Die klassische Lebensversicherung wird immer mehr verdrängt durch flexible Vorsorgeprodukte, wie etwa die fondsgebundenen Rentenversicherungen mit variabel wählbaren Garantien. Die Finanzmarktkrise und der wirtschaftliche Abschwung haben das Sicherheitsbedürfnis der Leute zusätzlich erhöht. «Wir verkaufen praktisch nur noch Garantieprodukte», sagt Tony Nüscheler, Marketingchef bei der Skandia Leben in Zürich. Als speziell beliebt gelten bei der Kundschaft etwa Vehikel, die eine Absicherung des Höchstwertes versprechen. Im aktuellen Börsenumfeld werden die Chancen für rasche Kursgewinne bei den Aktien allerdings als gering eingestuft. Umso mehr suchen die Anleger Produkte mit einer Erlebensfallgarantie. Skandia wird im kommenden Sommer ebenfalls ein solches Vorsorgeinstrument lancieren, nachdem zahlreiche Versicherer ihre Angebotspalette in den letzten Monaten mit solchen Produkten ausgeweitet haben.
Novitäten in der 3. Säule
Im Frühjahr hat die Swiss Life mit dem Champion Duo eine fondsgebundene Spar- und Risikoversicherung aufgelegt, die dem Versicherten bei Vertragsende den Wert des Fondsguthabens oder das garantierte Erlebensfallkapital sichert, wobei jeweils der höhere Betrag ausbezahlt wird. Neu an diesem sogenannten Variable-Annuity-Produkt ist die Möglichkeit, über dieses Vehikel die gebundene und steuerprivilegierte Vorsorge (Säule 3a) mit der freien Vorsorge (Säule 3b) in einer einzigen Police zu kombinieren. «Diese Lösung erlaubt es dem Kunden, den Sparprozess und den Risikoschutz während der gesamten Laufzeit optimal an seine Bedürfnisse anzupassen», sagt Urs Arbter, Leiter Markt & Produkte von Swiss Life.
Bereits im letzten Jahr ist die Axa Winterthur mit dem Twin Star Income gestartet. Dieses Vehikel mit flexibel wählbaren Garantien hat gemäss Fabian Rupprecht, Leiter Einzelleben, «die gesteckten Ziele um ein Vielfaches überschritten» (siehe «Nachgefragt»).
Die Bâloise lancierte mit dem RentaSafe ein Vorsorgeprodukt, das speziell auf die Generation 50plus zugeschnitten ist.
Die Variable-Annuity-Produkte sichern dem Versicherungsnehmer weitreichende Rentengarantien zu. Um diese Garantien auch wirklich zu gewährleisten, sind für die Versicherungsgesellschaft komplexe Absicherungsvorgänge nötig. Innerhalb der Versicherung kümmern sich Spezialisten um das Pricing und Hedging der Risiken. Aus Sicht des Anbieters gilt es einerseits, sich gegen Kursverluste der Börse abzusichern, und anderseits, das Langlebigkeitsrisiko in den gesamten Absicherungsprozess einzukalkulieren. Im Fall des Bâloise-Vorsorgeproduktes ist die Auszahlung einer Rente bis zum Todesfall garantiert, auch wenn das Ursprungsvermögen des Versicherten auf null fällt.
Mehr Produkttransparenz
Die Nachfrage nach Produkten, die Versicherungslösungen mit einem Sparteil inklusive Kapitalschutz beinhalten, steigt in der Schweiz stetig an. Dabei stehen nach dem Muster des US-Marktes vier Garantien im Vordergrund: Die garantierte Todesfall-Leis-tung, die garantierte Ablaufleistung nach Stichtag, die garantierte Rentenleistung und die garantierte Entnahmeleistung. Für den Versicherungsnehmer ist dabei besonders wichtig, dass er sich auf einen verlässlichen Anbieter stützen kann. Ohne Produkttransparenz geht es nicht. In der EU sind Bestrebungen im Gange, die Abschlussprovisionen gegenüber dem Kunden mit einer Nettoabrechnung sichtbar zu machen. Damit soll der rein provisionsgesteuerte Verkauf von Vorsorgeprodukten eingedämmt werden. Ab 2011 dürften diese neuen Regelungen auch in der Schweiz gelten.
NACHGEFRAGT Fabian rupprecht, Leiter Einzelleben Axa Winterthur, Winterthur
«Bei neuen Produkten vom Erfolg überwältigt»
Rentenversicherungen mit wählbaren Garantien erleben in den USA seit Jahren hohe Zuwachsraten. Weshalb hinkt die Schweiz bei diesen Vorsorgeprodukten hinterher?
Fabian Rupprecht: Diese Produktkategorie der Variable Annuities wurde erst vor wenigen Jahren nach Europa exportiert. Da die Einführung hohe Investitionen mit sich bringt, gibt es immer noch relativ wenig Anbieter im Markt. Die Beispiele in England, Deutschland und jetzt auch in der Schweiz zeigen aber, dass diese wenigen Angebote zum Teil durchschlagende Erfolge aufweisen.
Das Marktvolumen für Europa wird bis in drei Jahren auf über 40 Mrd Euro geschätzt. Sind das realistische Erwartungen?
Rupprecht: Ich würde diese Grössenordnung eher am oberen Ende der Erwartung ansiedeln, weil ich einfach nicht glaube, dass das Wachstum in allen europäischen Märkten gleichzeitig stattfindet. Ich erwarte aber, dass in einzelnen Märkten Variable Annuities durchaus zum Marktführer avancieren, wie das auch in den USA geschehen ist.
Wie hoch ist das Wachstumspotenzial in der Schweiz?
Rupprecht: Variable Annuities in der Schweiz bieten insbesondere im Bereich der Einmalprämie einen klaren Wettbewerbsvorteil. Sie offerieren das, was der Kunde nach dieser Finanzkrise wünscht: Einfachheit, Verständlichkeit, harte Garantien und die Chance, von der Erholung auf den Finanzmärkten zu profitieren. Der ideale Schutz gegen Inflation und Deflation. Bessere Voraussetzungen für Wachstum kann ein Produkt kaum haben.
Warum wurden bis anhin fast nur fondsgebundene Produkte ohne Garantien angeboten?
Rupprecht: Fondsgebundene Garantieprodukte gibt es schon seit einigen Jahren im Angebot. Die Variable Annuities sind aber eben den bisherigen Garantieprodukten in Sachen Transparenz und Einfachheit überlegen.
Axa Winterthur lancierte erst vor einem Jahr das erste Vehikel mit wählbaren Garantien. Wie wurde das Vorsorgeprodukt im Markt aufgenommen?
Rupprecht: Während TwinStar Invest gerade einmal sein Planziel erreicht hat, sind wir bei den wenige Monate später eingeführten Produkten TwinStar Income und Income Plus vom Erfolg überwältigt. Wir haben hier unsere gesteckten Ziele um ein Vielfaches überschritten. Berater und Kunden sind begeistert und nutzen diese Lösung insbesondere im Rahmen von Finanzplanungen. Es zahlt sich eben aus, wenn ein Produkt vom Kundenbedarf her konsequent entwickelt wird.
Wählen die Kunden vor allem Fondslösungen mit wenig Aktien und einem hohen Anteil an festverzinslichen Papieren?
Rupprecht: Gerade die Garantie ermöglicht es den Kunden, sich ohne Risiko einen höheren Aktienanteil zu erlauben und so stärker von steigenden Kursen profitieren zu können. Daher ist das Interesse an den Fondslösungen mit höherem Aktienanteil tendenziell grösser.
Sind weitere solche Produkte in der Pipeline?
Rupprecht: Wir werden sicher versuchen, die bisherigen Erfolge weiter auszubauen. Dort, wo wir Kundenbedarf in der Zukunft sehen, werden wir agieren. Wir sind der Überzeugung, dass Innovationen notwendig sind, um erfolgreich zu sein.