Am Wochenende drohte UBS-Chef Sergio Ermotti erneut mit einem Wegzug der Bank ins Ausland. Dass die UBS in der Schweiz bleibe, sei nicht garantiert, sagte der Tessiner zum «Matin Dimanche». «Ich bin Schweizer, ich will, dass die UBS in der Schweiz bleibt. Doch nichts ist zu 100 Prozent sicher.» Der Bankchef wollte dies als Warnung vor zu viel Regulierung in der Schweiz verstanden wissen – bereits Anfang Oktober hat er in einem Interview die Sitzverlegung zum Thema gemacht.
Viele Beobachter und Experten bringt Ermotti damit gegen sich auf. Handelszeitung.ch hat sich mit Experten über drei wichtige Fragen unterhalten, die sich aus Ermottis Aussagen stellen:
Kann die UBS tatsächlich ihren Sitz verlegen?
Für Bankenanalyst Andreas Brun von Mirabaud Securities Limited ist dieser Schritt «undenkbar». «Für die Bank steht viel zu viel auf dem Spiel.» Die UBS werde weltweit als Schweizer Bank wahrgenommen und profitiere als weltweit grösster Vermögensverwalter vom guten Ruf des Landes – eine Sitzverlegung würde diesen Vorteil der UBS gefährden, sagt Brun. «Die Schweiz ist in der DNA der UBS.»
Zudem ist der Heimmarkt Schweiz für die UBS sehr wichtig – und hierzulande würde eine Sitzverlegung sicher für einen Aufschrei sorgen. Brun erinnert an den Versuch der UBS, gewisse Dienstleistungen für institutionelle Anleger von Luxemburg aus anzubieten. Die Bank machte die Verlagerung kürzlich rückgängig – vermutlich auf Druck von Schweizer Pensionskassen.
Der Finanzexperte Martin Janssen hält es hingegen nicht für ausgeschlossen, dass die UBS tatsächlich ihren Sitz verlegt. Der Grossteil des Geschäfts und auch die meisten Arbeitsplätze würden dennoch in der Schweiz bleiben, glaubt der emeritierte Zürcher Bankenprofessor. Die UBS könne auf die Schweizer Standortvorteile nicht verzichten. Deswegen würde die UBS unabhängig vom Standort ihres Hauptsitzes als Schweizer Bank wahrgenommen, so Janssen.
Wie stark würde die UBS von einem ausländischen Sitz profitieren?
Sergio Ermotti warnt vor einer zu strengen Bankenregulierung in der Schweiz. Der UBS-Chef zielt damit wohl vor allem auf die neuen Kapitalvorschriften ab. In der Schweiz müssen die beiden Grossbanken wegen des «Swiss Finish» ihre Geschäfte mit mehr Kapital absichern als ausländische Wettbewerber.
Den Sitz zu verlegen wäre für die UBS aber kein Befreiungsschlag. Für alle Schweizer Aktivitäten würden weiterhin die Schweizer Vorgaben gelten – die UBS würde also weiterhin grösstenteils hierzulande reguliert. Hinzu kommt, dass nach der Finanzkrise die Vorschriften für Grossbanken weltweit verschärft würden – auch im Ausland wäre die UBS mit strengen Vorgaben konfrontiert.
Gering sind auch die anderen Vorteile. Um vom tieferen Lohnniveau im Ausland zu profitieren, muss die UBS nicht den Sitz verlegen. Schon heute hat die Bank viele Aktivitäten ins Ausland verlagert. Und auch der Zugang zum europäischen Markt ist für die UBS gesichert, dafür hat die Bank unter anderem mit ihrem neuen europäischen Sitz für das Vermögensverwaltungsgeschäft in Frankfurt vorgesorgt.
Was ist von Ermottis Wortmeldung zu halten?
Finanzexperte Andreas Brun von Mirabaud Securities Limited hat Verständnis für Ermottis Aussagen. Es sei ein «Warnschuss», Ermotti fordere lediglich gleich lange Spiesse wie Konkurrenten wie die britische HSBC oder die französische Société Générale. «Ermotti muss die Interessen der Aktionäre und Mitarbeiter vertreten.» Auch der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger kann Ermottis Gang in die Öffentlichkeit nachvollziehen. Denn der Grund für seine Wortmeldung ist klar: Der Tessiner will den Druck auf die Finanzaufsicht erhöhen.
Wenig Verständnis für die Wortmeldung hat hingegen Martin Janssen. «Damit verärgert er nur die Bevölkerung und die Regulatoren.» Um vor zu viel Regulierung zu warnen, müsse Ermotti nicht in die Öffentlichkeit, findet der Ex-Bankenprofessor: «Er kann ja das direkte Gespräch mit den Regulatoren suchen.» Falls die UBS tatsächlich ihren Sitz verlegt, würde die Staatsgarantie zur Diskussion stehen. Das wäre für die Schweiz nicht schlecht, sagt Janssen. «Für dieses andauernde Risiko wird die Bevölkerung weiterhin nicht entschädigt.»
Sehen Sie im Video, was Sergio Ermotti über sein Salär denkt: