Liebe Leserin, lieber Leser
Das Stänkern wollen wir gerne den anderen überlassen. Und darum halten wir freudig zwei gute Nachrichten fest. Die erste: 2005 war ein supergutes Uhrenjahr. Die zweite: 2006 wird ebenfalls nicht schlecht.
Das ist ein Grund zum Feiern. Aber auch ein bisschen, um nachzudenken. Denn der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Er hat mit Firmen und Menschen zu tun, die mutig, klug und hartnäckig waren. Und immer auch neue Ideen hatten.
Beispiel Jaeger-LeCoultre: Die vom 37-jährigen Jérôme Lambert geführte Marke liess nicht nur ihr Kultmodell Reverso renovieren, die Manufaktur lanciert auch nonstop modernste Uhrwerk-Konstruktionen. Mit der Amvox2 zum Beispiel eine Uhr mit nie da gewesener Komplikation: Der Chronograph ersetzt die klassischen Drücker durch einen ausgeklügelten Mechanismus: Ein leichter Druck aufs Glas löst die Stoppuhr aus. Und zwar mechanisch.
Beispiel Parmigiani: Die Marke des ehemaligen Restaurators Michel Parmigiani setzt punkto Fertigungstiefe und Qualität neue Massstäbe. Zusätzlich ist sie der Beweis dafür, dass man heute noch eine neue Marke etablieren kann, wenn man eine klare Botschaft hat und beharrlich einen Weg mit langfristigen Zielen verfolgt.
Beispiel Hublot: Marketing-Talent Jean-Claude Biver setzt auf einen bisher nie da gewesenen Hightech-Materialmix und macht damit eine fast vergessene Marke zum aufgeregt diskutierten Thema des Jahres. Mit angenehmen Nebenwirkungen: Der Umsatz der Firma hat sich innert Jahresfrist mehr als verdoppelt.
Beispiel Omega: Die Traditionsmarke meldet sich mit technischen Leckerbissen fulminant zurück. Der Swatch-Konzern von Nicolas G. Hayek hat eben das beste Ergebnis seiner Geschichte präsentiert – nicht zuletzt dank Omega.
Gut, dass es in der Branche Macher gibt, die neue Wege beschreiten. Denn vieles spricht dafür, dass das Jahr 2006 das Jahr des Après-Tourbillon werden könnte. Und neue Ideen so dringend sind wie schon lange nicht mehr.
Kein Teil der Uhr hat die letzten Jahre der Haute Horlogerie so sehr geprägt wie das vor rund 200 Jahren erfundene Tourbillon. Es setzt die Unruh der Uhr in ein rundes Gestell, das dank ständiger Drehung den Einfluss der Erdanziehungskraft ausgleicht. Das Teil ist höchst anspruchsvoll zu bauen und wunderschön anzusehen. Aber die modernen Materialien einer Armbanduhr sind heute sowieso unempfindlich gegenüber der Erdanziehungskraft – das Tourbillon macht die Uhr mithin zwar luxuriöser, besser macht es sie aber nicht, genauer schon gar nicht.
Das Tourbillon steht symbolisch für den Erfolg der Schweizer Luxus-uhrenindustrie und ist zur Verkörperung der Haute Horlogerie geworden. Reihenweise präsentierten die Manufakturen in den letzten Jahren ihre Stücke mit dem zauberhaften Teil. Das war zwar richtig, weil der Markt es genau so wollte. Aber es wurde langsam ein bisschen langweilig.
Die Schweizer Uhrenindustrie hat sich im letzten Jahrzehnt im Luxusmarkt bestens etabliert und gezeigt, was sie drauf hat. Schon in den achtziger Jahren war ihr als Antwort auf die Quarzkrise mit der Swatch ein genialer Wurf gelungen.
Jetzt warten wir auf den nächsten.