Klimaschutz ist endlich in aller Munde. Bislang mündete das vorhandene Problembewusstsein eher selten in eigene konkrete Handlungen. Seit dem Hitzesommer 2018, dem versenkten CO2-Gesetz und vor allem seit der #FridaysforFuture-Bewegung wird der Druck der Strasse auf die Entscheidungsträger erhöht.

Gleichzeitig wollen viele Menschen selber handeln. Ein Bereich steht dabei symbolisch für das klimaschädliche Verhalten von uns allen: das Fliegen. Nicht zu Unrecht, denn der Flugverkehr ist ein klarer Verursacher von CO2-Emissionen. Ein Flug von Zürich nach New York (hin und zurück, Economy) verursacht rund zwei Tonnen pro Person – mehr, als Sie pro Jahr eigentlich verursachen dürften, um den Klimawandel aufzuhalten.

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20 Prozent mehr CO2 vom Fliegen

Begriffe wie «Flugscham» machen die Runde. Reiseanbieter verspüren Buchungsrückgänge. Der Flughafen Zürich vermeldet deutlich weniger Flüge. Fluggesellschaften wie Edelweiss bieten die CO2-Kompensation im Buchungsprozess an. Reisen werden bewusster geplant. Unvermeidbare Flüge werden viel häufiger über Myclimate kompensiert.

Aus Sicht des Klimaschutzes sind das sehr begrüssenswerte Entwicklungen. Sie dürfen uns aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die Herausforderung vielschichtiger ist. Der Flugverkehr trägt einen kleineren, wenngleich wachsenden Teil zu den globalen CO2-Emissionen bei. In der Schweiz liegt dieser Anteil deutlich höher.

Beim Heizen schrumpft der Anteil

Der Flugverkehr steuert zehn Millionen Tonnen CO2 bei. Verglichen mit dem Schweizer Treibhausgasinventar, in dem diese Emissionen nicht erfasst werden, ist dies ein Plus von 20 Prozent. Um unsere Klimaziele zu erreichen, reicht eine alleinige Fokussierung aufs Fliegen aber nicht aus. Andere Bereiche sind ebenso grosse CO2-Produzenten. Da ist der Verkehrssektor inklusive der Transporte. Dieser macht rund 32 Prozent der Emissionen im Treibhausgasinventar der Schweiz aus – und, vor allem, er wächst. Der Bereich Gebäude, also die Privathäuser und Firmengebäude, wo die Emissionen beim Heizen und Kühlen entstehen, macht 27 Prozent aus.

Immerhin: Dieser Anteil schrumpft. Trotz sinkender Tendenz läuft die Dekarbonisierung immer noch viel zu langsam. Landwirtschaft und Ernährung, Industrie, Produktion und der Konsum tragen alle wesentlich zur Schweizer Klimabilanz bei. Die gute Nachricht ist: Es gibt Lösungen – effizientere, intelligentere Systeme und umweltfreundliche Innovationen. Der Markt dafür wächst nun rasant. Jetzt notwendige Umsteuerungen vorzunehmen, hat nichts mit «den Musterknaben spielen» zu tun. Es lohnt sich: für das Klima, aber auch für die eigene Positionierung am Markt.

Stephen Neff

Stephen Neff ist CEO der Stiftung Myclimate, die sich für Klimaschutzprojekte einsetzt und Produkte zur Kompensation von Treibhausgasemissionen anbietet.

Quelle: ZVG

Bürger müssen gezwungen werden

Noch sind Entscheide für mehr Klimaschutz freiwillig. Zwangsläufig werden aber auch Rahmenbedingungen vorgegeben werden (müssen). Beispiele für durch Bürgerengagement angestossene Erfolgsgeschichten für Umwelt und Wirtschaft, die zu sinnvollen Regulierungen führten, gibt es. Denken Sie darüber nach, wenn Sie demnächst ein Bad in einem Schweizer See oder Fluss nehmen oder wenn Sie Ihren Kehrichtsack entsorgen: Auch gegen Abwasser- und Abfallregulierung gab es Widerstände.

Heute stehen sie ausser Diskussion und haben einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Schweizer Unternehmen in dieser Sparte Weltruf geniessen. Flüge werden weiterhin eine wichtige Rolle im persönlichen und kulturellem Austausch und für die veränderte Lebenssituation von Familien spielen. Hier ist individuelle Verantwortung gefragt. Wir müssen uns verantwortungsbewusst verhalten. Wir müssen Klimaschutz in Wirtschaft und Gesellschaft wirksam angehen, uns dabei aber auch unvoreingenommen über Regeln, Kostenwahrheit und Verantwortlichkeit unterhalten.