Mickymaus ist das Lachen vergangen. Das liegt nicht nur an den Terroranschlägen auf die USA. Die Zahlen, welche die Walt Disney Company Anfang November zum Abschluss ihres Geschäftsjahres präsentierte, drücken die Stimmung.

Nur wenige US-Konzerne hat die Krise so stark getroffen wie die Ikone der amerikanischen Unterhaltungsindustrie mit ihren drei Säulen Freitzeitparks, Film und Fernsehen. Am Tag der Terrorangriffe blieben die Tore der Disney-Freizeitparks in Florida und Kalifornien geschlossen. Kaum jemand ging los, um sich ein Video, eine DVD oder andere Disney-Artikel zu kaufen. Niemand wollte ins Kino gehen. Den Start von Katastrophenfilmen wie «Big Trouble» musste Walt Disney verschieben auf unbestimmte Zeit.

Dabei hatte das Unternehmen bereits mehrere Millionen Dollar für die Werbung ausgegeben. Mehr noch: TV-Sender unterbrachen direkt nach dem Anschlag ihr Programm. Disneys Fernsehsender ABC sendete 91 Stunden ununterbrochen Nachrichten ohne Werbepausen. Und der Sportkanal ESPN hatte plötzlich keine Wettkämpfe mehr, über die er berichten konnte. Allein in den knapp drei Wochen bis zum Ende des Quartals büsste Walt Disney beim Gewinn vor Steuern rund 200 Millionen Dollar ein. Disney-Chef Michael Eisner (Bild) steht vor der grössten Herausforderung seiner 17-jährigen Karriere an der Spitze des Unterhaltungskonzerns.

«Medienkonglomerate wie Disney haben hohe Fixkosten, Umsatzausfälle wirken sich deshalb überproportional auf den Gewinn aus», sagt Laura Martin, Analystin des Investmenthauses Credit Suisse First Boston. Genau das bereitet Eisner jetzt Kopfzerbrechen. Morgan-Stanley-Analyst Richard Bilotti, bis vor kurzem noch einer der Disney-Optimisten an der Wall Street, reduzierte gerade seine Umsatzprognosen für das begonnene Geschäftsjahr um beinahe zwei Milliarden Dollar. Jetzt rechnet er für 2002 mit 25,8 Milliarden Dollar und liegt damit noch immer deutlich über den Prognosen von Kollegen.

Douglas Mitchelson von Deutsche Banc Alex. Brown etwa erwartet fürs nächste Jahr nur noch 24,9 Milliarden Dollar Einnahmen. Unterm Strich rechnen die Wall-Street-Experten für 2002 mit einem Einbruch des Gewinns um mehr als ein Viertel gegenüber den Prognosen vor dem 11. September.

Eisner, lange Zeit Vorbild amerikanischer Manager, findet sich plötzlich unter denen wieder, deren Stern langsam, aber sicher verglüht. Dabei war er es, der das Unternehmen zu einem internationalen Machtzentrum der Unterhaltungswelt entwickelt hat. Vor zehn Jahren setzte Disney gerade einmal sechs Milliarden Dollar um. Unter Eisners Führung stieg der Kurs der Disney-Aktie von rund einem Dollar 1984 auf mehr als 43 Dollar zu Zeiten des Internetbooms im April 2000. Doch das ist Geschichte. Disney verlor seitdem die Hälfte ihres Wertes, rund 40 Milliarden Dollar, viel mehr als die Konkurrenten AOL Time Warner und Viacom.

Gleichzeitig zogen sich Verbündete Eisners zurück, die ihm in den vergangenen Krisen den Rücken freigehalten hatten. Disneys grösster Einzelaktionär, die Familie des texanischen Milliardärs Sid Bass, geriet wegen der fallenden Aktienkurse in einen Liquiditätsengpass und musste 135 Millionen seiner Anteilscheine am Unternehmen verkaufen. Eisner versuchte den ehemaligen Disney-Grossaktionär Warren Buffett zum Kauf zu bewegen. Doch der für seinen guten Riecher bekannte Anlageguru lehnte ab. Das Unternehmen war gezwungen, 50 Millionen Aktien selbst zu kaufen.

Aus eigener Kraft konnte der Konzern den Kauf nicht stemmen. Er musste sich erneut verschulden. Flugs stuften die Ratingagenturen die Bonitätsbeurteilung von Disney herab. Sie hatten den Unterhaltungskonzern ohnehin im Visier, da die Schulden durch die gerade rechtskräftig gewordene 3,3 Milliarden Dollar teure Akquisition der Kabelfernsehsender von Fox Family gestiegen waren.

«Die schwache Wirtschaft wird weiter Druck auf Disneys Geschäftsbereiche ausüben», fürchtet Heather Goodchild, Kreditanalystin bei Standard & Poor’s. Gleichzeitig ist in diesem Jahr die Schuldenlast des Konzerns vom 1,9- auf das 3,2fache des Cashflows gestiegen. Die Cash-Knappheit heizt die Gerüchteküche an. Schon wird über Eisners Ablösung spekuliert. Und die Nachrichtenagentur Reuters schliesst das bislang «Undenkbare, eine Übernahme von Disney», schon nicht mehr aus.

Eisner macht gute Miene zu den bösen Gerüchten. Vom Börsencrash 1987 über den Golfkrieg bis hin zur Welle von Gewalt gegenüber Touristen in Florida sei Disney noch immer stärker aus Krisen hervorgegangen, ermutigt sich der Konzernchef. «Die Frage ist nicht, ob der Turnaround bei Disney kommt, sondern allenfalls, wann», beteuerte Disneys zweiter Mann, Robert Iger, auf einer Investorenkonferenz von Goldman Sachs.

Doch Iger weiss auch: «Im Anzeigenmarkt gibt es keine sichtbaren Anzeichen einer dauerhaften Erholung.» Lehman-Brothers-Analyst Stuart Linde fürchtet, dass «die Werbeausgaben zum ersten Mal in der Geschichte in zwei aufeinander folgenden Jahren sinken» werden. Das Kabel- und Fernsehgeschäft trägt 36 Prozent zum Konzernumsatz bei.

Auch bei den Vergnügungsparks (26 Prozent des Umsatzes) bleibt den Disney-Managern kaum Handlungsspielraum. «Die Freizeitparks hatten wegen der schwachen Konjunktur bereits erhebliche Sparmassnahmen eingeleitet», betont Morgan-Stanley-Analyst Bilotti. «Es wird deshalb schwer, die Kosten weiter zu senken. Die Umsatzausfälle werden deshalb voll auf die Gewinnsituation durchschlagen.» Besonders hart betroffen ist Disney World in Orlando. Kaum jemand registrierte, dass Mickymaus & Co. am 1. Oktober die Feiern zum 100. Geburtstag von Walt Disney starteten. Nach dem Anschlag stabil blieben die Besucherzahlen im Euro Disney bei Paris. Dennoch sank der Gewinn im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr um 21 Prozent auf 30,5 Millionen Euro.

In den vergangenen zehn Jahren hat Disney zwar die Zahl der eigenen Hotelzimmer in Florida verdoppelt und damit den Anteil am Budget der Besucher, gestiegen sind aber auch die Fixkosten des Konzerns. Das Investmenthaus Lehman Brothers rechnet trotz teurem Marketing damit, dass die Besuchereinnahmen in den Parks um mindestens acht Prozent sinken. Und das obwohl zwei neue Einnahmequellen hinzukommen: der gerade erst eröffnete Disney Sea Park in Tokio sowie im Frühjahr 2002 die Disney-Studios in Paris.

Der 59-jährige Eisner hofft deshalb auf die drittgrösste Einnahmequelle seines Konzerns. Anfang November startete Disneys neuer Zeichentrickfilm «Monsters, Inc.». Mit Einnahmen von 63,5 Millionen Dollar am Startwochenende legte der Streifen einen Rekord in der Kategorie Zeichentrickfilm hin. In den Regalen liegen bereits die passenden Monsterprodukte von Mattel und Kellogg’s.

Ob ausgerechnet eine Comic-Figur, die aussieht wie eine grüne, einäugige Kartoffel mit Armen und Beinen, Eisner retten kann, entscheidet sich im März kommenden Jahres. Dann wird wohl zum ersten Mal der Oscar in der Kategorie Animation vergeben.
Partner-Inhalte