Der Trend bei den Nationalratswahlen ist eindeutig. 12 Prozent der Wählerstimmen erhielt die SVP im Jahr 1991, dann stieg ihr Anteil dreimal hintereinander an – auf 26,7 Prozent in den letzten nationalen Wahlen im Herbst 2003. Seither ist sie klare Nummer eins im Land.
Der Erfolg ist überwältigend, doch nicht durchschlagend. Obschon die SVP inzwischen auch in der welschen Schweiz Fuss fasst, öffnet sich ein neuer tiefer Graben: Stark ist die SVP vor allem in ländlichen, hügeligen Gegenden. Im Kanton Schwyz erreicht sie gut 43 Prozent Wähleranteil, im Thurgau 41, in Appenzell Ausserrhoden 38, im Aargau 35 Prozent. Überall da können ihre Politiker kaum länger glaubhaft gegen die «Classe politique» anrennen, seit sie diese selber verkörpern.
Das gilt allerdings nur für die dörfliche Schweiz. Überall dort, wo die Zahl der Einwohner grösser ist, werden SVP-Vertreter zwar als Debattierer in Parlamenten geduldet, kaum aber als Entscheidungsträger in Regierungen. In Ortschaften mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern erreicht die SVP in den Exekutiven bis heute nur einen Anteil von 12,5 Prozent; das ist sehr bescheiden. Ganz desolat präsentiert sich die Lage in den urbanen Zentren: In Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern hat sie sämtliche ihrer wenigen Mandate in den letzten zwei Jahrzehnten verloren, wie eine Studie des Bundesamts für Statistik zeigt. Im Klartext: Zurzeit stellt die SVP in keiner Stadt mit mehr als 50 000 Einwohnern auch nur einen einzigen Regierungssitz!
Dieses Übergangenwerden der SVP im urbanen Raum hat Konsequenzen hinsichtlich der Machtverhältnisse: Während in Ortschaften mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern weiterhin solide bürgerliche Mehrheiten regieren (FDP, CVP, SVP und Liberale halten schweizweit 60 Prozent der Sitze), sind die sechs grössten Städte eine nach der andern gekippt: Von Genf, Lausanne über Basel, Bern bis nach Zürich und Winterthur sind inzwischen rot-grüne Mehrheiten an der Macht, die ihren Job oft überraschend souverän erfüllen.
Derweil gefallen sich einige SVP-Politiker auf dem Land weiterhin mit einer antiurbanen Trotzhaltung. Nach den jüngsten Wahlschlappen in Zürich und Winterthur blies sogar der stellvertretende Chefredaktor der «Weltwoche» in dieses Horn. Die Zukunft der Schweiz, notierte Markus Somm, liege nicht in den Städten, wo ohnehin nur «staatsabhängige Minderheiten» leben sollten – «Rentner, Sozialhilfeempfänger, Studenten und Leute, die in der Verwaltung oder sonstigen staatsnahen Betrieben arbeiten».
Diese Interpretation widerspricht den Analysen praktisch aller Experten, von Avenir Suisse bis zur BAK Basel Economics. Die Schweizer Wirtschaft wächst nicht mehr, und wenn sie noch wächst, dann ausschliesslich rund um die drei Metropolen Basel, Zürich und Genf. In die genau gleiche Richtung gehen die Prognosen der BAK: Bis ins Jahr 2010 am stärksten wachsen wird die Region Basel, mit etwas Abstand dahinter die Region Zürich, ergänzt durch das dynamische Anhängsel Zug. Bereits entwirft der St. Galler Privatbankier Konrad Hummler seine Vision von einer Schweiz als «City State», einer «Mischung aus Hongkong, Singapur und New York zugleich» – während die ländlichen, dörflichen Landschaften, in denen politisch die SVP in der Verantwortung steht, ökonomisch weiterhin abseits stehen werden. Bis 2010 stünden Uri, Graubünden oder Glarus praktisch still, prognostiziert BAK Basel Economics.
Wollen die bürgerlichen Politiker also wieder dort mitreden und mitregieren, wo sich die Schweiz bewegt, müssen sie ihre Anstrengungen auf die urbane Schweiz verlegen. Genau das plant die FDP, nur wird dies kaum genügen, um neue Mehrheiten rechts der Mitte zu schaffen. Solange die SVP-Exponenten auf dem Land ihre «Opposition gegen das Urbane» pflegen, so lange bleiben die SVP-Politiker im urbanen Raum tatsächlich zur Opposition verdammt.