Mit einer solch aussergewöhnlichen Aufgabe wartet ein Liquidatorenleben nicht zweimal auf. Entsprechend umtriebig bewegen sich Senior Kurt und Junior Jürg Hoss dieser Tage in den Hallen eines Gewerbebaus im Industriegebiet von Bassersdorf hin und her. Hier wird ein Textilstapel, dort ein Sicherheitsbeamter zurechtgestutzt, das Personal will in seine Funktion eingewiesen und der geordnete Einlass des hunderttausendköpfig erwarteten Publikums organisiert werden.
Das Duo ist inzwischen erprobt in Sachen Fluggesellschaftsausverkauf: Im vergangenen Sommer hat es mit Erfolg die brauchbaren Bestandteile der Balair verscherbelt, nun ab Donnerstag und auf unbestimmte Zeit folgt das Meisterstück, soll das so genannte Inflight-Material der wirtschaftlich abgestürzten Swissair an die Kundschaft gebracht werden. Mengenmässig zu 95%, so die aus der Ferienflieger-Liquidation gezogene Erkenntnis, wird ihnen dies auch gelingen, der mitunter recht happigen Preise (Kaffeekrug für 95 Fr.) zum Trotz.
Denn die Verbundenheit mit der Swissair ist im Volk gross, ihre «Souvenirs» äusserst beliebt und rollende Servicewagen so genannte Trolleys mittlerweile Kultobjekte, die in keiner Zeitgeistbleibe fehlen dürfen. Ausser natürlich in der plasmabildschirmgespiegelten Stube steht bereits ein Expo-Wägelchen aus dem Migros-Pavillon.
Geld für die Gläubiger
300 Artikel im Preissegment von 1.50 (Rotweinschöppeli) bis 970 Fr. (Uhr) gelangen im Bassersdorfer Gewerbegebiet Grindel in den Verkauf, darunter 720 000 Hutschenreuther-Porzellanteller, 360000 Stück versilbertes First-Class-Besteck, 160000 Flaschen Wein und 360000 Nachtsets mit Zahnbürste, Augenbinde und Pflegecreme. Die Lifestylewägelchen übrigens werden mit dem Büromaterial, darunter 400 Computer, erst in einer zweiten Etappe verhökert.
Allen Produkten gemein ist deren erstklassige Qualität sowie die Tatsache, dass sie in der Regel neu, also unbenutzt sind. Eine Information, die gerade für an Airsicknes-Beutelchen interessierte Schnäppchenjäger von Gehalt sein dürfte. Insgesamt, so Peter Schneiter vom Close-Down-Team der Swissair, seien bisher 1800 Palette mit einem Gewicht von 300 t aus aller Welt in die Schweiz zurückgeführt und inventarisiert worden. Weitere Container sind auf dem Weg Richtung Kloten und Bassersdorf. Der Wert der zum Verkauf stehenden Ware beläuft sich gemäss Schneiter auf einen siebenstelligen Betrag, der Erlös daraus fliesst in die Gläubigerkasse.
Um die riesige Menge überhaupt lagern und präsentieren zu können, mussten über 5000 m2 Lauffläche bereitgestellt werden. Ein Kriterium, welches bei der Auswahl des mit dem Ausverkauf betrauten Liquidators prioritär gewesen sei, wie Schneiter ausführt. Deshalb und weil das Familienunternehmen bei der Balair-Liquidation gezeigt habe, wie eine grössere Übung störungsfrei durchgezogen werden könne, hätten Kurt und Jürg Hoss aus Zürich den Zuschlag erhalten.
40 Jahre Im Geschäft
Für den bald 70-jährigen Seniorchef eine einmalige Sache. «So etwas erleben Sie im Leben nicht zweimal», betont der gebürtige Schwabe, der auf 40 Jahre Berufserfahrung blicken kann. Auch der Juniorchef streicht die Bedeutung des Swissair-Ausverkaufs im Lebenslauf eines Liquidators hervor, wenngleich vom Erlös her er wohl auch schon erträglichere Verwertungen durchgezogen habe. Etwa, wenn edle Gemälde aus einem Nachlass zum Verkauf gestanden hätten.
Wie viel vom Kuchen an den Ausrichter der Liquidation abfallen wird, darüber schweigen sich Jürg Hoss wie Peter Schneiter allerdings lieber aus. Üblich für die Branche ist eine auf Erfolg basierende Gewinnbeteiligung. Und die darf nicht zu gering ausfallen, hat das Gespann Kurt und Jürg Hoss aufgrund des Swissair-Auftrages und dem damit anfallenden Mass an Mehrarbeit doch einige andere Aufträge zurückstellen müssen. Statt wie üblich zwei Liquidationen pro Monat abzuwickeln, werden es bis Ende Jahr nur ein paar wenige sein, wie Jürg Hoss festhält. Allerdings äusserst namhafte, wie die Beispiele Balair und Swissair belegen.
Angesichts der prominenten Kundschaft mag da die Frage erlaubt sein: «Jürg Hoss, gibt es ein Unternehmen mit klingendem Namen, das Sie gerne als Nächstes liquidieren würden?» Der Mann winkt ab, der Anstand verbietet ihm zu antworten. Schliesslich, so seine Begründung, sei man ja Liquidator und nicht Bestattungsunternehmen.
Die Verkaufsräume an der Grindelstrasse 9 in Bassersdorf sind ab 17.Oktober von 9 bis 17 Uhr (am Samstag von 9 bis 15 Uhr) geöffnet.
Liquidationen
Wenig transparenter Markt
Sich als Liquidator ausgeben kann in der Schweiz eine jede und ein jeder; die Berufsbezeichnung unterliegt keinem eigentlichen Schutz. Auch kennt die Branche keine Richtlinien oder gar Verbandsstrukturen, was ein zahlenmässiges Erfassen der im Bereich betreibungs- und konkursamtlicher Liquidation tätigen Personen und Firmen praktisch verunmöglicht. Finden sich im Telefonbuch schweizweit rund 70 entsprechende Einträge, schätzt Kurt Hoss die Zahl der im Wettbewerb bestehenden Liquidatoren auf 15 bis 20. Noch tiefer geht Bernhard Kunz laut Eigendeklaration umsatzmässig der Branchenprimus: Mit ihm, Hoss und dem Zürcher Liquidationsunternehmen Hotz seien wohl bereits alle ernst zu nehmenden Vertreter genannt, die das mittlere und höhere Preissegment in der Schweiz abdecken würden.
Die Feststellung, wonach es den Liquidatoren besonders gut geht, wenn es der Wirtschaft besonders schlecht geht, weisen Hoss und Kunz zurück. Zwar habe sich in letzter Zeit die Auftragslage verbessert, sprich, gabs mehr zu tun, doch beim Absatz sei dies mitnichten der Fall. «Ist der Konsum generell rückläufig, geht er auch bei uns zurück», betont Bernhard Kunz. Zuwachsraten verzeichne man allerdings im Internet rund 100000 Klicks würden die Schnäppchenjäger auf seiner Seite wöchentlich vornehmen, so Kunz.