Liebe Leserinnen und Leser

Die Wette gilt, und es geht dabei um sieben Minuten. So lange, das ist meine Prognose, wird es dauern, bis jemand die Stirn runzelt und mit bedeutungsschwangerem Ton erklärt: «Der wahre Luxus ist doch die Zeit.»

Sie können es gerne ausprobieren. Bringen Sie in einer kleinen Runde, vielleicht schon morgen Abend an der Bar, das Gespräch aufs Thema Luxus. Höchstens sieben Minuten später wird jemand den Satz mit der Zeit als der einzig wahren Form des Luxus vortragen.

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Das ist, mit Verlaub, natürlich etwas simpel. Und es ist überdies Mumpitz. Nach wie vor gibt es auf diesem Planeten viel mehr Menschen, die unendlich viel Zeit haben, als Leute, die sich im Fond eines Rolls-Royce durch die City chauffieren lassen können.

Natürlich ist es falsch, Luxus auf das rein Materielle zu beschränken. Und gewiss wünscht sich, wer nur noch durch das Leben stresst, gerne mal etwas mehr Zeit. Doch Luxus, so meinen wir, ist sehr viel mehr.

Mein Kollege Ignaz Miller stellt den Begriff in den historischen Kontext und beschreibt in seinem Artikel zum Thema «Essay: Fawaz de Grisogono», wie Luxus in noch nicht allzu ferner Vergangenheit mitunter als ärgerliche Qual empfunden wurde. Birgitta Willmann nähert sich auf eine andere Art dem Thema an: Sie erklärt, woran man den wahren Luxus eines schön geschneiderten Anzugs erkennt (siehe Artikel zum Thema «Seite 100»). Über den letzten Luxussport nach dem inzwischen banalisierten Golf und Tennis berichtet Barbara Köhler: Sie hat sich im Milieu umgeschaut, welches das Polo-Spiel zelebriert – luxuriöser schwitzen kann man nicht (siehe Artikel zum Thema «Seite 36»). Auf Birkhahnjagd schliesslich war der Gastrojournalist Paul Imhof (siehe Artikel zum Thema «Seite 98»). Er erklärt, warum das Tier auf dem Teller für ihn höchsten Luxus bedeutet.

Das sind vier Facetten des Themas Luxus – die Frage beantworten sie natürlich noch nicht: Was genau ist Luxus?

Luxus, so viel ist unbestritten, hat erstens fast immer mit edlem Handwerk zu tun. Luxus geht zweitens ausnahmslos von auserlesenen Grundmaterialien aus. Und Luxus hat drittens stets mit Innovation zu tun. Als der Franzose Louis Vuitton vor 150 Jahren sein Geschäft eröffnete, war ihm der Erfolg gewiss: Er hatte früh bemerkt, dass die bisher üblichen Koffer für das Reisen in Schiffen oder per Eisenbahn ziemlich ungeeignet waren, und ganz neue Kofferformen erfunden (siehe Artikel zum Thema «Seite 68»).

In dieser Luxus-BILANZ stellen wir zehn Schweizer Luxusprodukte vor. «Luxus made in Switzerland» ist das Titelthema, und ab Seite 76 finden Sie dazu zehn wunderschöne Interpretationen, vom edlen Cheminée über schöne Brillen bis zu den besten Stoffen der Welt.

Dazu gibt es eine gute Nachricht: Luxus ist, ganz pragmatisch betrachtet, eine gigantische Chance für die Schweiz. Unlängst präsentierte sich der Luxuskonzern Richemont (Cartier, IWC, Piaget u.a.) in China mit der Ausstellung «Watches & Wonders» im Tai-Miao-Tempel in der Verbotenen Stadt einem staunenden Pekinger Publikum – und vor allem einem rasant wachsenden Markt (siehe Artikel zum Thema «Seite 10»).

In China gibt es heute mehr Millionäre als in der Schweiz, und täglich werden es mehr. Sie sind konsumfreudiger als bei uns, und sie sind wild auf europäische Markenprodukte, vor allem auf Luxus aus der Schweiz.

Dass Zeit der einzig wahre Luxus sein könnte, auf diesen Gedanken kommt in China noch niemand.