WAR FOR TALENTS. Durchziehen oder sausen lassen? Wer einen Studien-abbruch ins Auge fasst, tröstet sich möglicherweise damit, dass er sich in bester Gesellschaft befindet: So Erfolgreiche wie Bill Gates, Madonna, Reinhold Messmer und Michael Dell haben sich ebenfalls gegen das Studium entschieden. Lassen nicht ohnehin die steigende Titelflut und ein inflationäres Angebot an Abschlüssen, Studienrichtungen und Lehrgängen den Wert der Bildung sinken? Schliesslich wird auf dem Arbeitsmarkt der Kampf ja um Talente geführt, nicht um Abschlüsse. Oder?

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Studienabbrecher als Zielgruppe

In Deutschland versorgt die deutsche Plattform «Studienabbrecher.com» die jährlich rund 70000 Abbrecher eifrig mit Trost, Literaturtipps, guten Ratschlägen und sogar Kontakten zu Unternehmen. «Für viele Firmen sind Studienabbrecher interessante Anwärter für zu besetzende Stellen, da sie meist sehr motivierte und qualifizierte junge Leute sind», behaupten die Betreiber, die auf die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit zählen können. Als Interessenten präsentieren sich auf der Homepage etwa die Deutsche Bahn AG, die Abbrecher mit einer dreijährigen Ausbildung in die firmeneigenene Berufsakademie lockt, oder das Versandhaus Otto, das mit einem Ausbildungsvertrag und der Übernahme sämtlicher Studiengebühren winkt.Eine nicht repräsentative Umfrage der «Handelszeitung» unter Schweizer Unternehmen zeigt jedoch klar: Der War for talents wird um die erfolgreichen Studienabsolventen, nicht um die Abbrecher geführt. Bei der unter Studenten beliebten Boston Consulting Group etwa klopfen Letztere umsonst an: «Wir setzen für den Festeinstieg den Abschluss eines Hochschulstudiums voraus», heisst es klipp und klar aus der Rekrutierungsabteilung. Die Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young und PricewaterhouseCoopers geben sich ähnlich kompromisslos: «Wir stellen praktisch keine Studienabbrecher ein», heisst es übereinstimmend. Als Erklärung für die restriktive Haltung nennen Barbara Aeschlimann, Head of HR bei Ernst & Young, und Stephan Peterhans, Territory HC Leader Switzerland der PricewaterhouseCoopers AG, die branchenüblichen weiterführenden Ausbildungen wie etwa diejenige zum eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer, die ein abgeschlossenes Studium voraussetzt. Zudem seien sie ihren Kunden gegenüber zur Einhaltung von Standards verpflichtet, also auch zur Einhaltung von Ausbildungsstandards. Hermetisch verschlossen sind die Türen beider Unternehmen jedoch nicht. Potenziell interessante Bewerber würden individuell betrachtet – aber eben auch sorgfältig geprüft. «Die Auswahl ist sehr streng», bestätigt auch Alexander Senn, Leiter HR Marketing bei KPMG. «Wir bieten in vielen Bereichen Stellen an und suchen deshalb sehr individuell nach der richtigen Person für die jeweilige Stelle. Jemand, der ein Studium abbricht, muss von seiner Motivation und von der Persönlichkeit her überzeugen.» Wenn dies der Fall ist, bietet KPMG Abbrechern praxisorientierte Entwicklungsmöglichkeiten an. So kann der Weg zum diplomierten Wirtschaftsprüfer über den eidgenössischen Fachausweis führen.

Industrie und Banken offen

Grundsätzlich interessiert zeigen sich dagegen Banken und Industriebetriebe. Schliesslich verfügten Studienabbrecher in jedem Fall über eine Matur und damit in der Regel über eine gute Allgemeinbildung. Bei der UBS etwa stehen Abbrechern die gleichen Ausbildungen offen wie Maturanden. Über das 18 Monate dauernde Allroundpraktikum kann so der Berufseinstieg gelingen. Die Zürcher Kantonalbank hat nach Auskunft des Pressesprechers Christian Felix sogar gute Erfahrung mit Studienmüden gemacht: «Unsere Praktika werden nicht selten als Plattform für eine Neuausrichtung genutzt. Manch einer gewinnt dadurch Selbstvertrauen und fasst neuen Mut für ein Studium.» Auch bei der IBM ist ein abgebrochenes Studium an sich kein Hinderungsgrund für eine Anstellung: «Wenn der Kandidat nachvollziehbare Gründe für den Abbruch angibt und auch ansonsten überzeugt, ist eine Anstellung möglich», weiss Susan Orozco, Pressesprecherin von IBM.Im Gespräch mit Personalverantwortlichen vieler Unternehmen wird deutlich: Kaum jemand betrachtet Studienabbrecher prinzipiell als Versager. Zu bedenken geben sie auch, dass die Bedeutung des Hochschulabschlusses als Einstellungskriterium unter anderem von der Arbeitsmarktsituation abhängt. Ein Abschluss ist einem Abbruch also in jedem Fall vorzuziehen, zumal seit der Bolognareform das Grundstudium ohnehin nur zweieinhalb Jahre dauert.

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