Niemand ahnt, dass der unauffällige Mann mit grauem Haar, blauem Hemd und blauer Krawatte Mister Jackpot ist. Keiner erkennt ihn, wenn er morgens vom Berner Seeland nach Basel zur Arbeit fährt. Er heisst Roger Fasnacht, ist 47 Jahre alt und seit 2006 Direktor von Swisslos, also der oberste Verkäufer von Sportwetten, Losen und Lottoscheinen. Alles, wo angekreuzt, gerubbelt, gerissen oder geraten wird, wandert in seine Kasse, weil Swisslos in der Deutschschweiz und im Tessin das Monopol hat. In der Westschweiz wird das Geschäft von der Schwesterorganisation Loterie Romande betrieben. Jährlich kommen fast 2 Mrd Fr. zusammen.

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«Man verkauft Hoffnung, im Wissen, dass diese Hoffnung nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit erfüllt wird», sagt der Mann. Beispiel Euro-Millions: Seit der Einführung in der Schweiz 2004 ging der Hauptgewinn durchschnittlich einmal pro Jahr in die Schweiz. Die Gewinnchance steht bei 1 zu 75 Millionen. Aber es ist genau die Aussicht auf diese verschwindend kleine Chance, die die Menschen in Scharen zu den Verkaufsstellen lockt.«Es ist eigentlich ein Raubzug aufs Portemonnaie, aber für einen guten Zweck», sinniert Fasnacht, obwohl 54% des Umsatzes zurück zu den wenigen glücklichen Gewinnern fliessen (siehe Grafik). Was ihm an seinem Job gefällt: Die Zockerei dient der Allgemeinheit. Rund 30% des Umsatzes gehen als Unternehmensgewinn an gemeinnützige Organisationen, vor allem in den Bereichen Sport und Kultur. Diese Woche konnte er für 2009 einen Rekordgewinn von 352 Mio Fr. verkünden, der nun durch die Kantone feinverteilt wird.

Kritik an Monopol-Gesetz

Die gesetzliche Grundlage für dieses lukrative Treiben der Monopolisten Swisslos und Loterie Romade findet sich im Lotteriegesetz von 1923. Das ist manch einem Liberalen ein Dorn im Auge, so etwa dem Zürcher FDP-Nationalrat Markus Hutter. Er möchte gleich lange Spiesse für alle und deshalb alle Geldspiele in ein und demselben Gesetz regeln, anders als heute, wo neben dem Lotteriegesetz seit 1998 für die Casinos ein separates Spielbankengesetz gilt. Aber die Politik werkelt auf zwei getrennten Schienen, wobei eine Revision des Lotteriegesetzes auf die lange Bank geschoben wird. Hutter ortet eine Verzögerungstaktik von Swisslos und Loterie Romande, um den Kantonen die bestehende Macht zu erhalten.

Öl ins Feuer giesst ein Komitee um die Loterie Romande mit der Volksinitiative «Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls», die nicht nur das alte Lotteriegesetz zementieren will, sondern auch vor der neuen Konkurrenz, den Spielcasinos, schützen soll, indem diese stärker besteuert würden. Die Gegenwehr liess nicht lange auf sich warten - und nicht nur von FDP-Nationalrat Hutter. Marc Friedrich, Geschäftsführer vom Schweizer Casino Verband, warnt vor «Einnahmeausfällen des Bundes von bis zu einer halben Milliarde Franken» - etwa so viel liefern die Casinos jährlich zugunsten der AHV ab. Friedrich sieht das eigentliche Motiv der Initiative in den Geldspielautomaten des Typs Tactilo, die von der Loterie Romande betrieben werden und in Restaurants in der Westschweiz stehen. Diese unkontrollierten Geräte möchte er ganz aus dem öffentlichen Raum verbannen.

Umgekehrt ist der Präsident der Loterie Romande, Jean-Pierre Beu-ret, sauer über die jüngsten Beschlüsse des Bundesrats, wonach die Casinos künftig mehr Automaten aufstellen dürfen. Gleichzeitig bangt er um die Zukunft der einträglichen Euro-Millions-Lose. Nächstes Jahr soll der Spielmodus angepasst werden. «Es ist absehbar, dass das Bundesamt für Justiz Rekurs einlegt», sagte Beuret letzte Woche bei der Präsentation der Jahreszahlen.

Swisslos-Direktor Fasnacht tut derweil vor allem eines: Er vermittelt und sucht Kompromisse - und dies nicht ohne Erfolg. Er ist überzeugt, dass die Volksinitiative aus der Romandie zugunsten eines Gegenvorschlags zurückgezogen wird. Eine Arbeitsgruppe, der er selber angehört, habe sich auf einen Kompromiss geeinigt. «Wenn dieser vom Parlament nicht noch zerpflückt wird, rechne ich mit dem Rückzug der Initiative.»

Tiefe Gewinnquote gegen Sucht

Mit diesem Gegenvorschlag könnten auch die Casinos leben, denn die stärkere Besteuerung wurde gestrichen. Anderseits bleibt Swisslos und der Loterie Romande das Lotterie-Monopol erhalten. Fasnacht verteidigt das Monopol: Erstens sei die Gefahr der Spielsucht umso grösser, je öfter und je mehr man gewinne. Daher halte man die Gewinnquote - der Anteil am Umsatz, der als Spielgewinn ausbezahlt wird - mit 54% bewusst relativ tief. Zum Vergleich: Ein Automat in einem Casino spuckt 92% des Einsatzes wieder aus. Und zweitens würde ein Wildwuchs bei Lotterien eine Verwässerung bringen. Die Einsätze würden auf zu viele Töpfe verteilt, was kleinere Hauptgewinne und dadurch erfahrungsgemäss eine gedämpfte Spiellust zur Folge hätte. Dies wiederum könnte zu einer Abwanderung in attraktivere, ausländische Lotterien führen.

Eines muss man dem Swisslos-Direktor lassen: Er argumentiert gelassen und primär uneigennützig. Nichts kann ihn scheinbar aus der Ruhe bringen. Und nach einem langen Arbeitstag setzt er sich wieder ins Auto und fährt zurück in sein Haus im Berner Seeland.