Die spinnen: Das ist der erste Gedanke, der einem bei einer Besichtigung der HAG'schen Fabrik durch den Kopf geht. In mehr als 1500 Arbeitsgängen wird eine einzige Lok vom Guss bis zur Montage der Scheibenwischer gefertigt. Allein die Gehäuse werden mit bis zu 70 Druckvorgängen gestaltet. «Es gibt Beschriftungen, die kleiner als 0,3 Millimeter sind», sagt Inhaber Werner Gahler.

Wer den zwei Dutzend Beschäftigten bei ihrer Arbeit zuschaut, hat den Eindruck, dass sie sich in diesem Unternehmen wohlfühlen, wo Buben- und Männerträume verwirklicht werden. Das gilt speziell für die «Tüftler». Sie haben, wie die Firmengründer, ihr Steckenpferd und ihren Beruf miteinander verbinden können. Auffallend ist, dass viele Mitarbeiter schon lange bei HAG tätig sind.

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Zum Beispiel Harry Moos, mit dem Werner Gahler schon die Primarschule besucht hat. Er gehört zu den Tüftlern und wie Gahler sagt zum Inventar der Firma. «Aber man darf nicht vergessen, dass es bei uns auch viel harte Knochenarbeit gibt», relativiert Gahler die Vorstellung, dass bei ihm alle Mitarbeiter nur wegen ihrer Affinität zu Miniatureisenbahnen beschäftigt sind.

24 000 Loks und Wagen pro Jahr

In Mörschwil SG werden pro Jahr etwa 12000 Lokomotiven und etwa gleich viele Wagen in minutiöser Handarbeit hergestellt. Und jedes Jahr kommen neue Modelle hinzu. Die damit verbundenen Kosten sind gross: Allein die Entwicklung eines neuen Scheibenwischers bis zu seiner serienmässigen Herstellung kommt auf rund 16 000 Fr. zu stehen. Das Teuerste am Produktionsprozess ist die Herstellung der Formen.

Zu den Hits gehören die Ae 4/7 oder die Re 460 mit ihren Werbeaufdrucken, für Eisenbahnfreaks ein Begriff, Normalos verstehen nur Bahnhof. Besonders gefragt waren zuletzt auch die Gotthardloks Ae 6/6 und Re 6/6.

Wer davon ausgeht, dass vor allem Buben darauf abfahren, irrt sich: «Das Gros unserer Kunden sind Männer im mittleren Alter», sagt Gahler. Sie studieren die HAG-Kataloge wie andere Leute die Prospekte von Warenhäusern. «Flachwagen mit Postcontainer», heisst es da, oder «Nr.138 Ae 4/7 Neue Generation». Für Nicht-Bähnler eine fremde Welt, die aber fasziniert, weil eine Passion ähnlich wie bei einem Besuch von IWC zu spüren ist, wo die Mitarbeiter sich durch nichts ablenken lassen.

HAG als Fabrik zu bezeichnen, ist nicht ganz richtig. «Das ist eine eigentliche Manufaktur, wie es sie nur noch selten gibt», sagt Modelleisenbahn-Spezialist Hans-Jörg Soldat. Die rund 350 Bestandteile einer Lokomotive werden grösstenteils selbst hergestellt. Kunststoff ist verpönt. Verglichen mit dem Branchenriesen Märklin ist HAG zwar klein, aber die Firma hat es immer wieder geschafft, mit ihrer «time to market»- Strategie die Position zu festigen. Als die SBB ihren 100.Geburtstag feierten, kamen rechtzeitig drei Sondermodelle auf den Markt.

Die Produkte haben aber ihren Preis. Klar gibt es günstige Modelle wie etwa den BT-Speisewagen (Bodensee-Toggenburg-Bahn) für 70 Fr., aber für eine R 4/4 Sihltalbahn müssen 523 Fr. und für eine BLS Ae 8/8 2-motorig 755 Fr. hingeblättert werden.

«Reich geworden sind wir trotzdem nicht», beteuert Gahler. Er hat den Betrieb, den sein Vater und sein Onkel aufbauten, weitergeführt. Die Bezeichnung HAG leitet sich übrigens aus den Anfangsbuchstaben der Gründer Hugo und Alwin Gahler ab. Sie konnten gleich zu Beginn einen grossen Coup landen: Die Spielzeugkette Franz Carl Weber kaufte ihnen einen grossen Posten Schienen ab. Diese waren deshalb so geschätzt, weil sie zu den damals weit verbreiteten Märklin-Gleisen passten. Gleichzeitig machten sich die beiden Tüftler daran, ein grosses Sortiment von Rollmaterial der Spur 0 (36 Millimeter) zu lancieren.

Hohe Kosten, treue Stammkunden

Um die hohen Entwicklungs- und Werkzeugkosten zu amortisieren, müssen von einer Neuentwicklung mindestens 10000 Stück verkauft werden. Die einzelnen Serien umfassen Losgrössen von 1000 bis 5000 Stück. Verdienen kann man erst über dieser Grenze.

Aber Gahler kann sich auf eine treue Stammkundschaft in aller Welt verlassen. Ein Viertel der Produkte wird ins Ausland exportiert, an Fans aus allen Kontinenten. Welches war die verrückteste Geschichte, die Gahler je erlebt hat? «Ein Mörschwiler, der auf Modelleisenbahnen abfährt, wollte in Tokio etwas Spezielles für seine Sammlung erwerben. Er suchte einen Laden auf, der Verkäufer versicherte ihm, dass er das bieten konnte und bot ihm eine HAG-Lok an», erzählt Gahler.

Seine Stammkundschaft ist verwöhnt: Sie erwartet immer wieder neue Modelle mit immer perfekteren Ausführungen. So wurden bei der Nachbildung des Speisewagensvon McDonald's sogar dieAngestellten, Tablette, Pommes-frites-Packungen, Cola-Dosen und Becher kreiert.

HAG ist die letzte Schweizer Modelleisenbahnfabrik, die Gross-Serien herstellt. Gerade vor Weihnachten laufen die Drähte in Mörschwil heiss. Und es sind wie bereits angetönt vor allem auch Männer oder deren Frauen, die genau wissen, dass sie mit dem SBB Oldtimer Ae 4/7, der nach über 70 Jahren aus dem Verkehr gezogen und von den Mörschwilern im Massstab 1:87 verewigt worden ist, etwas Spezielles unter den Weihnachtsbaum legen können.

KMU-PROFIL

Inhaber: Werner Gahler

Rechtsform: Familien-AG

Umsatz: 4 Mio Fr.

Beschäftigte: 24

Produkte: 28 Lok- und 78 Wagenmodelle

Firma: HAG Modelleisenbahnen AG, Mörschwil