Brillanten, Champagner oder doch lieber Müll? Am europäischen Aktienmarkt lautete die Antwort auf diese Frage in den vergangenen Wochen ganz klar: Müll.

Während nämlich der breite MSCI Europe-Index und mit ihm die Kurse von Luxusgüterkonzernen wie LVMH oder Richemont mit der jüngsten Börsenkorrektur unter ihren Stand zu Jahresbeginn gefallen sind, haben die Valoren der Abfallentsorger ihre defensiven Qualitäten unter Beweis gestellt. Sie liegen gegenüber dem Januar auch weiterhin im Plus.

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Engpässe treiben die Preise

Dabei beschränkt sich das Potenzial der Titel aus dem Bereich Entsorgung und Wiederverwertung längst nicht nur auf die Defensive: Einzelne Unternehmen haben im vergangenen Bilanzjahr zweistellige Ertragssteigerungen erzielt. Und noch mehr könnte folgen. Denn: Von der Europäischen Union (EU) gedrängt, haben die Regierungen Europas dem Deponiewesen den Kampf angesagt. In Deutschland etwa herrscht seit dem 1. Juni 2005 ein Deponieverbot für Abfälle mit einem Kohlenstoffgehalt über 5% also für einen Grossteil des Haushalts- und Industriemülls. Die Folge ist ein Engpass bei Verbrennungs- und Wiederverwertungsanlagen; eine erste Entspannung sieht die Analysefirma Prognos erst 2010.

Massiv ist auch die Preisexplosion, welche das Deponieverbot in Deutschland mit sich brachte. Kostete die Entsorgung einer Tonne Abfall früher noch rund 40 Euro, ist sie heute bis zu 180 Euro teuer. Auch in anderen EU-Staaten weist der Preistrend nach oben: Italien will 2007 seinerseits ein Deponieverbot durchsetzen. Grossbritannien erhöht seit Jahren seine Deponietaxen. Längst profitieren auch die Schweizer Entsorger vom teuren Abfall aus dem Ausland.

Hiesige Anleger haben indessen wenig davon. Die an der SWX Swiss Exchange kotierte Métraux verkauft ihre Recyclingsparte Ende Juni an die deutsche CG Chemikalien-Gruppe. Bleibt die an der Berner Börse BX kotierte Citron, die ein Nischengeschäft im Recycling von schwermetallhaltigen Abfällen betreibt. Nur: Der Aktienkurs ist seit einer Gewinnwarnung am 19. Mai 2006 um über 25% gefallen. Der Grund war ein Produktionsrückgang beim einzigen Werk im französischen Le Havre, ausgelöst durch eine neue behördliche Auflage zum Kohlenstoffgehalt in den Schlacken. Ab Dezember 2006 sollen dort aber monatlich wieder 10 000 t Sondermüll rezykliert werden. Zusätzlich zum bestehenden Drehherdofen wird dabei im Oktober ein Drehrohrofen in Betrieb genommen. In ihm werden etwa Klärschlämme vor der Reduktion in ihre Grundstoffe vorgetrocknet. «Daraus ergibt sich eine jährliche Effizienzsteigerung im Wert von 3 bis 4 Mio Euro», sagt Michael Brüggler, Finanzchef von Citron.

Länger dauert es hingegen, bis Citron den lukrativen deutschen Markt entern kann: In Deutschland wird an drei Standorten der Bau eines Gas- und Dampfkraftwerks (GUD) geprüft. Vor 2008 ist gemäss Brüggler jedoch nicht mit einer Inbetriebnahme zu rechnen. Aus der Stromproduktion aus den Abfallverbrennungsgasen im GUD verspricht sich Citron einen Jahresumsatz von 30 Mio Euro. Damit würden sich die Gesamterträge mehr als verdoppeln. Aussichten, die den Anlegern das Hier und Jetzt versüssen sollen: Mit der noch vor der Werkanpassung abgelagerten Schlacke bleibt eine Unsicherheit, während die Produktionsdrosselung sich negativ auf die am 30. Juni erwartete Bilanz 2005/06 auswirken dürfte. «Die Verschuldung gilt es im Auge zu behalten», sagt Mark Hänni, Fondsmanager bei der Bank Vontobel.

Branche auf Expansionskurs

Und schliesslich wäre da noch die Konkurrenz, die laut Brüggler mit harten Bandagen zu kämpfen weiss. In Frankreich sind dies vorab Veolia und Séché Environnement. Die Aktie von Séché hat seit Januar 14% an Wert gewonnen. Die Veolia-Aktie hat ihrerseits Auftrieb bekommen, seit der Konzern von der Übernahme des Bauunternehmens Vinci abgesehen hat. In Grossbritannien will der Abfallentsorger Shanks noch dieses Jahr zwei Rezyklieranlagen in Betrieb nehmen. Durch Akquisitionen wachsen will dagegen die deutsche MVV: Die Versorgerin gewinnt aus Abfall Energie. Kepler empfiehlt den Titel zum Kauf.