Schiefe Schneidezähne, eine klaffende Lücke – das sind für viele Menschen belastende Schönheitsmakel. Nicht ohne Grund tragen gemäss Bundesamt für Statistik rund 28 Prozent der Schweizer irgendwann in ihrem Leben eine Zahnspange für gesunde und hübsche Zähne. Die kostet im Schnitt zwischen 3000 Franken für kleine Backenzahnkorrekturen bis hin zu 15'000 Franken bei extremen Kieferfehlstellungen.
«Viel zu viel», findet Ertan Wittwer. «Korrekturen von Zahnfehlstellungen dürfen nicht nur den Reichen vorbehalten sein», sagt der 34-Jährige. Deshalb hat er gemeinsam mit Marcel Kubli das Startup Bestsmile gegründet. Nachdem das Patent für durchsichtige Zahnspangen, sogenannte Aligner, des amerikanischen Unternehmens Align Technology Invisalign im Oktober 2017 ausgelaufen war, schnappten die beiden Schweizer zu und gründeten vor rund einem Jahr Bestsmile.
Die beiden Gründer kennen sich aus mit Startups: Chef Ertan Wittwer sammelte bereits Erfahrung in der Internetbranche – bei Suche.ch im Sales, als Geschäftsführer von Groupon Schweiz und zuletzt als Gründer von Shore Switzerland. CFO Philip Magoulas ist ebenfalls Mitgründer und war davor Gründer und CEO von Shore. Vor dieser Tätigkeit war er bei Zalando im Management aktiv.
COO Marcel Kubli war vorher unter anderem sechs Jahre im Management-Team von Digitec tätig gewesen und leitete danach die Store-Expansion des Brillen-Startups Viu, das ebenfalls stark expandiert. Zwei Gründer des erfolgreichen Startups Viu seien auch an Bestsmile beteiligt, sagt Wittwer. «Sie verfolgen – genau wie wir – den gleichen Minimalismus bei ihren Shops und ihrem Auftritt», sagt Wittwer.
Zwölf Shops bis Ende Jahr
Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile über 50 Angestellte und betreibt schweizweit sechs Shops, zwei davon in Zürich. In den kommenden Monaten sollen weitere Läden in Chur, Schaffhausen, Lausanne und Genf dazukommen.
Auf einer Reise in die USA im Frühjahr 2018 sah Wittwer, dass es dort bereits Startups gibt, die Aligner produzieren und in durchgestylten Shops in Einkaufsstrassen anbieten. «Dort habe ich erkannt, dass eine Zahnspange nicht nur ein steriles, medizinisches, sondern auch ein Lifestyle-Produkt ist, das Menschen schöner und zufriedener macht», sagt Wittwer. Zurück in der Schweiz sprach er mit Zahnärzten sowie möglichen Investoren und informierte sich über rechtliche Hürden.
Der erste Shop öffnete seine Pforten bereits im September 2018 am Bahnhof Enge in Zürich. Obwohl Bestsmile als Zahnarztpraxis anerkannt wird, erinnern die Shops eher an eine Lifestyle-Boutique. Das Konzept für das Interior stammt von Fabrice Aeberhard, der schon die Läden des Brillenlabels Viu als Eyecatcher konzipiert hat.
Zahnspange im Abo
Die Store-Manager und Angestellten sind bei Best Smile zugelassene Zahnärzte und Dentalassistenten. Jeder Shop hat eine Praxiszulassung. So funktioniert es: einen Online-Termin vereinbaren und sich im Store vor Ort erst beraten und dann 3D-Aufnahmen des Kiefers erstellen lassen. Bei einem zweiten Termin bespricht der Arzt den Behandlungsplan und es kommt zum Vertragsabschluss.
Die Korrektur eines Kiefers kostet 1900 Franken, beide Kiefer 2990 Franken – egal, wie viele Schienen im 3D-Druck-Verfahren durch Zahntechniker im eigenen Labor in Winterthur erstellt werden. Zahnfehlstellungen können somit bereits ab 95 Franken pro Monat korrigiert werden. Beide Kiefer zusammen kosten 145 Franken pro Monat in Ratenzahlung.
Dass gängige Zahnarztpraxen jetzt auch ihre Preise für die durchsichtige Zahnspange senken und auch weitere Unternehmen, wie etwa die Crown 24 aus Zürich, ebenfalls Aligner für einen Pauschalpreis von 179 Franken pro Schiene ins Sortiment genommen haben, ist eine logische Folge. «Konkurrenz belebt das Geschäft», sagt Marcel Kubli, «umso wichtiger ist es, dass wir mutig sind und schnell Ladenflächen in guten Innenstadtlagen finden.»
Markteintritt in Deutschland verschoben
Deshalb möchte Best Smile so rasch als möglich weitere Shops eröffnen – am liebsten auch im Ausland. Genauer gesagt in München, wo die beiden Gründer die Eröffnung eines Shops dieses Jahr anvisierten.
Diese Pläne sind aber vorerst auf Eis gelegt:«Wir werden in Deutschland nicht als Zahnarztpraxis akzeptiert», sagt Wittwer. Das mache eine Expansion schwierig, sagt der Gründer. «Der deutsche Markt ist anderen Regulierungen unterworfen.» Deshalb wolle man sich vorerst ganz auf den Heimmarkt Schweiz konzentrieren. Wann das Abenteuer Deutschland weiter gehen soll, kann Wittwer zurzeit noch nicht sagen.
In der Schweiz scheint das Konzept hingegen anzukommen: Der Shop in Zürich sei ständig ausgebucht. «Bereits in den ersten drei Monaten hatten wir in diesem einen Shop rund hundert Kunden – wir hatten mit viel weniger gerechnet», sagt Wittwer. Die Investoren, vorwiegend Business Angels, aber auch etwa Mathias Schmitter, der ehemalige Inhaber von Dürr Dental Schweiz oder die Viu-Mitgründer Fabrice Aeberhard und Peter Käser, haben für 2019 Geld zum Wachstum nachgeschoben.
Jetzt suchten die Gründer nicht nur nach Standorten, sondern auch nach Dentalspezialisten, sagt Wittwer. «Wir stellen seit der Gründung pro Woche im Durchschnitt rund 1,5 Angestellte ein.»