Mit dem Begriff «Erfolgsstrategien» kann Adrien Weber wenig anfangen, genauso wenig wie mit «Innovation». Dies alles seien nur Theorien und Phrasen, sagt der Chef der Brauerei Turbinenbräu in Zürich. Seine Philosophie lautet: «Ich will ganz einfach gute Biere brauen.»
Vor zehn Jahren hat der ETH-Lebensmittelingenieur seine Dissertation abgebrochen und sich dem Bier zugewandt. Hefe faszinierte ihn. Er gründete im Zürcher Kreis 5, im Zentrum des damals aufstrebenden Szene-Viertels, die Brauerei Turbinenbräu. Das verlieh der Marke Authentizität.
Heute braut Weber 13000 hl Bier im Jahr. Ein derartiges Wachstum hätte er einst nicht erwartet, sagt er. Nachdem Mitte der 1990er Jahre Hürlimann die Zürcher Brauerei schloss, war «ein Bier für Zürich aus Zürich» eine vakante Nische. Diese Nische hat Weber besetzt. Seine Biere werden in zahlreichen Zürcher Bars und auch in Traditionslokalen wie dem «Zeughauskeller» ausgeschenkt.Turbinenbräu gehört zu den kleineren Brauereien, aber zu denen, die rentabel brauen. Weber hat die drei Standard-Biere Sprint, Rekord und das obergärige Start im Angebot, dazu braut er saisonale Spezialitäten wie Fichtennadelsprossen- oder Hibiskus-Blüten-Bier. «Wir haben eine Narrenfreiheit, weil wir nicht wie die Grossen einen enormen Werbeaufwand betreiben müssen.»
Er mache kaum Werbung für seine Biere. Wenn er einmal einen Anlass wie ein Open-Air-Konzert unterstütze, dann zahle er einen Beitrag, sagt er, aber er wolle nicht überall seine Logos drauf haben. Die Biertrinker würden schon realisieren, dass Turbinenbräu ausgeschenkt wird, glaubt er. Eigentlich, sagt Adrien Weber, schaue er einfach, was die Grossen tun und suche dann einen eigenen Weg.
Kunden sehen Brauerei von innen
Seine Stärke ist zweifellos die Nähe zum Markt, zu den mikrosozialen Milieus, in denen sein Bier getrunken wird. Die Kunden können die Bierharassen gleich in der Brauerei abholen. Das schaffe Bindung zur Marke, sagt Weber. Viele Leute hätten noch nie eine Brauerei von innen gesehen.
Während der anstehenden Fussball-Europameisterschaft wird Turbinenbräu deutlich mehr Bier ausschenken, aber Weber will sich nicht an diesen Anlass anbiedern. Dafür wird sein Bier an den Spielen des Zürcher Erstligisten YF Juventus ausgeschenkt – oftmals von Weber selbst.
Turbinenbräu trinkt man inzwischen auch in Basel, Bern und Genf. Mit Ländlichem und Folkloristischem will Adrien Weber sein Bier nicht identifizieren. Es gibt auch keine Hopfenblüten und Schlösschen auf dem Etikett. Die Identifikation funktioniere über das Urbane, sagt Adrien Weber. Dank dieses Images ist er überhaupt in den Genfer Markt hineingekommen, wo er nun 15% seiner Umsätze macht.
Bis zu 1000 Bierfässer pro Tag
Dass seine Biere allesamt nicht pasteurisiert und daher nur drei Monate haltbar sind, ist eine Herausforderung für Lagerung und Logistik. Immerhin macht die Brauerei 90% der Umsätze in der Gastronomie, wo die Fluktuation hoch ist. Die meisten Restaurants und Bars werden zweimal pro Woche beliefert.Mit der Biermenge sind auch die Produktionshallen gewachsen. Weber hat in den neuen Standort an der Badenerstras- se 7 Mio Fr. investiert. Kürzlich hat er die Produktionshallen innen ausgehöhlt, um drei 300-Hektoliter-Tanks zu platzieren. In kleineren Tanks stellt er saisonale Spezialbiere her. Pro Tag kann er bis zu 1000 Bierfässer für die Gastronomie abfüllen.
In der Brauerei habe er eine optimale Grösse erreicht, im Büro und im Verkauf könne er noch wachsen. Weber setzt keine konkreten Wachstumsziele. «Wer nicht wächst und nicht eine bestimmte Grösse erreicht, wird nicht ernst genommen.»
Wirtschaftlich sei er mit insgesamt sechs Beschäftigten unbedeutend, sagt Weber. Trotzdem haben die Medien oftmals über ihn berichtet. Als er vor sechs Jahren das Anfangskapital von 250000 Fr. erhöhen wollte, schaltete er eine Webseite auf, auf der man Scheine zeichnen konnte.
Innert kurzer Zeit konnte er das Aktienkapital auf über 2 Mio Fr. aufstocken. Nachdem viele Banker damals Geld in der New Economy verloren hatten, wollten sie wieder in etwas Handfestes investieren. Weber besitzt zwar die Aktienmehrheit, will das Ganze aber breit abstützen, weil seine 400 Aktionäre auch Sympathisanten sind.
Sympathie bringt Weber auch sein Beruf als Bierbrauer: Als er früher sagte, dass er an einer Dissertation über die Bluthirnschranke schreibe, hätten ihn die Leute verdutzt angesehen. «Wenn ich nun sage, dass ich Brauer bin, stösst das auf Interesse. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das gleichgültig ist.»