Was hat dazu geführt, dass Schiesser bei ECR mitmacht?
Richard Pfenninger-Fabro: Wir waren uns seit jeher bewusst, dass die Themen ECR und EDI auch in der Textil- und Bekleidungsbranche von grosser Bedeutung sind. Und weil wir in Deutschland schon seit langem mit dabei sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns auch in der Schweiz engagierten.
Ist die Tatsache, dass Schiesser international tätig ist, mit ein Grund für das ECR-Engagement?
Pfenninger: Ja, weil wir dadurch auch von Erfahrungen in anderen Ländern profitieren können. Ich denke da etwa an Fallstudien in anderen ECR-Ländersektionen, die wir als Benchmark einsetzen können.
Das Wäschegeschäft ist von grosser Komplexität geprägt. Wie ist es da möglich, allgemeine Instrumente und Lösungsansätze aus anderen Branchen zu übernehmen? Bringts das wirklich?
Pfenninger: Absolut, denn die Standardprozesse sind ja überall mehr oder weniger die gleichen. Nehmen wir die Absatzkanäle. Da haben wir die gleichen Ziele wie etwa ein Lebensmittelproduzent: Wir wollen, um einige Beispiele zu nennen, dass unsere Produkte permanent am Verkaufspunkt erhältlich sind, kein Out-of-Stock eintritt und für den Bestellvorgang EDI verwendet wird. Es sind immer die gleichen Prozesse, egal ob es sich dabei um Waschmittel, Rasierklingen oder eben Wäsche handelt. Deshalb können wir von den Erfahrungen anderer profitieren und umgekehrt.
Das bedeutet aber auch, dass Sie Ihre Erfahrungen offen legen müssen. Auch gegenüber der Konkurrenz. Haben Sie da keine Vorbehalte?
Pfenninger: Nein, im Gegenteil. Wir müssen noch weit offener miteinander Erfahrungen austauschen. In der Schweiz tun wir uns schwerer damit als in anderen Ländern. Wenn ich nur schon daran denke, wie sich der Textilmarkt konstant verändert, tut rasches Agieren Not.
Wie verändert er sich?
Pfenninger: Der Fachhandel verliert immer mehr an Bedeutung. Das heisst, wir verlieren zunehmend an starken Verkaufspunkten. Kommt dazu, dass die Konzentration des Handels zu immer weniger Verkaufsstellen führt. Dafür drängen ausländische Anbieter auf den Markt, vor allem so genannte «vertikale Unternehmen», die ihre eigenen Produkte in den eigenen Verkaufsstellen anbieten. Damit sind die sehr effizient. Da haben wir als Markenartikler kaum Chancen, aufgenommen zu werden. Deshalb ist es für unsere Industrie und unsere Handelspartner essenziell, dass wir verstärkt zusammenarbeiten.
Was für konkrete Ziele haben Sie sich mit ECR eigentlich gesetzt?
Pfenninger: Die Idee ist, innerhalb von ECR Schweiz eine Bekleidungsgruppe zu bilden mit den zwei, drei wichtigsten Marktteilnehmern der Schweiz im Wäschebereich. Dies, um eine eigentliche Dynamisierung zu bewirken.
Konkreter?
Pfenninger: Es wäre schön, Calida und Triumph mit dabei zu haben und handelsseitig Globus, Manor oder Coop, um eine kleine, effiziente Gruppe auf die Beine zu stellen. Derzeit stecken wir mitten in den Gesprächen.
Und wie sieht es kooperationsmässig aus «upstream» zu Lieferanten oder Verpackungsindustrie? Ist das überhaupt ein Thema?
Pfenninger: Absolut. Bei ECR geht es schliesslich um die gesamte Wertschöpfungskette. Für uns geht es primär um die eigenen Produktionsbetriebe, wo wir Standards schnell umsetzen können. Aber auch mit Partnern sind wir daran, Vereinheitlichungen zu schaffen. Denn die Bekleidungsbranche ist stark von der Mode geprägt, ist mithin schnelllebig. Um die Kundenwünsche rasch erfüllen zu können, sind standardisierte Prozesse und Informationswege für Bestellungen, Produktion und Lieferungen absolut nötig. Die Kommunikation muss frei und offen fliessen. Das bedingt natürlich ein gewisses Vertrauensverhältnis. Eines ist aber unbestritten: Wer da nicht mitmacht, wird es in Zukunft schwierig haben.
Steckbrief
Name: Richard P. Pfenninger-Fabro
Funktion: General Manager der Schiesser Schweiz AG für die Märkte Schweiz, Italien und Österreich.
Alter: 38
Familie: Verheiratet, ein Sohn
Hobbys: Sport, Reisen
ECR-Nutzenpotenziale: Vorteile für Hersteller wie auch Händler
Optimierte Prozessführung, Zeit- und Kostenersparnisse, Absatzsteigerung, das Entfallen von Doppelerfassungen, Reduktion von Fehlerquellen und sichere Datenqualität. Das sind die wichtigsten Nutzenpotenziale für Schiesser, die mit dem Einsatz von ECR-Modellen und -Standards eine eigentliche Win-win-Situation für Hersteller wie auch Handel sieht.
Die Nutzen für Hersteller:
- Bessere Trenderkennung und Reaktion (POS-Zahlen, Kundenkenntnis).
- Effizientere Kollektionsentwicklung (Erhöhung der Programme, geringerer Kollektionsumfang).
- Reduzierte Anzahl von Retouren.
Die Nutzen für Händler:
- Bessere Steuerung des Einkaufslimits.
- Schnellere Durchlaufzeiten.
- Höhere Kundenbindung.
- Erhöhung Kundenfrequenz.
- Reduzierte Abschriften.
- Erhöhte Rendite.
ECR-Organisation
Strategien für den gemeinsamen Erfolg
ECR Schweiz (Efficient Consumer Response) ist die Organisation von Handel, Industrie und Dienstleistern der Konsumgüterwirtschaft für Zusammenarbeit und Optimierung der Wertschöpfungskette mit dem Fokus auf den Konsumenten.
ECR Schweiz fördert die Umsetzung der ECR Modelle und der einheitlichen Anwendung von Standards, effektiver und effizienter Geschäftsprozesse und bietet seinen rund 120 Mitgliedern Know-how und Netzwerk durch Koordination von Arbeits- und Erfahrungsgruppen, die Vermittlung von erprobten Praxismodellen in Arbeitsforen und Schulung. ECR hat Schwesterorganisationen in allen industrialisierten Ländern und pflegt eine intensive Kooperation mit ECR Europe, ECR Deutschland und Österreich und auf nationaler Ebene mit EAN Schweiz, der SGL sowie weiteren Organisationen.
Am 9. und 10. September 2004 findet in Berlin der 5. ECR-Tag der drei Länderorganisationen Schweiz, Deutschland und Österreich statt. In Berlin wird die Richtung bestimmt, in die ECR zukünftig gehen wird und werden die Strategien für den gemeinsamen Erfolg der Branche festgelegt. Die ECR-Jahreskonferenz gilt als die bedeutendste Veranstaltung der Konsumgüterbranche im deutschsprachigen Raum. An der Tagung wird zudem der «ECR Best Practice Award 2004» verliehen.
Beispiel
Unterhaltungselektronik: Auf Kooperation angewiesen
Andreas Frischknecht, Leiter Marketing und Beschaffung, Interdiscount, Jegenstorf.
«ECR hat für unsere Branche der Heimelektronik eine hohe Bedeutung. Die sehr kurzen (und sich zunehmend verkürzenden) Produktezyklen erfordern eine hohe Geschwindigkeit und Effizienz in der Zusammenarbeit zwischen Handel und Herstellern. Exakte Promotionsplanung, optimale Warenverfügbarkeit und tiefe Transaktionskosten sind wichtige Erfolgsfaktoren in unserer Branche. Wir verfügen mit 180 Verkaufsstellen über die mit Abstand höchste Distributionsdichte in unserer Branche und sind damit auf eine rasche, standardisierte und effiziente Zusammenarbeit angewiesen. Interdiscount hat gemeinsam mit wichtigten Partnern die Prozesse kontinuierlich verbessert und einen elektronischen Datenaustausch etabliert.
Wir erwarten eine hohe Kooperationsbereitschaft unserer Partner, damit der eingeschlagene Weg konsequent weitergeführt werden kann. Wir werden unsere strategischen Partner weiter und vertieft in die Prozesse einbinden. Die IT-seitigen Grundlagen unsererseits werden dazu weiter verfeinert und optimiert.»
Beispiel
Spielwarenindustrie
Der Schlüssel zum Erfolg
Dirk Engehausen,
General Manager von Lego Central Europe, München.
«ECR ist für die Spielwarenindustrie ein sehr wichtiges Tool, um besonders die Saisonlastigkeit besser in den Griff zu bekommen. Bei einem Abverkaufsanteil von 60% in den Monaten November und Dezember ist das offene Zusammenspiel zwischen Handel und Industrie ausgesprochen wichtig. Dazu gehört auch eine gemeinsame Planung mit dem offenen Austausch von allen relevanten Daten der Wertschöpfungskette.
Deshalb ist für mich eine gemeinsame Planung der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Eine Voraussetzung dafür sind alle Tools, die man auch unter dem Schlagwort «CPFR» (collaborative planning, forecasting and replenishment) kennt. Dabei sehen wir die Zukunft eher im Bereich der vertikalen Kooperation, da die speziellen Markt- und Konsumentenbedürfnisse der Spielwaren eine andere sind als die eher saisonunabhängigerer Segmente. Erwartungen können dann erfüllt werden, wenn der Handel originäre Daten wie Abverkaufszahlen nicht mehr als Besitzstand betrachtet, die es geheim zu halten gilt, sondern darin ein Tool zum Erfolg erkennt. Die Industrie wiederum muss bei ihrem Personal die Fertigkeiten und Voraussetzungen schaffen, um die Möglichkeiten dieser offenen Zusammenarbeit zu erkennen. Kurzfristig wird dies für den Einzelnen eher einen Rückgang der erzielbaren Verkaufsergebnisse bedeuten mittel- und langfristig hingegen wird der Handel durch höhere Umschlagszahlen und ein niedrigeres Lager und die Industrie durch bessere Abverkaufsergebnisse belohnt werden.»