Per Mausklick am weltweiten Markt teilnehmen, Produkte evaluieren und Waren und Dienstleistungen zu geringen Kosten möglichst schnell beschaffen mit diesen Argumenten hat der elektronische Einkauf das E-Procurement erste Aufmerksamkeit erzielt. Heute steht jedoch bei einer modernen Geschäftsplattform nicht der Handelspreis im Vordergrund. Vielmehr geht es um die prozessorientierte Integration von Daten und Abläufen. Geschäftsvorgänge wie Bestellung, Warendisposition, Lagerbewirtschaftung, Versand und Fakturierung werden zu logischen Prozessabfolgen zusammengeführt und durchgängig elektronisch abgewickelt.

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Aufträge werden so im Schnitt 50% schneller bewältigt. Das zeigt eine Studie, welche die TU Darmstadt mit 1000 europäischen Grossunternehmen, darunter auch aus der Schweiz, durchgeführt hat. Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass Faktoren wie Zeitersparnis, Fehlervermeidung und Artikelverfügbarkeit den Return-on-Investment mehr beeinflussen als allfällige Margengewinne. Lieferant wie Abnehmer bleibt zudem mehr Zeit für die strategische Beziehungspflege und die langfristige Geschäftsentwicklung. Diese Vorteile kommen insbesondere bei grossen Unternehmen mit einem weit verzweigten Lieferantennetz zum Tragen. So sieht das auch die Migros.

Drehkreuz für 300000 Produkte

Vor kurzem hat die Migros ein neues, zentrales Warenwirtschaftssystem (SAP) eingeführt. Mit Ausnahme von Frischwaren werden heute rund 300000 Produkte zentral durch den Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) bewirtschaftet. Parallel zu dieser Konsolidierung hat die Migros auch neue Lösungen für den elektronischen Austausch mit Lieferanten etabliert. Grosse Lieferanten, die selber mit umfassenden Systemen arbeiten, tauschen ihre Daten nach wie vor über klassische EDI-Anwendungen (Electronic Data Interchange) nach UN/Edifact-Standard mit der Migros aus. Die hohen Anforderungen an die Datenqualität und der Betrieb einer eigenen EDI-Plattform setzen allerdings viel Know-how, Zeit und Geld voraus Investitionen, die sich kleine Unternehmen kaum leisten können. Um sie dennoch in den elektronischen Prozess einzubinden, hat die Migros in Zusammenarbeit mit Sowatec und Software AG MLSonline entwickelt.

Die Onlineplattform ist an das zentrale Warenwirtschaftssystem der Migros angeschlossen. Die Daten der Lieferanten sind auf der Serverinfrastruktur des MGB gespeichert, der Zugriff erfolgt über das Internet. Die Anwendung bietet Lieferanten eine durchgängige, prozessorientierte Auftragsabwicklung. Dabei deckt sie mit Stammdaten- und Kontraktverwaltung, Auftragsbearbeitung, Rüstprozess, Kommissionierung und Erstellung der Lieferpapiere nicht nur die von der Migros vorausgesetzten Geschäftsabläufe ab, sondern auch die innerbetrieblichen Prozesse der Lieferanten. Lagerbestände im Zentrallager des MGB werden zum Beispiel von den Zulieferern selber tagesaktuell verfolgt und bewirtschaftet (VMI Vendor Managed Inventory). Diese können so diese Informationen für die Optimierung ihres eigenen Lagerumschlages bzw. der Produktion einsetzen. Datensicherung sowie Betrieb und Unterhalt der Plattform übernimmt die Supportorganisation des MGB.

Standardisierung setzt Anpassungen voraus

Jede vereinheitlichte Lösung grenzt die Flexibilität der Teilnehmer bis zu einem bestimmten Grad ein. Lieferanten müssen sich teilweise von Gewohnheiten trennen und Anpassungen vornehmen. Das erkennt auch die Migros, ist gleichzeitig aber überzeugt, dass mittelfristig die Vorteile überwiegen und mit der Onlineplattform die Datenqualität massiv verbessert wird. Der Nachbearbeitungs- und Korrekturaufwand reduziert sich um ein Vielfaches, und alle Beteiligten sparen so wertvolle Zeit.

Das bestätigt auch Horst Podojil, Inhaber und Geschäftsführer der Podojil Intertex S.A. mit drei verschiedenen Standorten in der Schweiz und im Ausland. Podojil Intertex produziert Qualitätssocken und liefert der Migros mehrheitlich Standardartikel. «Der dezentrale Zugriff auf die Onlineplattform vereinfacht für uns die Auftragsabwicklung», erklärt Horst Podojil. «In Rothenburg ausgelöste Bestellungen kann unser Logistiker in Biasca direkt rüsten und kommissionieren. Ist er in den Ferien, löst unsere Auftragsabwicklung diesen Prozess aus. Wir sparen so Zeit und optimieren unsere personellen Ressourcen.»

Für Lieferanten, die Daten zwischen der Migros-Plattform und ihren eigenen betriebswirtschaftlichen Systemen nahtlos austauschen wollen, hat Sowatec zusammen mit der Software AG MLSonline Connect entwickelt. Mit dieser Applikation lassen sich Daten aus der Migros-Plattform direkt in die eigenen betriebswirtschaftlichen Systeme übertragen und umgekehrt eigene Daten integrieren.

Die Lösung deckt verschiedene Integrationstiefen ab, von der internen Integration (Enterprise Application Integration) bis zur externen Anbindung von weiteren Lieferanten und Kunden (EDI). Die Migros-Aufträge fliessen direkt in die Auftragsbearbeitung und das Warenwirtschaftssystem. Mitarbeitende arbeiten so schneller und haben jederzeit Zugang zu aktuellen Daten. Gleichzeitig erhalten KMU die Möglichkeit, in Zukunft auch Schnittstellen mit anderen Kunden zu überbrücken.

Die Zusatzlösung schliesst so den elektronischen Kreis und stellt sicher, dass auch in Zukunft die IT-Infrastruktur jederzeit den veränderten Anforderungen angepasst werden kann, ohne dabei den Anschluss an Grossabnehmer zu verlieren.

Thomas Messmer, Geschäftsführer Sowatec AG, Pfäffikon ZH; Marcel Ducceschi, Leiter Lieferantensysteme, Migros-Genossenschafts-Bund (MGB), Zürich.