Entweder lassen sich durch das Zusammengehen Doppelspurigkeiten beseitigen. Die Chefs schwärmen dann von den sogenannten Kostensynergien. So war es, als sich Bankverein und Bankgesellschaft oder Sandoz und Ciba zusammenschlossen. Oder sie eröffnen sich neue Geschäftsfelder und preisen dann die enormen Wachstumssynergien. So war es, als Roche den Diagnosekonzern Boehringer oder Novartis jüngst den Augenspezialisten Alcon übernahm.
Und dann gibt es da die Swiss Life. Sie kauft eine Firma, mit der sie in direkter Konkurrenz steht − und garantiert ihr sogar vertraglich die Unabhängigkeit. 1,9 Milliarden Franken zahlt der Lebensversicherer für einen 86-Prozent-Anteil am deutschen Finanzberater AWD. «Alle Beziehungen werden wie mit unverbundenen Dritten geregelt», sagt ein selbstbewusster AWD-Chef Carsten Maschmeyer im BILANZ-Interview (Seite 102). Auf die Berichtswege innerhalb von AWD hat Swiss Life keinen Zugriff, eine strategische Neuausrichtung ist ausdrücklich verboten, und Maschmeyer betont sogar, dass es keinen Kundenschutz gebe: AWD und Swiss Life können dieselben Personen umwerben. Kostensenkungen sind so kaum möglich, und wenn es Wachstum gibt, profitiert davon vor allem der weiterhin unabhängige AWD. Kein Wunder, dass Swiss Life die Logik dieses Deals für sich hat: Assekuranz-Grössen wie Allianz oder Axa, die auch Interesse an AWD hatten, wollten den Finanzberater nur übernehmen, wenn sie ihn auch hätten integrieren können.
Dafür hat Swiss Life gut bezahlt: Schon der Aufschlag zum Kurs im Dezember betrug 50 Prozent, nach fünf weiteren Monaten Finanzkrise wäre der unter Ertragsrückgang leidende Finanzberater heute deutlich billiger zu haben gewesen. Noch ist unklar, wie sich dieses Geschäft für die Swiss-Life-Aktionäre rechnen soll.
Eine Übernahme nicht zu integrieren, käme für den derzeit wohl bekanntesten Banker der Welt nicht in Frage: Jamie Dimon, Chef der amerikanischen Grossbank JP Morgan Chase, übernahm trotz Finanzkrise das kollabierende Wall-Street-Haus Bear Stearns und bewahrte damit das Finanzsystem Mitte März vor dem Absturz. Seine Bank hat die Krise bisher besser überstanden als die meisten Konkurrenten, und das hat sie auch ihrem akribischen Chef zu verdanken: «Ich halte es für essenziell, als Konzernchef tief involviert zu sein. Alle Spartenverantwortlichen müssen mir mindestens einmal im Monat Rede und Antwort stehen und alles genau erklären können. Ich gebe mich nicht mit ein paar Charts zufrieden», betont Dimon (Seite 82). Diese Risikokontrolle an der Spitze war nicht nur bei der UBS Mangelware, aber eben dort besonders.
Mehr Einsicht bedeutet jedoch nicht gleich mehr Zuversicht. Dass Börsianer derzeit das Schlimmste schon hinter sich wähnen, hält Dimon für gefährlich: «Wir sind mit der Krise noch lange nicht durch. Wir können nur mutmassen, wie tief und lang die Rezession in den Vereinigten Staaten wird.»
Dirk Schütz, Chefredaktor BILANZ