Isar Aerospace will es mit SpaceX, dem Raumfahrtkonzern von E-Auto-Pionier Elon Musk, aufnehmen. In knapp zwei Jahren soll die deutsche Rakete erstmals abheben. Für den Flug setzt das Münchner Unternehmen auf den «9plus1»-Antrieb.
Als Elon Musk im Jahr 2002 das Unternehmen SpaceX gründete, fing er klein an. Inzwischen gehört sein Raumfahrtkonzern zu den Taktgebern der gesamten Branche. Diese Entwicklung würde man sich sicher auch beim jungen deutschen Raketenunternehmen Isar Aerospace Technologies wünschen.
Jungunternehmer mit grossen Ambitionen
Wer sich mit Daniel Metzler, einem der Gründer, unterhält, hört zwar Respekt für den grossen US-Raketenkonzern heraus. Der 27-jährige Metzler wagt allerdings auch eine ambitionierte Aussage: «Wir werden bei den Startkosten für kleine Satelliten so wettbewerbsfähig wie SpaceX sein», sagt er im Gespräch mit WELT. Ende 2021 soll erstmals die deutsche Rakete mit dem Namen Spectrum abheben und den Weltraum erreichen.
Das 2018 gegründete Raketenunternehmen mit Sitz in Gilching bei München und inzwischen rund 20 Beschäftigten will von der Aufbruchstimmung in der Raumfahrt profitieren. Weltweit sehen immer mehr Firmen unter dem Schlagwort «New Space» ein Zukunftsgeschäft rund um Raketen und Satelliten.
Profitieren vom Trend zu Kleinsatelliten
Neben den Schwergewichten Airbus, Safran, OHB und Thales in Europa wollen auch Klein- und Mittelbetriebe mit Spezial-Know-how ein Stück vom Kuchen haben. Dabei profitieren viele Unternehmen vom Trend zu Kleinsatelliten, die nur mehr die Grösse eines Schuhkartons haben oder noch kleiner sind.
Zudem gibt es Pläne für Satellitenkonstellationen mit Hunderten oder Tausenden kleinerer Satelliten, etwa für einen weltweiten Internetzugang aus dem All.
Die Deutschen sind nicht teurer als SpaceX
Auf diesen Trend zu kleineren Satelliten und vernetzte Schwärme im All setzt Isar Aerospace. «Es gibt bislang etwa 120 Projekte für Satellitenkonstellationen», sagt Metzler. Dazu müssten die Satelliten zielgenau in die Umlaufbahn gebracht werden.
Eine Marktnische, die das Unternehmen besetzen will. Der Startpreis pro Kilo Satellit liege mit grob 15'000 Euro auf dem Niveau der jüngst von SpaceX veröffentlichten Preisliste für Kleinsatellitenstarts. Bei dem US-Unternehmen werden sie in der Regel aber nur als Mitfluggelegenheit neben grösseren Satelliten untergebracht. Nach der Devise: Da wäre noch ein Plätzchen frei.
Weltweit gibt es 75 Projekte für Kleinraketen
Das deutsche Unternehmen will zudem auch billiger als andere neue Startanbieter für Kleinsatelliten (Microlauncher) sein. Experten sprechen von weltweit 75 Projekten für Kleinraketen, die meisten noch in der Konzeptphase. Ein Konkurrent ist beispielsweise das junge US-Unternehmen Rocket Lab, das bereits Raketen in Neuseeland startet.
China hat soeben auch einen neuen Raketentyp (Smart Dragon 1) für Kleinsatelliten erprobt. In Europa gibt es auch noch weitere Ideen für kleine Raketen, etwa vom spanischen Unternehmen PLD Space (Arion-Rakete).
Die Gründer geben sich wortkarg
Isar-Aerospace-Geschäftsführer Metzler geht mit den Details seiner 27 Meter hohen, zweistufigen deutschen Rakete daher sparsam um. Die Konkurrenz soll nicht zu früh wissen, was geplant wird. Einiges erinnert an SpaceX – allerdings um viele Klassen kleiner. Geplant sind neun Triebwerke (Bezeichnung Aqulia) in der ersten Stufe und ein Triebwerk in der zweiten Stufe.
Ein Aufbau wie bei der viel grösseren Falcon 9 von SpaceX. Die Triebwerke sollen hochmodern im Drucker entstehen, Experten sprechen von additiver Fertigung. Die Nutzlast soll bis zu einer Tonne für eine niedrige Umlaufbahn (LEO) betragen. Zum Vergleich: Eine Falcon 9 kann fast 23 Tonnen in diese Umlaufbahn wuchten, ist also um Dimensionen grösser.
Vieles bleibt nebulös
Die Gründer von Isar Aerospace, neben Daniel Metzler noch zwei weitere Studienkollegen der TU München, haben bereits Triebwerkstests durchgeführt. Vieles bleibt noch nebulös. So heisst es nur, dass als Treibstoffe flüssiger Sauerstoff und «leichter Kohlenwasserstoff» verwendet werden soll, was auf flüssiges Methan hindeutet.
Diesen Mix nutzt auch Elon Musk bei seinem Raptor-Triebwerk, das in Kürze in einem Versuchsträger (Starhopper) einen 200 Meter hohen Hüpfer absolvieren soll. Das Raptor-Triebwerk soll auch die Superrakete Starship mit Platz für 100 Astronauten antreiben, für Flüge zum Mond oder Mars.
Eine US-Elitetruppe ist die Feuerwehr fürs All
Isar Aerospace kann nicht in diesen Dimensionen planen. Zum Startplatz heisst es nur, dass er nicht in Deutschland liegen wird. Es gäbe Startmöglichkeiten in Europa, womit wohl Schweden und Schottland gemeint sind. Zu den Unwägbarkeiten gehört auch die Finanzierung.
Metzler schätzt die Gesamtkosten auf rund 100 Millionen Euro. Zu den Gesellschaftern gehört beispielsweise der Ex-SpaceX-Ingenieur Bülent Altan mit einem Wagniskapitalfonds sowie der Risikokapitalfonds Vito Venture des deutschen Heizungsbauers Viessmann. Unterstützung kommt auch von der europäischen Weltraumagentur ESA und dem Land Bayern.
Der Ritterschlag durch Airbus
Jüngst hat Isar Aerospace jedoch eine Art Ritterschlag erhalten. Das Branchenschwergewicht Airbus hat eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) mit dem Jungunternehmen für den Start von Kleinsatelliten geschlossen.
Airbus ist zwar sonst am Bau der grossen europäischen Ariane-Rakete beteiligt. Für den Markt für Raketen für Kleinsatelliten, die kurzfristig verfügbar sind, sieht Airbus dennoch eine Lücke und will das Angebot nutzen. «Wir sehen uns als Ergänzung zur Ariane-Rakete», sagt Metzler.
Der Fokus liegt auf dem Raketenbau
Zunächst konzentriert sich Isar Aerospace darauf, die Rakete zu entwickeln. Geschäftsführer Metzler will nicht ausschliessen, dass später auch das Thema Wiederverwendbarkeit auf die Tagesordnung kommt. Bislang ist SpaceX einziger Anbieter für Recyclingraketen.
Die deutsche Rakete soll jedenfalls Weltraummüll vermeiden. Die Trennung der Stufen im All soll ohne die sonst übliche Absprengung von Haltevorrichtungen oder Verkleidungen erfolgen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der «Welt» unter dem Titel: «Diese deutsche 27-Meter-Rakete soll Elon Musk Konkurrenz machen».