Liebe Leserinnen und Leser
Ich stehe vor einem Rätsel», gesteht der Chefökonom der Deutschen Bank gegenüber der «Zeit». Dabei ist längst eingetroffen, was er und viele andere seines Fachs nicht haben kommen sehen: Die japanische Wirtschaft wächst wieder. Und wie! Nach gut zehn Jahren der Stagnation dürfte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt in diesem Jahr mit deutlich über zwei Prozent vorankommen.
Japans Staat und Notenbank hatten in den deflationären Krisenjahren alles Mögliche versucht, um die Wirtschaft anzukurbeln – ohne Erfolg. Ausser dem Wachstum des Schuldenbergs haben die staatlichen Programme wenig gebracht. Erst jetzt ist durch die privaten Investitionen die Wende zum Besseren gekommen.
Im Gegensatz zur Regierung
haben Japans Manager und Unternehmer ihre überfälligen Hausaufgaben gemacht und ihre Konzerne wieder auf Vordermann gebracht. Viele sind inzwischen den Vorbildern Toyota und Sony gefolgt: weg von den Massenprodukten und dem Kampf um Marktanteile, hin zu höchster Qualität und Wertschöpfung. Selbst der Autohersteller Nissan, der auf den Weltmärkten hoffnungslos abgeschlagen schien, hat die Kurve wieder gekriegt.
Was bedeutet die Auferstehung Japans für uns? Zunächst einmal wertvolle Impulse für die Weltwirtschaft. Und was zeigt uns der japanische Weg? Die Wirtschaft gesundet in aller Regel am wirksamsten durch sich selbst. Alle paar Wochen wechselnde Managementmoden sind dabei nicht sonderlich hilfreich. Stures Kostensenken ebenfalls nicht. Zuerst sollte man sich in den Chefetagen von der Vergangenheit lösen, die meistens nostalgisch verklärt wahrgenommen wird. Die Zukunft ist immer anders, das ist eine ihrer lästigen Eigenschaften. Also: Die Anker lichten, um dem Schiff freie Fahrt zu ermöglichen! Das empfiehlt die «Harvard Business Review».
Dann kommen die altmodischen Tugenden zum Zug, denen die Unternehmensführer folgen sollten, um bleibende Erfolge zu erzielen. Egal, welche Managementtechnik man auch wählt, entscheidend ist die konsequente Umsetzung. Die Unternehmensstrukturen müssen flexibel genug sein, um auf Einflüsse von aussen reagieren zu können. Die Unternehmenskultur muss so beschaffen sein, dass automatisch die höchsten Ziele angestrebt werden. Und die Unternehmensstrategie muss klar und fokussiert sein, sonst ist alles sinnlos.
Nach diesen Rezepten ist die amerikanische Wirtschaft schon länger in Fahrt. Die japanische Wirtschaft hat jetzt wieder Fahrt aufgenommen. Und wann folgt Europa? Auch hier haben es die Unternehmensspitzen selbst in der Hand, den Aufschwung einzuleiten. Auch sie müssen zukunftgerichtet entscheiden und entsprechend investieren. Auf die Sogwirkung der anderen zu warten, kann tödlich sein. In reifen Branchen gerät man mit Zuwarten schnell einmal in eine «end game curve». Und dort wird einem das Handeln abgenommen – von den schnelleren. In einem Endspiel befindet sich zum Beispiel die reife Schweizer Printmedienbranche.