Karl Schweri hat eine. Wie auch Klaus Jacobs. Oder Hans J. Bär, Pierre Landolt, Paul Sacher und seit kurzem Fritz Gerber. Die Schmidheinys haben gleich eine Handvoll davon. Wer etwas auf sich hält im schweizerischen Geldadel, gründet eine Stiftung, auf dass die Öffentlichkeit, manchmal auch nur die eigene Familie, an seinem Glücke teilhabe.

Seit Mitte dieses Jahrhunderts, begünstigt durch politische Stabilität, wirtschaftliche Prosperität und Börsenaufschwung, schiessen Stiftungen wie Pilze aus dem Boden. Als 1912 das vereinheitlichte Stiftungsrecht in Kraft trat, wurden gerade mal 200 Stiftungen gezählt. Heute sind im Eidgenössischen Handelsregister 23 000 Stiftungen eingetragen. Wobei der Hauptteil auf Personalfürsorge entfällt. Was bleibt, sind immerhin rund 7000 sogenannte klassische Stiftungen, Einrichtungen mit wohltätigem Zweck. Darin schlummern, je nach Quelle, acht bis zehn Milliarden Franken an Stiftungsvermögen. «Im Verhältnis zur Einwohnerschaft zählt die Schweiz weltweit zu den Ländern mit der grössten Stiftungsdichte», meint Bernhard Hahnloser, der sich während den dreizehn Jahren als Leiter der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht viel Wissen im Stiftungswesen angeeignet hat.

In jüngster Zeit ist einiges an neuen Stiftungsvermögen dazugekommen. Als Heinrich Gebert mit seinem Bruder Klaus das Sanitärunternehmen Geberit versilberte, wurden daraus 220 Millionen in die Gebert-Rüf-Stiftung abgezweigt. Zweck derselben: Förderung von Ausbildungs-, Lehr- und Forschungsprojekten. In Stifterlaune zeigten sich auch die Erben des vor 70 Jahren verstorbenen Industriellen Albert Koechlin; sie gründeten mit 500 Millionen Franken eine Stiftung, die das soziale und kulturelle Leben in der Innerschweiz zu fördern hat.

Viel zur Beliebtheit der Stiftungen beigetragen hat das als äusserst liberal geltende Stiftungsrecht. Das Laisser-faire des Staates schlägt sich in einigen wenigen Artikeln im Zivilgesetzbuch nieder. Was anderseits dazu geführt hat, dass sich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Stiftungen in einer gesetzlichen Grauzone bewegt. Beispielsweise Familienstiftungen - obwohl gerade hier der Gesetzgeber vor knapp neunzig Jahren eine restriktive Haltung an den Tag gelegt hatte. Denn Familienstiftungen waren einst oft «nichts anderes als ein Umgehen von Pflichtteilen, indem beim Zweck hauptsächlich männliche Nachfolger berücksichtigt wurden», weiss Felix Gschwend, als Leiter Financial Planning Domestic Switzerland der UBS auch zuständig für Stiftungen schweizerischen Rechts. Seit 1912 dürfen Familienstiftungen nur noch die Kosten für Ausbildung, Hochzeit, Sprung in die Selbständigkeit oder Unterstützung bedürftiger Familienmitglieder bestreiten.

Nur machen Hunderte von Familienstiftungen exakt das, was verboten ist, nämlich Angehörigen Erträge zukommen zu lassen, kaschieren das aber mit dem Mäntelchen der Gemeinnützigkeit. Obwohl ein Bundesgerichtsentscheid von 1967 diesem Treiben ein Ende setzen wollte. Doch während gemeinnützige Stiftungen mit gesamtschweizerischer oder internationaler Tätigkeit der Bundesaufsicht, regional aktive der Kantons- oder Gemeindekontrolle unterstehen, «kennen Familienstiftungen keine Aufsicht», so Susanne Marbet von der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. Zudem gilt: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.

Dennoch muss, wer über eine Stiftung seine Nachfolge regeln oder den Lebensunterhalt seiner Nachkommen sichern will, nicht auf die Familienstiftung verzichten. Das stiftungsfreundliche Ländle kennt den Vorbehalt schweizerischer Rechtspflege nicht. Eine weitere Variante sind Trusts, angesiedelt auf einer der Kanalinseln, beispielsweise Sark, das von einigen Hirten, mehreren hundert Schafen und Tausenden von Trusts bevölkert ist.

Dagegen verbietet es das Schweizer Stiftungsrecht nicht, dass «gemeinnützige Stiftungen auch wirtschaftliche Zwecke verfolgen dürfen», stellt Christoph Degen klar, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für gemeinnützige Stiftungen, AGES. Ein Beispiel dafür ist die Sandoz-Familienstiftung. Die Fondation - hauptsächlicher Stiftungszweck: «Förderung des unternehmerischen Engagements mittels langfristig angelegter Beteiligungen an Unternehmen», daneben die Finanzierung sich selbständig machender Familienmitglieder - ist eine verkappte Holding der schweren Klasse. Im Portefeuille liegen 4,2 Prozent Novartis-Aktien, Börsenwert 7,1 Milliarden Franken, jährliches Dividendeneinkommen 88 Millionen. Dazu gesellen sich die Mehrheit am Lausanner Nobelhotel «Beau-Rivage Palace», die Banque Edouard Constant, der Finanzdienstleister Citco sowie andere Beteiligungen. Mit einem Vermögen von etwa 8,5 Milliarden Franken reiht sich die Sandoz-Fondation in die Gruppe der weltweit zehn reichsten von Unternehmern gegründeten Stiftungen ein (siehe «Mächtig»).

Da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt; so vor sechs Monaten, als die Stiftung für 450 Millionen Franken die Mehrheit an der holländischen Internet-Firma World Online kaufte. Ob nun dieses Investment nicht vom Feinsten war oder die Führungsstruktur einer Auffrischung bedarf: Stiftungspräsident Pierre Landolt, einer der vier Verwalter des Sandoz-Erbes, hat jüngst den Beirat in die Wüste geschickt.

Eine weitere Stiftungs-Spielart, die Unternehmungsstiftung, büsste in den letzten Dekaden an Bedeutung ein. Zwar hat ihr Hauptzweck, die Erhaltung des Besitzstandes an einer Firma, nichts an Aktualität eingebüsst, wie viele Beispiele zeigen (siehe «Kontrolle»). Anderseits ist «die Unternehmungsstiftung ein relativ unbewegliches Instrument», hält Hahnloser fest. Denn bei Firmen, wo eine Stiftung das Sagen hat, lahmen die Reaktionszeiten des Managements auf Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld. Da mussten Unternehmen neben positiven Seiten, beispielsweise dem Schutz vor Übernahmen, plötzlich negative Aspekte zur Kenntnis nehmen: Denn sind die Aktien in eine Stiftung eingebracht, lassen sie sich kaum mehr herauslösen.

Diese Erfahrung mussten die Hirschmann-Brüder machen. Die vom Vater Carl W. Hirschmann gegründete Jet Aviation ist ein Schwergewicht in der Geschäfts- und Privatluftfahrt. 92 Prozent der Aktien hält die Zuger Hirschmann-Stiftung, die restlichen Titel gehören Carl W. junior, der vom Senior einst aus der Firma spediert wurde. Seit langem bekämpfen sich die Hirschmann-Brüder; sowohl der heutige Chairman und CEO Thomas wie auch Carl W. junior versuchen, die Aktien aus der Stiftung herauszulösen. Bislang ohne Erfolg. Cleverer angepackt hat es Kuoni, die jahrzehntelang von der Kuoni-Hugentobler-Stiftung beherrscht wurde - mit 52,6 Prozent der Stimmen, aber nur zehn Prozent des Kapitals. Als dem Management des Reiseriesen das Handlungskorsett zu eng geworden war, wurde flugs eine kräftige Kapitalerhöhung angesagt. Die Stiftung konnte (und wollte) zwecks mangelnder Finanzen nicht mitmachen, worauf sie die Kontrollmehrheit verlor.

Kaum in Nöte kommen kann die Dätwyler-Stiftung dank einem aussergewöhnlichen Modell. Peter und Max Dätwyler brachten vor Jahren ihre Mehrheitsbeteiligung am Altdorfer Mischkonzern gleichen Namens in die Pema Holding ein. Die Stimmrechte der Holding wiederum wurden in die Dätwyler Führungs AG eingebracht, die Kapitalinteressen dagegen lagern bei der Dätwyler-Stiftung. Keine Querelen wird es auch in der mächtigen Unternehmungsstiftung Wilsdorf geben. Denn diese hält alle Aktien des verschachtelten Rolex-Konzerns, die einen Wert von gut und gerne 14 Milliarden Franken darstellen.

Stiftungen sind nicht nur Begüterten vorbehalten. «Gerade für Erblasser ohne Nachkommen ist das ein gutes Instrument», erläutert Hahnloser. Zumal sich die Kosten im Rahmen halten. Die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung kommt je nach Aufwand «auf etwa 2000 bis 3000 Franken zu stehen», rechnet Felix Gschwend von der UBS vor. Und wer dabei einige wichtige Punkte beachtet, vermeidet allfällige Probleme (siehe «Tipps für Stifter»).

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