Liebe Leserin, lieber Leser
Wenn die Gier am grössten ist, muss mitunter alles ganz schnell gehen. Ende August war es, als der britische Hedge Fund Laxey, Grossaktionär beim Arboner Textilmaschinenkonzern Saurer, die Palastrevolution ausrief und ankündigte, an einer ausserordentlichen GV vier ihm genehme Vertreter in den VR wählen zu wollen. Ziel der Operation: die Macht im Konzern zu übernehmen, um den Aktienkurs dergestalt polieren zu können, dass ein lukrativer Ausstieg nach kurzem Investment möglich erscheint. Als Garanten für die vordergründige Ernsthaftigkeit ihrer Absichten portierten die Engländer als neue Verwaltungsräte unter anderen den Mergers-and-Acquisitions-Spezialisten Urs Schenker von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie –Schenker hatte kurz vor dem Grounding der Swissair die Grundlagen für das «Phoenix-Projekt» entwickelt, das später in die Gründung der Swiss mündete. Und Hans Ziegler, landesweit bekannt als Erb-Liquidator – «prominenter Name und fast eine Art Label auf der Liste», urteilt die «NZZ». Doch Ernsthaftigkeit ist bei diesen Briten ein flüchtiges Gut. Am Dienstagabend, 5. September, wandert das 24-Prozent-Paket von Laxey an Saurer ins Unaxis-Portefeuille von Georg Stumpf und Ronny Pecik.
Schenker und Ziegler müssen sich düpiert vorkommen. Die beiden Schweizer Galionsfiguren sind missbrauchte Pappkameraden im Pokerspiel der Briten. Gut genug, um wohl unwissentlich mitzuhelfen, den Aktienkurs kurzfristig nach oben zu treiben. Und nun, nach vollzogenem Verkauf, hat der Mohr seine Schuldigkeit getan und darf gehen.
Die Frage ist: Hätten Schenker, Ziegler & Co. die «hidden agenda» der Briten durchschauen können, ja müssen? Die kurze Historie des Laxey-Investments bei Saurer hätte Warnung genug sein müssen. Im Jahre 2005 baute der britische Hedge Fund eine erste Position bei Saurer auf und entwickelte sich rasch zum grössten Einzelaktionär. Und wollte von Anfang an wohl nur eines: zusammen mit Gleichgesinnten die Kontrollmehrheit über den Textilmaschinenhersteller zu erlangen, um diesen dann einem interessierten Investor mit sattem Paketzuschlag verhökern zu können. Wer so agiert, besitzt keine unternehmerische Vision, keine Verve für das Geschäft, keinen Sinn für gewachsene Firmenstrukturen und zukunftsorientierte Strategien. Zwar faselten Laxey-Vertreter immer wieder von neuen strategischen Vorstellungen für Saurer, meinten damit aber vor allem eines: den Konzern so umzubauen, dass für diesen in Teilen oder als Ganzes mehr zu lösen wäre. Die Heuschrecke zeigte hier ihr hässliches Gesicht. Das hätten Schenker, Ziegler & Co. erkennen müssen.
Es ist noch gar nicht so lange her, als Ende der achtziger Jahre der damalige Saurer-Grossaktionär Tito Tettamanti strategische Vorstellungen verfolgte und die Vision einer europäischen Textilmaschinenholding, bestehend aus Saurer und Rieter, entwickelte. «Eine gewaltige Schlammschlacht in der Presse», urteilte einst das Magazin des «Tages-Anzeigers», sei die Folge gewesen, und der «Firmen-Raider Tettamanti» habe «keine Chance» gehabt. Niemand weiss, ob Tettamantis Vorstellungen am Markt hätten bestehen können, aber immerhin ging es um eine unternehmerische Vision. Damals stempelte eine mediale Kampagne Tettamanti zum Raider. Heute können geldgierige Finanzinvestoren Firmen wie Saurer verscherbeln, und kaum einer regt sich auf. Das sollte zu denken geben.