Chinesen konnten bislang einen Skoda kaufen, aber keinen fahren – zumindest nicht für alle sichtbar. Denn auf den Autos steht am linken Teil des Kofferraums in chinesischen Schriftzeichen «Shanghai Volkswagen». Das ist der Name des Gemeinschaftsunternehmens von Volkswagen mit dem chinesischen Autobauer SAIC.
Im Meer der Marken auf den Strassen der Volksrepublik gab es Skoda damit schlicht nicht, selbst wenn man in einen Octavia, Superb oder Yeti stieg – obwohl vor allem der kompakte SUV bei Chinesen beliebt ist.
Kompliziertes und misstrauenserweckendes Vorgehen
Doch nun ist es vorbei mit der Unsichtbarkeit. Ab diesem Sommer werden die Autos der tschechischen Volkswagen-Tochter mit dem Schriftzug «SAIC-Skoda» gekennzeichnet. Es bedurfte langer Verhandlungen, einer teilweisen Neuordnung des China-Geschäfts von Volkswagen und des Transfers grösserer Summen, bis das möglich war. Und zunächst löste die Aktion selbst in Wolfsburg einige Verwirrung aus.
Dort war nämlich all jenen, die nicht direkt mit dem Deal befasst waren, zunächst nur bekannt geworden, dass Skoda Anteile am Gemeinschaftsunternehmen Shanghai Volkswagen übernehmen wird. Warum das, fragte man sich vor allem bei den Arbeitnehmervertretern. Schnell gab es Misstrauen und eine Theorie: Skoda solle durch die Übernahme, die die Tschechen natürlich bezahlen müssen, frisches Geld in die Kasse der gebeutelten Stammmarke VW spülen.
Skoda mit dem besseren Image
Da beide Hersteller unter dem Dach des Volkswagen-Konzerns arbeiten, ist das zwar letztlich ein Nullsummenspiel. Aber VW leidet wie keine andere Marke unter den Folgen der Abgasaffäre. Skoda dagegen, obwohl zum Teil ebenfalls mit den manipulierten Motoren ausgestattet, hat so gut wie keinen Imageverlust infolge von Dieselgate zu verzeichnen und kann aufgrund steigender Absatzzahlen und immer noch guter Kostenstrukturen vor Kraft kaum gehen, Pardon: fahren. Mit dem Einstieg und dem Geldfluss könnte die eine Marke nun ein wenig auf Kosten der anderen gepäppelt werden. Soweit eine Theorie in Wolfsburg.
Doch sie ist falsch. Richtig ist, dass Skoda Anteile an Shanghai Volkswagen von der Marke VW übernimmt. Es stimmt auch, dass die Tschechen dafür zahlen müssen. Wie viel und wie gross das Anteilspaket ist, soll nicht nach aussen dringen.
Chinesisch heissen die Autos «Sekedas»
Der Grund dafür ist aber keine Hilfsaktion für VW, die der Stammmarke wohl auch kaum nennenswert helfen würde. Es geht darum, dass man in China als Automobilhersteller an einem Unternehmen beteiligt sein muss, wenn man mit einer eigenen Marke unterwegs sein will. Da der Einstieg beschlossen und von den Chinesen akzeptiert ist, werden schon bald «Sekedas» durch die Volksrepublik rollen. Das ist der chinesische Name für Skoda.
Skoda dringt auf eine richtige Marke, weil die VW-Schwester in China sehr erfolgreich ist und noch viel vorhat. Seit 2007 werden Skoda unter dem Namen Shanghai Volkswagen in der Volksrepublik verkauft, aber erst jetzt wollen die Tschechen dort richtig durchstarten. Gemeinsam mit dem Joint-Venture-Partner sollen in den nächsten fünf Jahren rund 2 Milliarden Euro in den Ausbau der Skoda-Modellpalette für China investiert werden.
Boom bei E-Fahrzeugen nutzen
Das Geld soll vor allem in die Entwicklung von Elektroautos, die Digitalisierung der Fahrzeuge sowie in neue SUV-Modelle fliessen. In keinem anderen Markt der Welt nimmt die Zahl von E-Fahrzeugen – in absoluten Zahlen – so zu wie in China. Immer mehr der ständig wachsenden Millionenstädte ächzen unter Smog. In der Autobranche wird seit Jahren befürchtet, dass die ersten Metropolen schon bald komplette Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor erlassen.
2019 will Skoda nach Informationen der «Welt» den ersten Plug-in-Hybriden für China auf den Markt bringen. Zunächst wird ein Superb mit einem Verbrennungs- und Elektromotor, der an Steckdosen ladbar ist, ausgestattet. Wenig später soll das erste vollelektrische Auto von Skoda folgen.
Selbstständig und gross
Auch die Themen Digitalisierung und selbstfahrende Autos sind deutlich wichtiger als beispielsweise in Europa. In China sind Limousinen mit Fahrern bei Geschäftsleuten und höheren Beamten weit verbreitet. Die Idee, den Chauffeur durch einen Autopiloten zu ersetzen, liegt in dem technikbegeisterten Land auf der Hand. Digitale Spielzeuge, die ständig einsatzbereit sein müssen, gehören in der Volksrepublik sowieso zum Standard – da machen die Chinesen auch beim Autofahren keine Ausnahme.
Ausserdem wird mit Hochdruck an einem neuen SUV gearbeitet. Auf der Autoshow in Peking Ende April hatte Skoda ein Showcar, also ein Zukunftsmodell, für einen neuen, grösseren SUV als den Yeti präsentiert. Der VisionS soll zeigen, wie der kommende SUV, der ab der ersten Jahreshälfte 2017 zu kaufen sein soll, aussehen könnte.
Volkswagen gegen GM
Eine weitere Karosserievariante des grossen SUV ist ausserdem in der Entwicklung. Darüber hinaus ist ein Cross Over Utility Vehicle (CUV) für China vorgesehen. Obwohl der Automarkt in China insgesamt wächst, werden kaum noch mehr Limousinen verkauft. Was den Absatz vor allem anschiebt, sind die SUVs.
Ergo: Wer auf dem inzwischen grössten und weiterhin am schnellsten wachsenden Automarkt weiter ganz vorne dabei sein will, muss in die oben genannten Disziplinen investieren. Volkswagen mit all seinen Töchtern und General Motors (GM) liefern sich seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Position des absatzstärksten Automobilherstellers in China. Skoda soll mithelfen, den Erfolg des Volkswagen-Konzerns abzusichern und auszubauen.
In vier Jahren doppelt so viel liefern
281'700 Fahrzeuge hat Skoda 2015 in China verkauft, damit ist die Volksrepublik inzwischen der grösste Einzelmarkt weltweit für die VW-Tochter. Dort wird derzeit rund ein Viertel des Gesamtabsatzes verkauft. Auch in der Schweiz sind die Autos äusserst beliebt. So sehr sogar, dass der Skoda Octavia in den ersten sechs Monaten dieses Jahres das populärste Modell überhaupt war: Vom Octavia sind bis Ende Juni 6199 Stück verkauft worden. Auch wenn der Absatz weiter steigt, an das Wachstumspotenzial von China kann die Schweiz nicht herankommen.
«Unser Ziel ist es, die Auslieferungen in China bis 2020 zu verdoppeln», sagt Skoda-Chef Bernhard Maier. Und wer den Automarkt im Reich der Mitte kennt, weiss: Chinesen schätzen europäische Autos, und sie sind neugierig, neue Marken auszuprobieren. Nur: Dafür muss man eine eigene Marke haben.
Dieser Artikel ist zuerst auf unserer Schwester-Publikation «Die Welt» unter dem Titel «Mit diesem Trick will Skoda jetzt China erobern"» erschienen.