Die irische Billigairline Ryanair tauscht in einer der schwierigsten Phasen ihrer Unternehmensgeschichte den Chef aus. Der langjährige Konzernchef Michael O’Leary hatte zwar schon im Frühjahr angekündigt, die Airline-Gruppe in mehrere Teile zu spalten, mit einer Holding als Dachgesellschaft, an deren Spitze er mindestens bis 2024 stehen will.

Nun wurde festgelegt, dass ausgerechnet der bei Gewerkschaften als harter Verhandler bekannte Personalvorstand Eddie Wilson mit dem Spitznamen «The Terminator» neuer Chef von Ryanair DAC wird. Es ist die mit Abstand wichtigste Säule der Gesamtgruppe.

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Hass auf die «bärtigen Sandalenträger»

In einem der «Welt» vorliegenden Schreiben heisst es, dass Wilson seit dem 1. September die Aufgaben von O’Leary schrittweise in den nächsten drei Monaten übernimmt. Der 55-Jährige muss dann wöchentlich an den 58-jährigen O’Leary als Holding-Chef berichten, wie die Geschäfte laufen. Das gilt ebenso für die Chefs der anderen Airlines der Gruppe: die 2018 zugekaufte Billigfluglinie Laudamotion mit Sitz in Österreich, die im Juni 2019 neu erworbene Malta Air sowie die polnische Rynair Sun, die künftig unter der Bezeichnung Buzz fliegt.

O’Leary und Wilson sind alte Weggefährten. Sie kennen sich seit über zwei Jahrzehnten. Über Jahre verband sie die gemeinsame strikte Ablehnung von Gewerkschaften bei Ryanair. O’Leary schimpfte über die «bärtigen Sandalenträger», und Wilson war nicht weniger zimperlich und setzte die Strategie um.

Doch Ende 2017 musste Ryanair seine Antigewerkschaftsstrategie dann doch ändern. Kurz vor Weihnachten 2017 drohten europaweite Pilotenstreiks über unsoziale Arbeitsbedingungen die Airline lahmzulegen. Die Ryanair-Führung knickte ein und gab ihre absolute Blockadehaltung auf.

Noch immer gibt es aber keinen Frieden mit allen Gewerkschaften in den von Ryanair angeflogenen Ländern. Erst jüngst scheiterten Gespräche mit polnischen Gewerkschaften. Auch in Spanien gab es kürzlich wieder Streiks des Kabinenpersonals. Bei der europäischen Gewerkschaftsdachorganisation (ECA) der Branche wurde jüngst kritisiert, dass Ryanair wieder auf einen Konfrontationskurs eingeschwenkt sei.

Kampf gegen Lufthansa

Für die in früheren Jahren erfolgsverwöhnte, irische Billigflugairline gibt es aktuell ungewöhnlich viele Herausforderungen. Die steigenden Personalkosten durch neue Verträge mit Piloten und Kabinenbesatzungen sorgten zuletzt für einen Ertragseinbruch.

Das Geschäftsmodell aus extremen Billigtickets und niedrigen Personalkosten kommt damit ins Wanken. Gleichzeitig fachte Ryanair einen Preiskrieg in Europa und insbesondere Deutschland an.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr machte jüngst deutlich, dass sein Konzern, zu dem auch die Billigtochter Eurowings gehört, seine Märkte verteidigen werde, selbst wenn das zunächst weitere Verluste bei der Billigmarke Eurowings bedeute. Spohr pokert damit, dass Ryanair aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund des Drucks durch seine Aktionäre den laufenden Preiskrieg längerfristig nicht durchhalten wird.

30 Flugzeuge weniger wegen Boeing-Auslieferstopp

Der Ertragsrückgang ist nicht die einzige Baustelle der irischen Airline unter der neuen Führung. O’Leary schreibt selbst im Ankündigungsschreiben zur Berufung seines Nachfolgers Wilson an die Spitze der Airline von bevorstehenden schwierigen Zeiten. Er verweist auf den Brexit Ende Oktober sowie die Verzögerungen bei der Auslieferung der Boeing-737-Max-Flugzeuge, die nach zwei Abstürzen nach wie vor mit einem Flugverbot belegt sind.

Zudem plant Ryanair zur Kostensenkung, Stützpunkte zu schliessen, und muss seine Routen und Kapazitäten umplanen, weil im Winter durch den 737-Max-Auslieferstopp mindestens 30 Flugzeuge weniger als geplant zur Verfügung stehen.

Boeing gegen Airbus: Die Karten werden neu gemischt

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Der neue Ryanair-Chef Wilson spricht von 500 Piloten, die die Airline wegen der Boeing-Lieferprobleme in diesem Winter zu viel habe. Zugleich kritisierte er Forderungen polnischer Piloten nach einer Verdoppelung des aktuellen Jahresgehaltes von angeblich gut 172'000 Euro. Ryanair-Piloten würden bereits 20 Prozent besser als 737-Piloten bei den Billigairlines Norwegian oder Jet2 bezahlt, argumentiert er.

Moderne Flotte

Ryanair-Oberchef O’Leary hält es für möglich, dass im nächsten Sommer noch mehr als 30 737-Max-Flugzeuge fehlen, die eigentlich zum Wachstum beitragen sollten. In der neuen Holding-Struktur sieht er den Vorteil, bei weiteren Airlines einzusteigen.

Mehrfach hatte O’Leary eine weitere Konsolidierung der Airline-Branche vorhergesagt. Zuletzt zählte die Ryanair-Gruppe über 153 Millionen Passagiere (2018) und täglich 2400 Flüge vor allem mit Boeing-737-Modellen. Mit einem Durchschnittsalter von nur sechs Jahren ist es eine der modernsten Flotten in Europa.

Dieser Artikel erschien zuerst in der «Welt» unter dem Titel: «O’Leary geht – Der gefürchtete «Terminator» wird neuer Ryanair-Chef».