Liebe Leserin, lieber Leser

Mitte Mai standen an dieser Stelle folgende Sätze: «Genauso wenig sieht er ein, dass der eingetretene Reputationsschaden für die Bank mitunter schwerer wiegt als die kommerziellen Erfolge des Hans Vögeli. Darum ist gut, dass er jetzt geht.» Damals ging es darum, dass die Zürcher Kantonalbank (ZKB), kreditgebende Hausbank des Maschinenbaukonzerns Sulzer, über ihre Derivateabteilung an Optionsgeschäften mitgewirkt hatte, welche die Winterthurer Firma zum Übernahmeobjekt werden liessen. BILANZ-Mitarbeiter Lukas Hässig hat weiterrecherchiert. Bei der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) und bei der Kantonalbank kam, als Hässig am Donnerstag der Vorwoche seine Informationen beisammenhatte, das ganze Ausmass der Misere zum Vorschein:

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Vögeli hatte über seinen vormaligen Arbeitgeber privat mit Sulzer-Optionen gehandelt, während er als ZKB-Chef ebendies verbot. Die EBK leitete gegen den Bankenchef ein Gewährsverfahren ein, das als Grund für den abrupten Rücktritt des Bankenchefs gilt (siehe Seite 11: «Vögeli kaufte privat Sulzer-Optionen – und kassierte»).

«Nicht unglaubwürdig» habe ihn dieses private Geschäft als ZKB-Chef gemacht, meinte Vögeli zu Hässig, als dieser ihn mit seiner Recherche konfrontierte, ein letztes Indiz dafür, dass Vögeli als Bankenchef zur Hypothek geworden war. Er ist nicht über illegale Machenschaften gestolpert, sondern über seine Unfähigkeit, Reputationsrisiken adäquat einzuschätzen. Wegen 50 000 Franken Gewinn aus seinem privaten Deal hat er seinen Ruf ramponiert.

Die Causa Vögeli/ZKB weist freilich noch eine weitere, grundsätzlichere Dimension auf. Der Schweizer Finanzplatz, mithin die wertschöpfungsreichste Branche des Landes, ist durch derartige Vorfälle als Gesamtes tangiert. Wenn im Sog boomender Aktien- und Derivatemärkte elementare Kontrollmechanismen innerhalb einzelner Banken nicht mehr greifen, ist dies ein Alarmzeichen und lässt all jene Kräfte erstarken, die dem Finanzplatz ohnehin skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Das sind im Land der Banken nicht wenige, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Wenn selbst dem obersten Führungspersonal das Fingerspitzengefühl dafür abgeht, dass es bei seinem Geschäftsgebaren im Glashaus sitzt, könnte das nun absehbare reinigende Gewitter im Fall ZKB sogar sein Gutes haben. Dann nämlich, wenn es diesen Zusammenhang in den Teppichetagen der Kreditinstitute wieder einmal in Erinnerung riefe.

Die Reputation des Finanzplatzes ist nur so gut wie jene des schwächsten Glieds. Wer sein Geld einer Bank anvertraut, will und soll Gewinne machen. Niemand will aber Kunde einer Bank sein, die wegen laxer interner Kontrollen Schlagzeilen macht. Sondern Vertrauen haben in die Kompetenz seiner Bank auch in dieser Hinsicht. Und Vertrauen, eine banale Erkenntnis, beginnt in der Bankspitze. Das gilt insbesondere für ein kantonal verankertes Institut mit Staatsgarantie, das mit dem Slogan «die nahe Bank» wirbt – wohl noch nie, seit am 15. Februar 1870 der erste ZKB-Bankschalter eröffnet worden war, war die Kluft zwischen Bank und Kunde derart gross wie heute. Wohl noch nie musste sich ein Geldinstitut auf der Suche nach dem kommerziellen Erfolg derart klar entscheiden zwischen lokaler Verwurzelung und globalen Ambitionen. Dass für das entwickelte Ego eines Hans Vögeli der Markt zwischen Flurlingen ZH und Wald ZH nicht den ultimativen Kick darstellt, darf nicht erstaunen. Dass andere, wie die Raiffeisen-Gruppe, diesen lokalen Markt höchst erfolgreich bearbeiten, aber auch nicht.

René Lüchinger, Chefredaktor BILANZ