Russland hat einst mit Hunden getestet, ob sie Flüge in den Weltraum überleben. Gut 60 Jahre ist das her, und die Hündin Laika überlebte als erstes Lebewesen im All diesen Flug nicht. Inzwischen gibt es andere Methoden, um zu erforschen, ob ein Mensch in einer Kapsel einen Raumflug überstehen würde.
Der Unternehmer Elon Musk hat jetzt eine mit Sensoren gespickte, lebensgrosse Puppe in einen Raumanzug gesteckt und zur «Internationalen Raumstation» (ISS) geschickt. Die Puppe sitzt in seiner neuen Kapsel «Crew Dragon», mit der Musk jetzt erneut Weltraumgeschichte schreibt.
Ein schwieriges Manöver
Mit «Crew Dragon» hat erstmals eine von einem Privatunternehmen gebaute Astronautenkapsel automatisch an der «ISS» angedockt. Das technisch sehr anspruchsvolle Manöver funktionierte gleich beim ersten Versuch. Klappt in ein paar Tagen auch noch die Rückkehr der Kapsel zur Erde samt Landung im Atlantik, wäre auch der Weg für die bemannte private Raumfahrt frei. Bisher liefern die Privaten nur Satelliten oder Fracht ins All.
Musk, der auch an der Spitze des E-Autoherstellers Tesla steht, befreit die USA damit von der Schmach, bei Astronautenflügen ins All auf Russland angewiesen zu sein. Seit dem Ende der Spaceshuttle-Flüge vor acht Jahren konnte letztlich Moskau bestimmen, wer zur «ISS» fliegt. Russland kassierte auch für die Flüge – zuletzt gut 80 Millionen Dollar pro Astronaut.
Fördergelder für US-Firmen
Nach dem Ende der Spaceshuttle-Missionen 2011 hatte die Nasa private Unternehmen aufgefordert, diese Schwäche im Raumflugtransport der USA zu beenden. Mit Fördergeldern und Aufträgen der US-Weltraumbehörde in Milliardenhöhe starteten Elon Musks Raumfahrtfirma SpaceX sowie Boeing einen Wettkampf um den Bau einer neuen US-Astronautenkapsel. Dabei liegt Musk jetzt an der Spitze. Boeing will etwa im April/Mai nachziehen und seine neue Kapsel «Starliner» im All testen.
Ist die Raumfahrt wirklich das viele Geld wert? Treten jetzt keine Probleme bei der fünftägigen Testmission von SpaceX auf, könnte noch im Sommer tatsächlich eine bemannte «Crew Dragon»-Kapsel zur «ISS» starten. Zwei Astronauten stehen dafür schon fest: Doug Hurley und Bob Behnken. Sie beobachteten im Kennedy Space Center in Florida den Start der Rakete. Hurley hat viel Erfahrung. Er war mit anderen Astronauten an Bord der letzten Raumfähre, die 2011 zur Erde zurückkehrte.
Ein altes Konzept
Im Gegensatz zu den beengten Sojus-Kapseln der Russen oder der früheren Apollo-Kapsel für drei Astronauten bietet die knapp fünf Meter hohe «Crew Dragon»-Kapsel Platz und moderne Technik. Die Kapsel ist in vielerlei Hinsicht einzigartig und chic gestaltet. Beispielsweise hat sie ein integriertes Raketenrettungssystem.
Das Konzept stammt noch aus früheren Überlegungen, die Kapsel bei der Rückkehr aus dem Weltraum auf der Erde landen zu lassen – so wie die Russen. Schliesslich fiel dann doch die Entscheidung zur Wasserlandung wie bei früheren Apollo-Missionen.
Theoretisch könnten bis zu sieben Menschen in der Kapsel mitfliegen. Doch bei der ersten Testmission ist nur ein Sitz belegt – von der Technikpuppe im Raumanzug. Zudem flog noch ein kleines, nicht befestigte Plüschfigur mit, um auf Filmaufnahmen zu belegen, wann die Schwerelosigkeit einsetzt.
Die Testpuppe trägt den Namen Ripley
Elon Musk macht es Spass, bei Testmissionen auch Testpuppen mitfliegen zu lassen. Als vor fast genau einem Jahr seine Schwerlastrakete «Falcon Heavy» erstmals abhob, schickte er als Nutzlast einen roten Tesla-Rover auf eine unendliche Reise in den Weltraum, vorbei am Planeten Mars. Auf dem Sitz des roten Sportwagens montierte er die Testpuppe Starman.
Nun also wieder eine Technikpuppe im Raumanzug, der Musk diesmal den Namen Ripley gegeben hat. Es ist eine offensichtliche Anspielung auf die berühmten «Alien»-Filme von 1979 mit der Astronautin Ellen Ripley. Die SpaceX-Rakete Falcon 9 brachte die «Crew Dragon» vom Kennedy Space Center in Florida in rund 27 Stunden Flugzeit zur «ISS».
Ein Einblick in Musks Gefühlwelt
Tatsächlich äusserte sich Musk kurz nach dem Start der Falcon-Rakete von Florida mit der Bemerkung, dass es schön sei zu sehen, wie frühere Science-Fiction-Darstellungen langsam Realität würden. Zu Aliens, also fremden Lebewesen, sagte er nichts. Dafür gab er einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt. «Offen gesagt, ich bin ein bisschen emotional erschöpft», sagte er morgens um vier Uhr auf der Pressekonferenz. Die Vorbereitungen seien sehr stressig gewesen.
Zu den gefährlichsten Phasen der Mission gehöre der erst noch anstehende Wiedereintritt der Kapsel in die Erdatmosphäre mit dem anschliessenden Auslösen der Fallschirme und der Wasserlandung vor Florida. Dann verwies Musk auf die grosse Symbolkraft der Mission. SpaceX nutzt dieselbe Startplattform 39A in Cape Canaveral in Florida, von der auch die Apollo-Mondmissionen und die Spaceshuttle-Flüge gestartet sind.
Musk würde gerne den Mars besiedeln
Mit den bevorstehenden bemannten Flügen seiner Kapsel «Crew Dragon» erreicht Musk mit seiner erst vor 17 Jahren gestarteten Firma SpaceX auch eine wichtige Etappe in der Unternehmensentwicklung. Der in Südafrika geborene Unternehmer kommt seinem Lebenstraum, den Mars zu besiedeln, wieder ein Stück näher, weil er über die Kapsel Erfahrung sammeln kann.
Musk schliesst nicht aus, dass «Crew Dragon» eines Tages auch kommerziell genutzt werden kann. Zunächst müssten aber die Nasa-Aufträge abgearbeitet werden.
Dieser Text erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Elon Musk erlöst die USA von ihrer grössten Schwäche in der Raumfahrt».