Liebe Leserin, lieber Leser

Seit dem 18. Jahrhundert ist der Begriff des «Managers» aktenkundig, und mit Beginn des kapitalistischen Wirtschaftens im altmesopotamischen 3. Jahrtausend vor Christus ist klar, welche Funktion dieser zu erfüllen hat: Aufgabe des Managers ist es, ihm anvertrautes Gut über die Zeit zu bewirtschaften und darüber Rechenschaft abzulegen. Und er ist für korrekte Rechnungslegung verantwortlich. In den ältesten Tontafelpiktogrammen und noch vor der Entstehung der Schrift, schreibt der deutsche Publizist Paul C. Martin, werde der Manager als «Aufseher» bezeichnet.

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Was aber, wenn das anvertraute Gut verspekuliert wird, wie im Falle der Swissair? Was, wenn die Rechnungslegung durch millionenschwere Pensionskassenzahlungen an Topmanager belastet wird, so geschehen vor Jahren beim ehemaligen ABB-Boss Percy Barnevik? Was, wenn die «Aufseher» selber korrupt werden, wie das aktuell beim deutschen Siemens-Konzern der Fall zu sein scheint? Dann droht ein ganzes System aus dem Lot zu geraten; eine Entwicklung, die derzeit nicht nur in der Schweiz zu beobachten ist. Stefan Baron, Chefredaktor der «WirtschaftsWoche», konstatiert eine «tief greifende Entfremdung» zwischen Bevölkerung und den wirtschaftlichen Eliten Deutschlands. Mehr noch: Der Berufsstand des Managers ist in Misskredit geraten wie wohl noch nie, seit die Industrialisierung die arbeitsteilige Wirtschaftsordnung hervorgebracht hat und das Managen von Produktionsprozessen zur Notwendigkeit werden liess. Die Betroffenen selber haben der Öffentlichkeit durch hohe, öffentlich kaum vermittelbare Gehälter und Missmanagement ein gerüttelt Mass an Argumenten für diese kollektive Ablehnung auf dem Silbertablett präsentiert. Dennoch greift eine einseitige Schuldzuweisung an diesen Berufsstand, wie dies derzeit en vogue ist, reichlich kurz.
Es war der vor Jahresfrist verstorbene amerikanische Managementvordenker Peter F. Drucker, der die von ihm begründete wissenschaftliche Disziplin des Managements zur Geisteswissenschaft erklärte, artverwandter der Geschichtswissenschaft oder der Soziologie denn der Ökonomie oder irgendeiner Naturwissenschaft. Management in diesem druckerschen Geiste habe sich nicht in erster Linie mit Prozess- oder Finanztechniken zu beschäftigen, sondern mit existenziellen Fragen, die sich «auch mit dem ‹Woher› und dem ‹Wohin› moderner Gesellschaften» auseinandersetzen, wie der St. Galler Soziologieprofessor Peter Gross meint. Stattdessen mühen sich zahlreiche Unternehmenslenker mit kurzfristiger Kurspolitur ab, greifen zum Skalpell und amputieren ihre Belegschaften, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Und oft genug sind sie als Teil einer global einsetzbaren Söldnertruppe schneller verschwunden, als sie aufgetaucht sind. Söldner verdingen sich dort, wo der Sold am höchsten ist, und meist hinterlassen sie nach getaner Arbeit nichts weiter als verbrannte Erde.

Solche Manager offenbaren nur eins: Überforderung angesichts einer Globalisierung, in der es keine gesicherten Wahrheiten und klaren Übersichtlichkeiten mehr gibt. Ein Unternehmenslenker, der seine Firma und das eigene Wirken in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen vermag, sieht möglicherweise auch keine eindeutigen Sicherheiten für die Zweckmässigkeit seines Tuns. Er verfügt jedoch über eine Eigenschaft, die jede Krise meistern hilft: Glaubwürdigkeit.