Es ist ganz schleichend passiert, es fiel uns gar nicht auf – und doch hat ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Einstellung von jungen Leuten, die von der Uni ins Berufsleben einsteigen, hat sich entscheidend verändert: Waren früher vor allem tolle Saläre und die Chancen auf eine schnelle Karriere gefragt, stehen heute Werte wie Lebensqualität, Sicherheit und solide Zukunftschancen im Vordergrund.
Sonntagspredigt? Ganz im Gegenteil, über einen ganz realen Trend berichtet ab Seite 14 mein Kollege Oliver Klaffke. Der Befund stammt keineswegs von einem selbst ernannte Experten mit Instant-Analysen von fraglicher Halbwertszeit, vielmehr basiert er auf einer hochseriösen Studie der schwedischen Firma Universum Communications, bei der 1200 Studenten von 20 Universitäten befragt werden. In der Schweiz wurde sie erstmals 1997 durchgeführt, das macht die seither konstant wiederholte Untersuchung mittlerweile zu einem spannenden Gradmesser für die Befindlichkeit der Studenten.
Interessant ist zum Beispiel, dass die Bundesverwaltung in der Liste der beliebtesten Arbeitgeber plötzlich auf Rang 10 erscheint. Im Vorjahr war die Verwaltung noch auf Rang 16 und in den guten Jahren nicht existent. McKinsey, als Gegenbeispiel, war im Jahr 2001 für die Wirtschaftsstudenten noch auf dem stolzen Rang 8, rutschte dann auf Platz 14 und ist heute auf Position 25.
«Wir sehen, dass vermehrt auf sichere Werte gesetzt wird», kommentiert Roger Manfredsson, Country Manager Switzerland, der bei Universum die Ergebnisse der Studie ausgewertet hat.
Wer nun meint, die Konjunktur müsse sich nur ein bisschen ändern und dann sei alles wieder wie gehabt, könnte sich granatig irren. Geld, auch das zeigt die Studie, spielt bei den heutigen Uni-Abgängern eine weniger wichtige Rolle als hohe Lebensqualität und intakte Zukunftschancen.
Vielleicht hat das damit zu tun, dass nun die Generation aus den Unis kommt, deren Eltern gesellschaftspolitisch neue Lebensformen durchgesetzt haben. Dass beide Elternteile arbeiten, ist heute selbstverständlich, da wird es zum Beispiel von der modernen Familie immer weniger toleriert, dass der Vater am Morgen vor allen anderen ins Büro düst und erst nach Hause kommt, wenn alle bereits schlafen.
Auffallend in diesem Zusammenhang: Der Anteil der Uni-Absolventen, die flexible Arbeitszeiten wollen, hat sich seit der ersten Universum-Befragung verdoppelt.
Die Lust auf eine Karriere wird aber von einer zweiten gesellschaftlichen Entwicklung brutal ausgebremst: Es gibt ganz einfach immer weniger Möglichkeiten, Karriere zu machen. Flache Hierarchien sind angesagt, es fehlen die Pöstchen und Posten, um eifrige Karrieristen zu versorgen (Seite 42). Vor allem Stellen im mittleren Management verschwinden, in den USA zum Beispiel wurden doppelt so viele Managementpositionen abgeschafft wie neue geschaffen.
Ausweglos ist die Lage für Karrierewillige deswegen natürlich nicht. Ab Seite 44 präsentiert die BILANZ sechs Menschen zwischen 35 und 55, die sich selbst zu helfen wussten: Sie machten sich einfach selbstständig.
Unter ihnen ist Andreas Meirich, der mit 40 auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand. «Tschüss, das wars», sagte er dann, «ich gehe.» Seine Bilanz nach einem Jahr Selbstständigkeit ist durchwegs positiv: «Ich vertue viel weniger Zeit mit unnötigem oder nervendem Kram im Management oder bei überflüssigen Meetings.»
Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?