Im ebenso brandneuen wie milliardenteuren Hotelresort Madinat Jumeirah zu Füssen von Dubais Wahrzeichen, dem Hotel Burj-al-Arab, kann man das Geld fast riechen. Man wandelt durch eine von Wasserwegen durchzogene Palastanlage mit Ali-Baba-Glamour und sinnbetörendem Luxus zwischen Verschleierung und Enthüllung. Ein Stück weiter den Jumeirah-Strand hinunter nimmt The Palm, die drei künstlich aufgeschütteten Inseln in Palmenform, klare Konturen an und wird im nächsten Jahr bezugsbereit sein. Auch The World, das im Bau befindliche und im Jahr 2008 vollendete Inselreich in Form einer Weltkarte, ist in Sichtweite. 15 Rolls-Royce-Minuten entfernt ragen die architektonisch spektakulären Emirates Towers messerscharf in den Himmel und lassen die Vermutung aufkommen, dass der Ölstaat am Persischen Golf über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügt und die heimischen Prinzen die Dirhams nach Lust und Laune aus dem Fenster werfen.

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Mit dieser Vermutung liegt man jedoch total daneben. «Das Vorurteil, dass Geld in den Wüstenemiraten keine Rolle spielt, hat nichts mit der Realität zu tun», sagt der Schweizer Hotelier Christophe Schnyder, der zwei Jahre lang das «Burj-al-Arab» geleitet hat und nun das benachbarte Al-Qasr-Hotel führt, das Filetstück des Madinat Jumeirah Resort. «Sämtliche touristischen Projekte der Herrscherfamilie al-Maktoum sind knallhart als Profitzentren angelegt, und ich kann Ihnen versichern, dass sie es auch sind.» Hotels wie das «Al-Qasr» erreichen Zimmerdurchschnittspreise von rund 500 US-Dollar, das «Burj-al-Arab» gar 1100 Dollar bei einer durchschnittlichen Belegung von 88 Prozent übers ganze Jahr. «Bei allem Spektakel ist Dubai jedoch kein Spielplatz der Ölprinzen, sondern in erster Linie Big Business», fügt Schnyder hinzu. «Wäre es anders, hätten die Verantwortlichen längst ihr Interesse verloren» (siehe Nebenartikel «Christoph Schnyder: «Es gibt keine Low Season»»).

Das Interesse am raschen Aufbau der Destination Dubai sowohl als glitzernder Business-Hub des Mittleren Ostens wie als verführerisches Ferienparadies und internationales Transitdrehkreuz ist gross, denn dem Wunderland im Wüstensand geht bald das Öl aus. Derzeit trägt das schwarze Gold, das dem Ministaat seit den sechziger Jahren Reichtum bescherte, nur noch rund zehn Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Kronprinz Scheich Mohammed al-Maktoum (54), der starke Mann im Land, erkannte die wirtschaftliche Notwendigkeit früh. Mit strategischem Weitblick, wagemutigen Visionen und den künftig sprudelnden Einnahmequellen vor Augen begann er Mitte der achtziger Jahre, die Zukunft Dubais zu planen und die Infrastruktur des Emirats so weit voranzutreiben, bis der Funke bei ausländischen Investoren überspringen würde.

Zuerst liess er einen internationalen Flughafen der Superlative erbauen. Dann sorgte er für optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen, um die Ansiedelung von Industrie, Banken, Start-ups, Technologie- und Telekommunikationszentren voranzutreiben. Unterstützt von einer hochtourig laufenden Marketing-Task-Force, waren die Investoren leicht zu locken: keine Zölle und Steuern, ein neuer Überseehafen und modernste Büros, dazu niedrige Energiekosten und ein unbürokratisches Vorgehen. Geschäftsleute aus aller Welt kamen und blieben nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Vergnügen.

Kronprinz Scheich Mohammed erstellte Golfplätze, Freizeitparks, Shopping-Malls und Hotelanlagen – der Tourismus begann auf Touren zu kommen. Dann, mit der medienwirksamen Eröffnung des «Burj-al-Arab» zur Jahrtausendwende, zündete er eine neue Raketenstufe in der Entwicklung der Zukunftsmaschine Dubai. Solch ein Hotel hatte die Welt noch nicht gesehen. Das avantgardistische Bauwerk schlug ein wie eine Bombe und gab das Signal für den Tourismusboom, der anhält. 2004 kamen 5 Millionen Besucher, in fünf Jahren sollen es 15 Millionen sein. Die Botschaft: Kommt nach Dubai und schaut, was alles möglich ist, wenn man seiner Fantasie freien Lauf lässt und Tempo macht.

Heute kommt kaum eine international renommierte Hotelkette mehr am Wüstenreich vorbei, und ungezählte Weltkonzerne haben Niederlassungen in den Freihandelszonen Dubais etabliert oder entsprechende Projekte in der Schublade. «Hier gerät man rasch in diese ‹can do›-Stimmung», sagt Frédéric Bardin, Vizepräsident des regionalen Destinationsmanagement-Unternehmens Arabian Adventures. In den 15 Jahren, in denen er im Land arbeitet, hat sich Dubai von einem Wüstenfleck zu einem Wirtschaftszentrum entwickelt, das Singapur oder Hongkong das Fürchten lehrt. «Man kommt einfach mit einer guten Idee, erarbeitet einen Businessplan, und morgen kann es losgehen», strahlt Bardin.

Alles eine riesige Seifenblase, die bald platzen könnte? Der Berner Jean-Marc
Busato, Verantwortlicher der Rezidor-SAS-Gruppe im Mittleren Osten, ist von der Standhaftigkeit Dubais überzeugt: «Ein Geschäft zieht das andere an, und das enorme Investitionsvolumen deutet darauf hin, dass sich die Destination in den nächsten Jahren weiterhin prächtig entwickeln wird. In Dubai gibt es eine Menge Leute mit einer Menge Geld.» Busato weiss vor allem das professionell organisierte Vorgehen und die klare Vision der Regierung zu schätzen: «Sie halten ihre Versprechen.» Rezidor SAS hat derzeit fünf Hotelprojekte auf dem Reissbrett und wird im kommenden Dezember mit der Eröffnung des Lifestyle-Hotels Cerruti einen neuen Akzent in einer Hotellandschaft setzen, die bisher mehr mit opulenten orientalischen Dekors als mit schlichtem Design aufwartete.

Das Potenzial der sonnengetränkten Stadt hat auch der Schweizer Hotelkonzern Mövenpick erkannt. Andreas Mattmüller, Senior Vice President Middle East, plant derzeit die Eröffnung von vier Mövenpick-Hotels und -Resorts: «Dubai hat einerseits eine attraktive Plattform für private Investoren geschaffen, die vieles erleichtert. Andererseits bietet das Emirat eine perfekte Infrastruktur für Feriengäste und Business-Reisende.» Mattmüller findet tausend gute Worte für die Stadt und bemängelt lediglich die Tatsache, dass Lebenskosten, Mieten und Schulen teuer geworden sind. «Die City wird wie ein moderner Konzern geführt, und die Regierung hat eine unternehmerische Energie fast ohne politisches Geplänkel. Die Frage, die an ein interessiertes ausländisches Unternehmen gestellt wird, ist: ‹Wie können wir euch helfen, euer Geschäft hier optimal zu etablieren?› Vielleicht ist Dubai die Umsetzung einer vorbildlichen ‹Diktatur› – demokratische Regierungen sind oft langsam und bremsen innovative Entwicklungen schon im Ansatz aus.»

Als Arbeitsort ist Dubai ein Himmelreich für alle, die den Anfang mehr als das Ende lieben, die Ungewissheit mehr als das Erprobte und die Unordnung inniger als das Quadrat. Keine Stadt entwickelt, verändert, erneuert sich derzeit schneller und radikaler. Nichts ist hier, wie es war. Nichts wird in einigen Jahren noch so sein wie gegenwärtig. Auf der wohl grössten Baustelle der Welt wird so viel gebuddelt und gebaut, dass einen manchmal die Angst beschleicht, man könnte eines Nachts an der Stelle seines Hotels nur noch eine Baugrube von der Grösse eines Fussballstadions antreffen. Der urbane Take-off ist gut fürs Portemonnaie – und schlecht für die Seele: Jenseits des Strands von Jumeirah, wo die edlen Hotelresorts auf den Indischen Ozean blicken, präsentiert sich die Stadt in weiten Teilen als urbane Endlosigkeit. Die so genannten Expatriates (Gastarbeiter), die rund 85 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind in erster Linie zum Geldverdienen hier. Wer seinen Job verliert, muss innerhalb von 30 Tagen das Luxusarbeitscamp Dubai verlassen, egal ob als pakistanischer Küchengehilfe oder britischer Hoteldirektor. Bürgerrechte kann man nicht erwerben. Als Bürger der Emirate wird man geboren.

Ob das Phänomen Dubai tatsächlich andauern wird, hinterfragt eigentlich niemand im Emirat der unbegrenzten Möglichkeiten. Das jährliche Wirtschaftswachstum liegt bei acht Prozent, mit steigender Tendenz. Allein Iran investiert derzeit zwölf Milliarden US-Dollar in diverse Bauvorhaben. Der Tourismus-Rush besteht fort, die Mischung aus Las Vegas, Shanghai und Miami Beach kommt an – rund 55 Prozent der Gäste stammen aus Europa und Russland, die anderen vorwiegend aus arabischen Ländern. «Our World is great», verkünden Schilder an Dubais gut ausgebauten Strassen, «and it gets better.» Währenddessen zelebriert die vor Energie und Unternehmergeist strotzende Stadt den Aufbruch mit immer kühneren Tourismusprojekten, die Hollywoods Science-Fiction-Filmer vor Neid erblassen lassen (siehe Nebenartikel «Dubai: Gross im Kommen»). Man kann Scheich Mohammed Grössenwahn vorwerfen, aber wer dem Märchenprinzen einmal die Hand schütteln durfte, ist von dessen scheinbar grenzenloser Visionskraft infiziert. «Was ich für Dubai bisher erreicht habe, sind lediglich zehn Prozent meiner Vision», sagt der charismatische arabische Herrscher.

Scheich Mohammed ist auch Mitbesitzer und bestimmende Figur der Fluggesellschaft Emirates. Sein Input war von Anfang an klar: Die Airline muss Gewinn abwerfen. Abgesehen von einem Startkapital von zehn Millionen Dollar bei der Gründung 1985, erhielt die konstant profitable Emirates bis heute keinerlei Subventionen. Das Geschäftsjahr per Ende März 2004 warf einen Gewinn von 429 Millionen Dollar ab. Die heute 70 Maschinen umfassende Flotte wird bis ins Jahr 2012 auf über 169 Maschinen aufgestockt, unter anderem mit 45 Maschinen des weltweit grössten Flugzeugs, des Airbus 380. Emirates fliegt täglich nonstop von Zürich nach Dubai, ab Dezember auch ab Genf. Der Fluggesellschaft gehört auch der Wüstenresort Al-Maha, ein Beduinen-Zeltlager mit ökologischen Ansätzen und Sechssternekomfort.

Auch in den anderen Scheichtümern der Vereinigten Arabischen Emirate geht die Reise fort vom Öl und auf ins Übermorgenland des Tourismus. Scheich Saoud Bin Saqr al-Qassimi (49), Kronprinz des nördlichsten Emirats, Ras al-Khaimah, sieht sich heute mit der Ausgangslage konfrontiert, die Dubai vor zwanzig Jahren hatte. Mit grosser Umsicht versucht er seit seiner Übernahme des Regierungsgeschäfts im Sommer 2003, eine eigene touristische Identität für seinen Kleinstaat zu finden. Bei aller Bewunderung für die rasante wirtschaftliche Entwicklung in Dubai und den Mut seines Amtskollegen Scheich Mohammed, glaubt er nicht an künstliche Erlebniswelten für sein Land. «Wir wollen von der Schönheit der Natur ausgehen», sagt er und schaut mit leuchtenden Augen hinaus auf sein Land, das von der Topografie her sehr viel begünstigter ist als das grosse Bruder-Emirat und sowohl mit langen Stränden als auch mit magischer Bergwelt und weitflächiger Agrikultur aufwarten kann.

«Alles, was wir zu tun brauchen, ist, die Naturkulisse von Ras al-Khaimah zu sublimieren und die Sehnsucht der Gäste nach authentischen Erlebnissen zu befriedigen. Dabei können wir von unserer Geschichte lernen und diese mit offenem Blick für die moderne Welt weiterentwickeln.»

Im Gespräch mit Scheich Saoud spürt man seinen Willen, Leadership und Verantwortung zu übernehmen und sein Land von einer gewissen Rückständigkeit in die Neuzeit zu manövrieren. Seine wichtigste Aufgabe sieht er darin, die konservativ-islamischen Einheimischen auf den Wandel vorzubereiten. «Wir wollen einen Dialog der Kulturen in Gang bringen», ergänzt er, «und in komfortablen Hotelanlagen die arabische Tradition mit ihrer Vielfältigkeit von Farben, Licht und Düften so gut wie möglich zu bewahren versuchen.»

Wie in Dubai will man sich in Ras al-Khaimah nicht allein auf den Tourismus verlassen, sondern parallel dazu eine Business-Infrastruktur aufbauen. Kather Massaad, geschäftsführender Besitzer von RAK Ceramics und diplomierter Absolvent des Polytechnikums EPF Lausanne, hat es innert weniger Jahren zum weltweit grössten Produzenten von Keramikplatten geschafft. Ein Vorzeigebetrieb mit 4500 Mitarbeitern, der andere aufstrebende Firmen wie etwa die auf DVD-R spezialisierte Falcon Technologies des Schweizer Unternehmers Adel Michael nach sich zog. Als persönlicher Berater des Kronprinzen setzt sich Massaad mit Hochdruck dafür ein, Ras al-Khaimah als Feriendestination voranzutreiben. Im Januar wurde das erste Luxushotel eingeweiht und ist bereits langfristig ausgebucht. Im Frühherbst wird das Thermenhotel Khatt Springs am Fusse der Berge eröffnet, und die Bauarbeiten am neuen Flaggschiffbetrieb «Al-Hambra Palace» mit Golfplatz sind in vollem Gang.

Um die Grossinvestitionen der Regierung optimal einsetzen zu können und weitere Projekte zu koordinieren – derzeit laufen Architekturwettbewerbe zu einem halben Dutzend Ferienparadiese und einem Skigebiet auf 2000 Meter Höhe –, wurde der Schweizer Hotelberater Christian Marich engagiert. Bei aller Euphorie für die touristische Zukunft des kleinen Scheichtums setzt er auf umweltverträgliche Konzepte, naturnahe Erlebnisse und das Motto «Small is beautiful». In Ras al-Khaimah soll das arabische Leben nicht von glatten Fassaden und kosmopolitischen Mega-Inszenierungen in den Schatten gestellt werden.