahrungsmittel und Tierfutter ist für ein Viertel des Gesamtumsatzes bei DSM verantwortlich.

Der Wechsel von Roche zu DSM bescherte DSM NP aber erst einmal einen schmerzhaften Abbau. Von den ursprünglich 7500 Stellen seien bisher 1000 eliminiert worden. Bis anfangs nächsten Jahres sollen weitere 400 Jobs verschwinden, sagte Sijbesma der «HandelsZeitung». «Ob es noch mehr werden, müssen wir dann sehen.»

Obwohl jede fünfte Stelle in der früheren Roche-Sparte verschwinden wird, ist die Bilanz nicht nur negativ: So wurden etwa die gesamten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Schweiz konzentriert. Nur in China gebe es zusätzlich «ein kleines Forschungslabor», so Sijbesma. Das sei aber als Ergänzung gedacht und nicht in Konkurrenz zum Standort Nordwestschweiz. Für Forschung und Entwicklung will DSM Nutrition künftig eine Summe von 5 bis 9% des Umsatzes aufwerfen.

Stark in der Biotechnologie

Positiv stimmt auch, dass DSM weiss, wohin sie mit DSM NP will. Erstens haben sich die Holländer als führendes Weisses Biotechunternehmen positioniert. Die Weisse Biotechnologie trägt laut Sijbesma «stark zur Wettbewerbsfähigkeit» gegenüber der asiatischen Billigkonkurrenz bei. Mehr als 50% aller Produktionsprozesse bei DSM Life Science Products - zu der DSM NP gehört - sind nicht mehr chemischer, sondern biotechnologischer Art. Zweitens will sich DSM NP besonders dem attraktiven Markt für Functional food (Nahrungsmittel mit medizinischem Zusatznutzen) widmen. Dieser wächst mindestens doppelt so schnell wie der Gesamtmarkt für Nahrungsmittelzusätze.

Laufend kommen neue Functional-Food-Ingredienzen dazu. Vor einigen Tagen hat DSM NP etwa Studienresultate zu Teavigo, einem Grüntee-Extrakt, vorgestellt. Teavigo hilft gegen Fettleibigkeit. Gleichzeitig wurde auch der Nahrungsmittelzusatz Bonistein angekündigt, der einer Schwächung der Knochen vorbeugen helfe und das Risiko für Osteoporose vermindern könne.

Die Nordwestschweizer Forscher bedienen sich einer Bibliothek von 80000 Produkten der Natur, die beliebig gemischt und auf ihre Gesundheitswirkung hin überprüft werden können. In der Pipeline steckt zum Beispiel auch die geschmacksneutrale und durchsichtige Milch. In dieser Form soll der Muntermacher der Natur den Kindern besser munden.

Der Functional-food-Fokus steht im Einklang mit entsprechenden Anstrengungen der Nahrungsmittelriesen Nestlé und Unilever, die zu den Kunden gehören. Auch sie wollen sich als «Wellness»-Unternehmen profilieren. So formuliert es zumindest Nestlé.

Weisse Biotechnologie

Warum sich Umweltschützer für Biotech erwärmen

Verkehrte Welt? Verschiedene Umweltschützer äussern sich positiv zur Biotechnologie. Die deutsche Bundesfraktion der Grünen zum Beispiel sieht «viel versprechende Anwendungsgebiete».

Die neu entdeckte Liebe für die Biotechnologie bezieht sich aber auf die Weisse Biotechnologie, auch industrielle Biotechnologie genannt. Dort geht es nicht darum, die Gene von Saatgut zu verändern, wie das in der Grünen Biotechnologie getan wird. Das Ziel ist vielmehr, industrielle chemische Prozesse durch biotechnologische abzulösen. Der deutsche Chemiekonzern BASF konnte durch die Umstellung der Produktion des Vitamins B2 einen 8-stufigen chemischen Produktionsprozess durch einen einzigen biotechnologischen ersetzen. Das Resultat: Die Kosten fielen um 40%, die CO2-Emissionen um 30%, der Ressourcen-Verbrauch um 60% und der Abfall um 95%. Angesichts dieser Zahlen können Umweltverbände wenig gegen die Weisse Biotechnologie einwenden. Zumal die Biotechprozesse in geschlossenen Systemen stattfinden und die eingesetzten Lebewesen (meist Hamsterzellen, Hefe und Bakterien) nicht in die Umwelt gelangen.

Die Beratungsfirma McKinsey schätzt, dass im Jahr 2010 bereits zwischen 10 und 20% aller Chemikalien biotechnologisch hergestellt werden könnten. Dabei geht es nicht nur um die Herstellung von therapeutischen Proteinen für Medikamente, wie das etwa Lonza in grossem Stil tut. Lonza stellt auch das Nahrungsergänzungsmittel L-Carnitin, das vor allem von Sportlern nachgefragt wird, biotechnologisch her. Anwendungen der Weissen Biotechnologie gibt es neben der Pharma- und Nahrungsmittel- auch in der Textil-, Papier-, Druck- und Kosmetikindustrie. Besonders aktiv in der Weissen Biotechnologie ist die holländische Firma DSM und ihre Schweizer Nahrungsmittelzuliefer-Sparte DSM Nutritional Products.

Weisse Biotechnologie gilt zusammen mit der Nanotechnologie als grosse Chance für europäische Chemieunternehmen, um ihre Position angesichts der (asiatischen) Billigkonkurrenz zu verteidigen.