Optimisten erhoffen sich den Startpunkt eines furiosen Aufschwungs (wie 2003), Pessimisten fürchten ein Konsolidierungsjahr vor einem weiteren Absturz (wie 1931), Realisten sehen einen stetigen verhaltenen Aufwärtstrend (wie 1992). Aus Unternehmenssicht ist das Fazit des Jahres 2009 jedoch schnell gezogen: Es ging ums nackte Überleben. Was zählte, war kurzfristiges Krisenmanagement. Wer Visionen hatte, wurde in diesem Jahr endgültig zum Arzt geschickt.
Damit löst eine Welle der Kurzfrist-Strategien die andere ab. Denn es war das Kurzfrist-Denken, das schon in die Krise geführt hatte. «IBG-YBG» lautete die Devise, die sich in den Boomjahren von den Banken in die Industriewelt gefressen hatte: «I’ll be gone – you’ll be gone.» Neue Produkte wurden lanciert, Firmen übernommen, und die Initianten strichen die Prämie sofort ein – ohne sich darum zu scheren, ob das Geschäft sinnvoll, geschweige denn verantwortlich war.
Dass langfristiges Denken die bessere Strategie ist, belegen zwei Beispiele in dieser Ausgabe. Der abtretende Zurich-Chef James Schiro widersetzte sich erfolgreich kurzfristigen Strategieschwenks: «Man kann die Firma nicht nach den letzten Analystenberichten, Zeitungsartikeln oder Investorenreaktionen führen. Man muss bei seiner Strategie bleiben», betont er in seinem Abschiedsinterview. Und mit Nestlé-Präsident Peter Brabeck wurde wiederum ein Mann zum mächtigsten Wirtschaftsführer gekürt, der wir kein anderer für Langfristigkeit steht .
Woran lassen sich langfristig orientierte Firmen erkennen? Sie zahlen erst Boni, wenn sich Leistung als nachhaltig erwiesen hat. Sie pflegen eine offene und respektvolle Kommunikation mit ihren Aktionären. Sie tun Gutes und zeigen so ihren Kunden, dass sie an einer stabileren Wirtschaftswelt interessiert sind. Sie investieren stark in Innovation. Sie verlagern ihre Aktivitäten noch mehr in Wachstumsregionen wie China und versetzen auch ihre Führungskräfte dahin.
Die Devise für 2010 lautet: Das Langfrist-Denken muss eine Renaissance erleben.