In den USA leidet McDonald's
an Marktsättigung -
und an der Konkurrenz.


«Schauen Sie doch auf Seite 3», leitet Urs Hammer, Chairman und CEO von McDonald’s Suisse, seine Gäste diskret zur angemessenen Lektüre der Speisekarte an. Doch die haben sich längst auf Seite 2 festgelesen, im kulinarischen Credo des «Frohsinn»-Wirtes in Oensingen: «Fastfood und Conveniencefood zerstören ein wichtiges kulturelles Ereignis in unserer Gesellschaft und sind zwei von jenen Zeitdieben aus Michael Endes Buch ‹Momo›.»

Urs Hammer geniesst sein Essen trotz dem PR-mässigen Tiefschlag zum Entrée. Er bezeichnet die Feindschaft, die McDonald’s von Geniessern einer gepflegten Küche entgegenschlägt, als Missverständnis: «In Lokalen wie diesem hier esse ich selber gerne, für die sind wir doch keine Konkurrenz. Im Gegenteil: Wir bieten ein zusätzliches Angebot. Je breiter das Angebot ist, umso eher gehen die Leute aus.»

Den gelassenen Umgang mit Kritik hat Urs Hammer in den Siebzigerjahren gelernt. Damals setzte McDonald’s zur Eroberung des Schweizer Marktes an, gegen heftigste Widerstände der etablierten Gastronomie, für die so etwas wie der Untergang der abendländischen Kultur drohte. Man prophezeite den Hamburger-Bratern ein klägliches Scheitern; der Schweizer werde sich nicht auf die kulinarische Banalisierung einlassen. Mehr als zehn McDonald’s-Filialen gebe der Schweizer Markt nicht her.

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Erst kürzlich hat McDonald’s die 132. Filiale in der Schweiz eröffnet. 2001 schrieb man 498,9 Millionen Franken Umsatz. Bis Ende dieses Jahres sollen 140 Niederlassungen erreicht sein, und dann geht es mit rund zehn Filialen pro Jahr weiter. Wie weit? Das neue zentrale Auslieferungslager im solothurnischen Oensingen ist auf eine Kapazität ausgelegt, mit der 200 Filialen problemlos bedient werden können. In dieser «Foodtown» werden neben dem Logistikunternehmen HLS, das seit 1976 für McDonald’s Schweiz tätig ist, in näherer Zukunft auch die Grossmetzgerei Grieder (verarbeitet 3500 Tonnen Rindfleisch pro Jahr) und die Bäckerei Fortisa (50 Millionen Brötchen) untergebracht sein. Doch auf die Frage nach dem Sättigungsgrad will sich Urs Hammer nicht wirklich einlassen. In den USA, dem McDonald’s-Mutterland, ist die Wachstumsherrlichkeit jedenfalls vorbei. Für Urs Hammer will das nicht viel heissen: «Das profitabelste Wachstum entsteht dann, wenn man das Bestehende ausbaut.» Will heissen: schneller mehr vom Gleichen. Doch Tatsache ist, dass auch in der Schweiz die Erträge der bestehenden Betriebe stagnieren. Mehrumsatz kann nur durch Neueröffnungen generiert werden.

Das aber fordert potenzielle Konkurrenten geradezu heraus, mit besseren und/oder billigeren Produkten in den Markt einzudringen. Nicht nur, dass immer mehr Supermärkte und Tankstellen warme Schnellimbisse über die Tresen reichen. Nun will auch Erzkonkurrent Burger King im Schweizer Markt Fuss zu fassen. Die Aggressivität, mit der Burger King in Grossbritannien, Deutschland, Spanien, Italien und Österreich expandierte, lässt vermuten, dass es nicht bei der einen oder anderen Filiale bleiben wird, auch wenn die «Locker tausend Geschäfte» wohl eher in den Bereich der Träume gehören. Urs Hammer muss sich also auf einen harten Fight gefasst machen. Er nimmt es gelassen: «Ich hatte in den ersten vier bis fünf Jahren mehr als einmal das Wasser am Hals.»

Doch eine konkrete Gegenstrategie hat er nicht: Hammer wartet ab und setzt auf die schiere Macht seines Monopols. Schliesslich betreibt er bereits 132 Filialen, und nicht an den schlechtesten Lagen. Das muss die Konkurrenz erst einmal nachmachen. Burger King verfolgt daher eine Ausweichstrategie: Statt sich in den teuersten Lagen der Grossstädte einzuquartieren, setzt man auf die Agglomerationen und Einkaufszentren. Spreitenbach AG statt der Zürich Bahnhofstrasse.

Dank der erreichten Grösse ist McDonald’s Schweiz auch in der Lage, auf anderen Gebieten die Messlatte hoch zu legen – sei es auf der Beschaffungsseite (85 Prozent Rohstoffe schweizerischer Herkunft), sei es im Bereich der Ökologie. Gütertransport zu 40 Prozent auf der Schiene, «Greenergy»-Transporter und als jüngste Errungenschaft «der umweltfreundlichste Lastwagen der Welt», der mit Biogas betrieben wird, das man aus den Küchenabfällen der McDonald’s-Filialen gewinnt. «Die Eintrittsbarriere für Neue ist ziemlich hoch», sagt Hammer.

Doch allein mit Abwarten und Umwelt-Benchmarking ist der neuen Konkurrenz auf dem Schweizer Markt kaum beizukommen. Das Burger-King-Netz ist ein ähnlich effizientes System wie jenes von McDonald’s. In den USA setzen die «Burger» zusammen mit anderen Fastfood-Ketten, von Wendy’s bis Kentucky Fried, dem Branchenprimus erheblich zu. Deshalb auch die Wachstumsschiene Nummer zwei, auf der Urs Hammer manövriert: neue Produkte und erneuerter Service. In den Käse-, den chinesischen oder den mexikanischen Wochen führte McDonald’s Schweiz mit einigem Erfolg vor, was man in der Systemgastronomie mit neuen Produkten alles anfangen kann. Erneuerter Service heisst im Wesentlichen «noch schneller, noch frischer». Der Nachteil dieser zweiten Wachstumsschiene: Sie ist mit Zusatzkosten und Investitionen verbunden, auf kurze Sicht also weniger profitabel als der Ausbau des Bestehenden.

Noch gefährlicher ist die Wachstumsschiene Nummer drei: die Ausweitung des Brands in andere Bereiche. Da ist der Spielraum für den «aktiven Minderheitsaktionär» Urs Hammer (er besitzt 25 Prozent der McDonald’s Suisse Holding) noch enger – und die kritische Beobachtung aus den USA entsprechend ausgeprägt. Zumal die bisherigen Versuche, die Reichweite der Marke in der Schweiz auszudehnen, kommerzielle Fehlschläge waren. Der «McPlane»-Ferienjet zum Beispiel, der Versuch, die McDonaldisierung der Schweiz in der Luft fortzusetzen, fand zwar ein grosses Echo in der Öffentlichkeit. «Das McDonald’s-Flugzeug verzeichnete die höchste Frequenz aller Maschinen der Crossair in dieser Zeit», freut sich Urs Hammer. Aber es kostete mehr, als es einbrachte. Kaum weniger spektakulär war «McTrain», die rollende McDonald’s-Filiale, bei deren Planung man allerdings, wie Urs Hammer heute gesteht, «ein paar Denkfehler» gemacht habe. Der gravierendste: Im Zug gibt es keine Laufkundschaft; wenn er einmal fährt, hat man nur das Publikum, das schon an Bord ist. Die Frequenzen liessen zu wünschen übrig, McDonald’s brach auch diese ziemlich teure Übung ab.

Noch in vollem Gang ist Urs Hammers jüngster und ehrgeizigster Versuch einer Markenausweitung, die vom Hauptaktionär in Oak Brook zwar abgesegnet, aber mit Argusaugen beobachtet wird: die beiden Golden-Arch-Hotels in Rümlang und Lully bei Estavayer. Sie sind die erste Hotellerieaktivität des weltweiten Gastronomiekonzerns, und das Konzept, die Vier-Sterne-Häuser unter der Woche als Business- und am Wochenende als Familienhotel zu führen, hat unter Branchenkennern einige Skepsis hervorgerufen. Bisher sind die beiden Häuser denn auch kein Erfolg: Genaue Zahlen gibt Hammer nicht bekannt, aber in der Branche munkelt man von Auslastungen zwischen 25 und 50 Prozent. «Wir sind zu einem ungünstigen Zeitpunkt (Herbst 2001) in den Markt eingetreten», sagt Hammer. Besonders Rümlang als Airport-Hotel hatte unter den Folgen des 11. September zu leiden. Und das Haus in Lully litt unter dem um ein Jahr verschobenen Beginn der Expo.

Ein allerdings hausgemachter Fehler war, dass sich die Verpflegung in den Hotels auf McDonald’s-Produkte beschränkte – für den Manager auf Reisen oder das abendliche Geschäftsessen keine befriedigende Lösung. Nun werden traditionelle Restaurants nachgerüstet. Zudem waren die Golden-Arch-Hotels im letzten Jahr noch nicht in den Reiseführern und Hotelverzeichnissen. Das wird sich in diesem Jahr ändern. Und um auch in die Verzeichnisse der Business-Hotels zu gelangen, rüstet Golden Arch zehn Prozent seiner Zimmer mit Konferenztischen aus. «Ein Urteil über das Gelingen dieses Experiments kann man wirklich erst nach einem vollen Betriebsjahr unter geordneten Verhältnissen abgeben», sagt Urs Hammer, also frühestens 2003. Derzeit nehme die Auslastung zu, «in Rümlang liegen wir etwa im Durchschnitt der Zürcher Airport-Hotels».

Auch die Expansion ins Kaffeehausgeschäft kommt kaum vom Fleck: Eineinhalb Jahre nach dem Start sind in der Schweiz erst vier Aroma-Filialen in Betrieb, und dies noch mit bescheidenem Erfolg. Eine Kooperation mit Coop, an deren Tankstellen der Aroma-Café ebenfalls ausgeschenkt wurde, hat man nach wenigen Monaten mangels Umsatz wieder eingestellt. Und in England hat McDonald’s seine 26 Aroma-Cafés bereits wieder weiterverkauft – ein Schritt, der wohl auch für die Schweiz nicht auszuschliessen ist, sollten die Umsatzzahlen nicht merklich anziehen.

Mit ihren Experimenten mag McDonald’s Schweiz bislang eher Pech gehabt haben. Im Kerngeschäft jedoch, dort, wo es um den Big Mac, Chicken McNuggets, Pommes frites und Softdrinks geht, ist McDonald’s Schweiz auf ungebrochenem Wachstumskurs. Auch BSE und Maul- und Klauenseuche konnten – anders als etwa in Deutschland oder Grossbritannien – den Appetit auf Burger kaum zügeln. McDonald’s Suisse strebt in diesem Jahr ein Umsatzvolumen von 540 Millionen Franken an. Das wäre ein Wachstum um acht Prozent – eine Performance, die sich sowohl innerhalb der europäischen als auch innerhalb der globalen McFamily sehen lassen könnte.

Vielleicht hängt das damit zusammen, dass Urs Hammer sich nicht einfach als Hamburger-Brater versteht, sondern als Unternehmer in Sachen Hospitality. Und er ist ein Vollblutunternehmer, der zu grossen Risiken bereit ist – nicht immer zur Freude von Oak Brook. Möglicherweise auch deshalb hat Hammer seine Sonderstellung in der globalen McFamily nun eingebüsst. Bisher war er offiziell dem Europasitz in London zugeteilt, de facto liess ihm Oak Brook mit seinen Projekten jedoch weitgehend Narrenfreiheit. Nun ist er neu der Osteuropa-Zentrale in Wien unterstellt und sein Reich damit im gleichen Topf mit Ländern wie Slowenien und Tschechien.

Urs Hammer ficht das nicht an: «Wenn man immer nur auf die Zahlen schaut, wenn man die kurzfristigen Aussichten zu genau rechnet, macht man nie etwas Neues. Wenn aber von zwanzig Anläufen drei funktionieren, ist es gut. Und wenn die abgebrochenen Experimente wenigstens PR-mässig wahrgenommen werden, dann haben auch diese rentiert.» Eine gewagte Behauptung.

Nicht wenige Mitarbeiter am McDonald’s-Hauptsitz in Crissier hoffen jedenfalls, dass Hammer, der das Unternehmen noch immer wie ein Patron leitet, sich angesichts der neuen Rivalen nun wieder auf das Kerngeschäft konzentriert. Die Jahre des zügellosen Wachstums dürften für den Selfmademann erst einmal vorbei sein, die Schlabber-Sandwiches werden für ihn in Zukunft härteres Brot. Doch vom Thron dürfte den Schweizer «burger king» so schnell niemand stürzen.
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