Funktionelle Gebrauchsgegenstände wie Toilettenartikel bildeten von Anfang an Teil des Verkaufssortiments von Cartier. Dazu gehörten Ende des 19. Jahrhunderts silberne Rasierpinsel, Silberspiegel, Schnurrbartkämme, Bartbürsten und Puderschachteln. Den ersten Parfumbehälter kreierte der leidenschaftliche Ästhet Louis Cartier 1908 in Paris. Cartiers signierte Flakons waren als Parfumobjekte für seltene Essenzen bestimmt, die die damalige Oberschicht aus Russland und dem Orient importierte.
Passend zum wertvollen Inhalt
Die edlen Düfte waren seit jeher mit einem künstlerischen Ehrgeiz verpackt worden, der dem kostbaren Inhalt entsprach. Noch im 16. und 17. Jahrhundert war es Sache der Gold- und Silberschmiede, Duftflaschen aus Edelmetall zu kreieren. 1850 verwendete der Pariser Parfumeur Guerlain erstmals einen Kristall-Flakon, den die lothringische Manufaktur Baccarat nach seinen Angaben schliff.
Seit den 1930er Jahren pflegte Cartier verschiedentlich Kontakte zu Kosmetikfirmen. 1935 patentierte die Luxusmarke eine Lippenstifthülse und stellte Puderdosen und Flakons her. Parfumeure, Couturiers und Juweliere verfolg(t)en oft gemeinsame Ziele. Was lag für Cartier also näher, als nach dem Vorbild seines Konkurrenten Lacloche eine eigene Duftnote zu kreieren?
Schmuck, Uhren und Parfums
Hinter dem Projekt, das jedoch vom Zweiten Weltkrieg gestoppt wurde, stand Jeanne Toussaint, damals die treibende Kraft bei Cartier. 1938 trat sie in Verbindung mit dem Parfumeur Pinaud; im gleichen Jahr meldete Cartier den Markennamen «Parfums Cartier» an. Namen berühmter Edelsteine wie «Nassak» und «Cumberland» wurden ins Auge gefasst. Der gleichzeitig von Cartier verkaufte Jubilee-Diamant ergab den Umriss eines Parfum-Flakons, das jedoch nie ausgeführt wurde. Bis zum ersten eigenen Cartier-Duft dauerte es noch einige Jahrzehnte.
Parfums und ihre Namen sind zu Meilensteinen unserer Zivilisation geworden, sie spiegeln eine ganz Epoche wider. Düfte wie «No. 5» von Chanel (1921) oder «Arpège von Lanvin (1927) waren während Jahrzehnten auf dem Markt und prägten den Geschmack ganzer Generationen.
Doch die moderne Parfumerie ist schnelllebig geworden. Seit den 1970er Jahren findet eine wahre Explosion an duftenden Trends statt; die zunächst rund 200 geschützten Namen haben sich seither vervielfacht. Heute, wo jede Berühmtheit ihren eigenen Duft auf den Markt wirft, ist es in der Überfülle des Angebots schwierig geworden, Meilensteine auszumachen. Viele Düfte verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind, nur wenige werden Klassiker.
«Must» bleibt Cartiers Klassiker
Ein solcher Evergreen ist «Must de Cartier», ein Duft, den Cartier 1981 als erstes eigenes Parfum kreierte. Bis heute steht dieser Name wie kein anderer für das Haus Cartier. Es war zugleich das erste Parfum, das mit seinem nachfüllbaren Schmuckflakon aus goldenem Metall wie ein Schmuckstück konzipiert war. Noch im gleichen Jahr folgte mit «Santos» das erste Männerparfum.
«Roadster» – betont männlich
Sechs Jahre später kam «Panthère de Cartier» auf den Markt. Das Design des Flakons orientierte sich an der Pendule Mystérieuse «Aux deux panthères» und huldigte damit zugleich der emblematischen Raubkatze, dem traditionellen Symbol Cartiers.
Von da an ging es Schlag auf Schlag: 1992 folgte mit «Pasha» der zweite Männerduft, 1995 kam «So pretty», 1998 das würzig-holzige Parfum «Déclaration» und im Jahr 2000 mit «Must pour homme» erneut ein Männerduft ins Verkaufsregal. Auf das sinnliche leichte «Eau de Cartier» (2001) folgte das schwere und betörende «Le Baiser du Dragon» (2004); zwei Jahre später wurde das üppig-fruchtige «Délices de Cartier» (2006) lanciert, zu dem inzwischen eine ganze Pflegelinie gehört.
Als neuester Streich wurde diesen September «Roadster» lanciert, eine traditionell männliche Fougère-Note mit einem neuen, «mineralen» Akkord. Der klare, strukturierte Duft huldigt der männlichen Leidenschaft für schnelle Autos. Der extravagante Flakon, der liegend aufbewahrt besonders gut zur Geltung kommt, ist inspiriert von der imposanten Karosserie eines Roadster und von der Cabochon-Krone der Roadster-Uhr. Das massive Glas, kombiniert mit einer Haube aus Metall und einem Kautschukring (siehe unten rechts), präsentiert sich als betont männliches Design.
Duftendes Phantombild
Man stelle sich vor: Ein Parfum, das ausschliesslich von einem selbst getragen wird und perfekt die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. Dieser ultimative, exklusive Luxus lässt sich an der legendären Adresse 13 Rue de la Paix in Paris verwirklichen, wo sich Cartiers Salon für Parfums befindet. Im Herzen dieses Hauses wurde seit Beginn die Kunst gepflegt, die Kundschaft in – später legendär gewordenen – Privatgemächern zu empfangen. Diese Salons erhielten im Laufe der Jahrzehnte eigene Namen wie «Salon Jeanne Toussaint», «Salon des perles» oder eben «Salon des parfums».
Solvente Kunden und Kundinnen, die das Besondere lieben, können hier selbst nach individuellen Wünschen ein eigenes Parfum kreieren. Es versteht sich, dass der beträchtliche Aufwand seinen Preis hat: Für die Kreation eines privaten Dufts muss man mindestens rund 100000 Fr. hinblättern.
Der Duft wird im Dialog mit Mathilde Laurent geschaffen, der Parfum-Kreateurin Cartiers. Die Kunden bringen ihre Visionen ein, Laurent ihre Erfahrung und Interpretationen. Laurent notiert sich ihre Vorstellung von Grundsubstanzen. Da gibt es bekannte Düfte wie jene von Sandelholz, von Kümmel oder Amber. Und es gibt solche, die erst erfunden werden müssen. Soll es ein Parfum für den Tag oder den Abend sein? Soll das Parfum gefallen oder überraschen? Ist Harmonie oder Dissonanz gefragt? Laurent selbst sagt über ihre Arbeit: «Wenn ich ein Parfum komponiere, vergesse ich nie, dass es zum Markenzeichen der Person wird, die es trägt, dass es ihr duftendes Phantombild wird.»
Flakon mit Edelsteinen
Für Laurent besitzt ein Parfum den gleichen Stellenwert wie ein Schmuckstück. Die Geheimformel eines solchen nach Mass komponierten Parfums wird archiviert, wie es bei allen Spezialanfertigungen des Hauses geschieht. Auf diese Weise bleibt die Formel geheim und im Safe deponiert. Das Parfum kann von niemandem anderen nachbestellt werden als vom Inhaber oder der Inhaberin selbst.
Jedes der Parfums erhält ein kostbares Flakon aus Baccarat-Kristall in Breitlippenschliff, mit goldberingtem Stöpsel und dem Haussiegel «13 Rue de la Paix» versehen. Auf Wunsch sind auch hier Massanfertigungen möglich: So machen auf Geheiss edelsteinverzierte Schlangen, Panther oder Drachen, die auf berühmte Schmuckkollektionen des Hauses verweisen, aus dem Flakon ein wertvolles Schmuckstück. Die Preise für die individuell angefertigten «Flacons joaillaires» werden nur auf Anfrage bekannt gegeben, können aber schnell gegen die Millionenlimite gehen. Wer es dezenter mag, lässt den Baccarat-Flakon mit seinem Monogramm oder einem Muster gravieren. Oder den Goldrahmen mit einigen Brillanten versehen.