Die meiste Zeit sind Fahrzeuge nicht unterwegs, sondern stehen parkiert – in Parkhäusern herum, zu Hause oder im Büro. Das gilt auch für Elektrofahrzeuge. Das Schweizer Startup Sun2Wheel hat nun eine Lösung gefunden, wie die Energie im Auto-Akku künftig effizienter genutzt werden könnte.

Denn die Akkus haben eine weitaus grössere Speicherkapazität, als im Normalfall für die tägliche Mobilität benötigt wird. Die Idee: Über eigens entwickelte Ladestationen werden die Auto-Batterien nicht nur geladen, sondern auch als Energiespeicher angezapft, um zum Beispiel Gebäude mit Strom zu versorgen.

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«Vehicle to Home»

Damit kann der vor Ort produzierte Strom – zum Beispiel von einer Photovoltaikanlage am Dach – im Elektroauto in der Garage gespeichert und direkt im Gebäude wieder genutzt werden. Das Unternehmen spricht von einer «Vehicle-to-home»-Lösung. So lässt sich der Solarstrom etwa in der Nacht zum Betrieb elektrischer Geräte oder  sogar zum Beheizen eines Gebäudes mit einer Wärmepumpe nutzen.

Die Idee ist nicht ganz neu. Viele Smartphones machen das bereits im Kleinen: Durch Auflegen eines akkubetriebenen Gerätes auf der Rückseite des Handys kann Ersteres aufgeladen werden. Der Strom-Carrier wird so zum Energiespender, im Fachjargon bidirektionales Laden genannt.

So viel wie AKW Gösgen

Doch wieviel Energie wird durch das bidirektionale Laden der Riesenakkus auf vier Rädern überhaupt frei? Im Fall der Sun2Wheel-Stationen gar nicht so wenig. Die Lade-und Entladeleistung liegt zwischen 10 und 20 Kilowatt. Zum Vergleich: Wenn ein Einfamilienhaus den Staubsauger, den Herd, den Föhn und die Waschmaschine gleichzeitig anstellt, dann entspricht das bereits rund 10 Kilowatt Leistung.

Oder noch konkreter: Ein Einfamilienhaus benötigt pro Tag zirka 10 bis 15 Kilowattstunden Strom. Ein Nissan Leaf mit 60 Kilowattstunden Speicher-Kapazität kann somit ein Gebäude rund fünf Tage lang betreiben. Es wird also die bis zu fünffache Energie dessen gespeichert, die ein Gebäude benötigt.

Das Potenzial für Ladestationen in Form von E-PKWs ist im E-Auto-Land Schweiz recht gross. Mehr als viereinhalb Millionen PKW sind in der Schweiz insgesamt unterwegs. Würden nur 100'000 davon E-Autos sein, die an so ein bidirektionales Ladenetz angehängt würden, entspricht das bereits der Leistung des AKW Gösgen. Um den Aha-Effekt weiter zu strapazieren: 100'000 E-Fahrzeuge könnten so bei einer gespeicherten Energiemenge von 30 Kilowattstunden den Tagesverbrauch von 200000 Einfamilienhäusern decken.

Zu wenig E-Autos

Allerdings gibt es noch viel Luft nach oben. Der erste Wermutstropfen: Insgesamt fahren in der Schweiz per Ende 2020 nur rund 43'000 E-Autos, von insgesamt 4,6 Millionen PKW. Das ist von der 100'000er-Marke noch ein gutes Stück weit entfernt.

Zweiter Wermutstropfen: Durch die Ladungen und Entladungen für die Energiespeicherung und -versorgung werden die Ladezyklen pro Batterie erhöht. Das führt zu einer rascheren Abnutzung des Auto-Akkus, wenn auch nur in geringem Masse. Also: «Ja», sagt Städeli, «mit der Nutzung des Fahrzeuges als Zwischenspeicher werden die Ladezyklen erhöht, allerdings auf eine sehr sanfte Art und langsame Art, was bei der Batterie keine merkliche Alterung verursacht».

Günstig sind die bidirektionalen Ladestationen auch (noch) nicht. Es gibt sie ab 10'400 Franken das Stück. Hinzu kommen Software-Lizenz, App und Inbetriebnahme für weitere 1450 Franken, macht total mindestens 11'850 Franken. Der Preis dürfte erst dann signifikant sinken, wenn die Anzahl der E-Autos und die Zahl verkaufter Ladestationen in der Schweiz wiederum deutlich steigen.

Expansion in vollem Gang

Der Expansion des Jungunternehmens tut das dennoch keinen Abbruch: Zehn Anlagen sind in der Schweiz bereits in Betrieb. «Weitere sind in der Pipeline», so Städeli. Beispielsweise bei einer Nissan-Garage in Richenthal, bei einem Mehrfamilienhaus sowie beim Gasthof «Ochsen» in Geiss.

Sun2wheel selbst unterhält zwei Firmenstandorte, in Obernau-Kriens sowie in Liestal im Cleantech Lab. «Weitere Büros sind geplant», sagt Städeli. Und zwar 2022 in der Romandie und in der Ostschweiz.