Es ist fast wie früher: Obstbauern ernten Blauacher, Bohn-äpfel, Boskoops, Sauergrauech, Thurgauer Weinäpfel oder Tobiässler und führen sie mit dem Traktor zu einer der über 200 Sammelstellen in der Schweiz. Dort werden sie von Ramseier abgeholt und zu einer der vier Mostereien transportiert. «Wir freuen uns über jedes Öpfeli, das bei uns eintrifft», erklärt Jann Gehri, CEO von Ramseier Suisse, und meint es durchaus ernst.
Die Kultur der Hochstamm- äpfel hat schon blühendere Zeiten erlebt. Prägten um 1950 rund 6 Mio Bäume unser Landschaftsbild, waren es 2000 noch 1 Mio. Immerhin bekommen die Bauern vom Bund keine Prämie mehr fürs Abholzen. Dafür gibt es von derselben Stelle 5 Fr. pro Baum und Jahr für die Erhaltung - es ist fast wie früher.
Saurer Apfel ergibt süssen Most
«Ein idealer Mostapfel hat eine harte Schale, schmeckt sauer, ist eigentlich ungeniessbar. Als Saft entwickelt er durch den natürlichen Säuregehalt ein perlendes, erfrischendes Bouquet. Dagegen mundet ein ausgepresster Golden Delicious wie Schaumgummi, und die Ausbeute von Tafelobst ist erst noch schlecht», sagt Gehri.
2008 konnten 150000 t Mostobst verarbeitet werden; 1988 waren es noch 380000 t. Dass der Chef beim Gespräch einen mit Mineralwasser verdünnten Apfelsaft, eine Schorle, auftischen lässt, soll jedoch kein schlechter Vorbote sein. Die Nachfrage nach reinem Apfelsaft ist nach wie vor gesichert. Allerdings kann weniger Apfelsaftkonzentrat angelegt oder exportiert werden. Für 1 l Apfelsaft werden 1,3 kg Obst verwertet, darunter 90% Äpfel und 10% Birnen, um den Geschmack abzurunden. Nach dem Pressen werden Saft sowie Aromastoffe separiert. Nicht nur der effizienten Lagerung wegen: Getränketechnologen zerschneiden die Aromastoffe und mischen die Komponenten zum in aller Munde bekannten Produkt. Eine Formel hierfür gibt es nicht. Die Geschmacksdifferenzen sind trotzdem kaum wahrnehmbar. Dagegen sei Bioapfelsaft einfach wie er sei, Punkt, so Gehri, Agronom ETH und Betriebswirtschaftler HSG - letztes und vorletztes Jahr mit einem perfekten Säure-Zucker-Verhältnis.
Für Coop produziert Ramseier den Naturaplan- und Prix-Garantie-Apfelsaft. Naturaplan-Wiesen gab es auch damals, 1910, als ein paar Obstbauern im emmentalischen Ramsei eine kleine Mosterei gegründet haben. Im Laufe der Zeit stossen immer mehr Betriebe dazu. Der Apfelsaftfeldzug führt 1979 schliesslich bis nach Mostindien in die Ostschweiz und somit zu Konkurrent Obi. Unter dem Namen Pomdor ist man nun schweizweit tätig. 2005 folgt der Zusammenschluss mit Granador, man nennt sich fortan Unidrink, um sich drei Jahre später wieder auf Ramseier zu berufen.
«Die Marke hat einen extrem hohen Wert», weiss Gehri. «Gemäss einer Umfrage kennen weit über 90% der Schweizer Ramseier.» Selbst die pro-vokative Werbung «Vorsicht: Ramseier gibt rote Ohren.» von Frank Baumann hat dem Produkt nicht geschadet. Inzwischen gehören auch Sinalco, Elmer Citro und Elmer Mineral dazu. Nur wenige Konsumenten wissen das. Sie sollen nicht mit Firmenstrukturen konfrontiert werden, sondern einfach das Originalgetränk geniessen. Ähnliches gilt fürs fast schon kultige rote Denner-Bier, das Ramseier als mittlerweile drittgrösste Brauerei im Land produziert.
Wohin die Zukunft fliesst? Vor zwei Jahren hat ein arabischer Händler in Sursee angerufen, der Ramseier seit seiner Studienzeit in Genf kennt. Über sein Vorhaben, den Apfelsaft in Bahrain und Saudi-Arabien zu etablieren, hat Gehri erst nicht schlecht gestaunt. Inzwischen bieten Shops Halbliter-Petflaschen an. Allerdings mussten die Etiketten den lokalen Gegebenheiten angepasst werden: Das weisse Kreuz im Apfel hatte aus religiösen Gründen zu weichen.
Beim Trinken die Früchte sehen
Mit dem Zollfreihandelsabkommen wären nun Tür und Tor offen für Exporte in europäische Länder. Eine Expansion strebt Ramseier wegen eher niedriger Obsternten und generell tiefer Ladenpreise aber nur begrenzt an. Ziel ist für Gehri, nebst der Produktion von Eigenmarken, die Stellung als Apfelsaft-Marktleader in der Schweiz auszubauen. Hierfür werden weitere Produkte lanciert, zum Beispiel Schorle mit Kaktusfeige und Grüntee.
Zudem will man ein bedeutender Mitspieler bei Fruchtsäften werden. Bei den ehemaligen Granador-Produkten hat der Chef sofort die Zuckerzusätze und künstlichen Süssstoffe entfernen lassen. Die Zukunft sieht er grasgrün und apfelrot, sprich authentisch sowie naturnah. Die Kunden sollen beim Safttrinken gewissermassen die Früchte an den Bäumen sehen.