Müsste Simon Lehmann zu einer DNS-Probe antreten, würde die Laborantin auf orange Spurenelemente in seinem Corporate-Genom stossen. Lehmann, ein Digital-Evangelist der eifrigeren Sorte, kennt das orange «M» sogar gleich von zwei Seiten. Einerseits war Lehmann neun Jahre lang Chef der Hotelplan-Tochter Interhome.
Anderseits versuchte er als Boss des Schweizer E-Bike-Pioniers Flyer, mit Migros’ damaliger E-Bike-Kette M-Way ins Geschäft zu kommen. Es gelang. Aber: «Knochenharte Verhandler waren das», erinnert sich Lehmann, «die Marge, die man bei M-Way einsacken wollte, konnten wir bei Flyer nicht mal selber erarbeiten.»
Mutige Käufer für Migros-Sorgenkinder
Heute kann Lehmann lachen über dieses Rencontre vor ein paar Jährchen. Denn nun ist Lehmann Präsident von M-Way. Die 2011 gegründete E-Bike-Ladenkette gehörte ins traurige Quartett jener Migros-Sorgenkinder, die in den letzten Monaten nach und nach mutige Käufer gefunden haben. M-Way wanderte ins Portfolio des Schwyzer Private-Equity-Hauses Constellation beziehungsweise dessen Swiss E-Mobility Group (SEMG), wo bereits Zweiradmarken wie Allegro, Cilo, Simpel oder Saxonette E-Bikes eingeparkt sind.
Lehmann sitzt dabei als Präsident der SEMG wie auch von M-Way auf zwei Sätteln. Die SEMG steht aktuell bei 75 Millionen Franken Umsatz; bis 2021 will Lehmann den Wert auf 100 Millionen hochschrauben.
Dass M-Way unter den Flügeln der finanzstarken Migros zum Problemkind werden konnte, erstaunt einigermassen. Immerhin sind E-Bikes in der Schweiz seit Jahren ein Renner-Produkt. M-Way stieg 2011 rechtzeitig in die Boom-Branche ein und etablierte sich in der Folge mit landesweit gegen dreissig Filialen zur ersten Adresse für erschwingliche Elektro-Rösser.
Migrol war nicht die ideale Umgebung
Trotzdem kam die Firma nicht richtig auf Touren. Ein Grund: Die Bike-Händlerin war beim Mineralöl-Unternehmen Migrol angehängt, was wohl nicht die ideale Umgebung war. 2019 dürfte M-Way rund 4 Millionen Franken Verlust geschrieben haben. Und, besonders ärgerlich für Digital-Derwisch Lehmann: Vom Umsatz, der bei rund 40 Millionen Franken gelegen haben dürfte, kamen keine 5 Prozent aus dem E-Commerce.
Diesbezüglich tat sich im Frühling 2020 unter den neuen Eignern einiges. Bedingt durch den Lockdown explodierten die Web-Umsätze bei M-Way: «Alleine im April machten wir online so viel Umsatz wie im ganzen 2019», sagt Daniel Bühler, der operative Chef von M-Way.
Lehmann ergänzt: «Covid-19 beschleunigte den E-Commerce generell in acht Wochen um drei Jahre.» Das ist die gute Seite. Die weniger gute: Lehmanns Ziel wäre es gewesen, mit M-Way schon im ersten Jahr der Übernahme schwarze Zahlen zu schreiben. Weil die stationären Umsätze stagnierten, kann man sich dies wohl abschminken.
M-Way will Sorgenkind-Status abstreifen
Lehmann und seine Equipe bleiben dran. Mit bewusstem Kostenmanagement und sorgfältiger Arrondierung des Verkaufsnetzes – von den aktuell 31 Verkaufsstellen sollen 2020 wohl drei geschlossen und bloss eine oder zwei neu hinzukommen – will M-Way den Sorgenkind-Status abstreifen.
Zusätzlich haben Lehmann und Bühler wohl noch ein paar weitere Pfeile im Köcher. Firmenintern kursiert das Wort der angestrebten Positionierung eines «Netflix des E-Bikes». Zwar wollen weder Lehmann noch Bühler sagen, was es damit konkret auf sich hat. Zu vermuten ist aber, dass man in der Distribution neue Wege gehen muss, wenn man auch die nächsten Generationen mitnehmen will auf die E-Reise.