Langsam, aber sicher wird das Gesundheitswesen unbezahlbar. Landesweit erhalten 33 Prozent aller Einwohner mindestens einen Teil der Krankenkassenprämie vom Staat. Bezogen auf die Zahl der Haushalte, werden gar 41 Prozent subventioniert. Darunter fallen nicht nur «Arme» und «Bedürftige», sondern weite Teile des Mittelstands. Der Tatbestand der Subvention wird hier zu Lande zum Massenphänomen.
Gleichzeitig müssen die vielen Leute, die auf diese Weise Geld vom Staat erhalten, auf andere Art meist Geld an den Staat zahlen: Steuern. Von der direkten Bundessteuer sind heute nur rund 20 Prozent der Steuerpflichtigen befreit. Noch schlimmer steht es in den einzelnen Kantonen, wo selbst Leute mit tiefstem Einkommen bereits beträchtliche Summen abgeben müssen. Die Kantone ziehen den Leuten gewissermassen das Geld aus dem linken Hosensack, um es denselben Leuten wieder in die rechte Tasche zu stopfen – in Form von angeblich gezielter Prämiensubvention. Ein solches Hin und Her zwischen Staat und Bürger ist absurd, entwürdigend und ineffizient.
Mit dem Wörtchen «sozial» hat das ganze Prozedere nur am Rand zu tun. Am weitesten ist der Kreis der Subventionsempfänger nicht etwa dort, wo das Problem am dringendsten ist. Appenzell Innerrhoden hat die billigsten Prämien der ganzen Schweiz, nur halb so hoch wie Basel-Stadt – gleichwohl werden hier 60 Prozent der Bevölkerung subventioniert. In Obwalden (drittbilligste Prämien der Schweiz) werden 55 Prozent der Einwohner unterstützt. Ganz anders in Hochprämienregionen: In der Waadt (dritthöchste Prämien der Schweiz) werden «nur» 24 Prozent der Personen subventioniert, in Basel-Stadt (zweithöchste Prämien) 30 Prozent, in Genf (höchste Prämien) knapp 40 Prozent.
Auch das ist absurd. Schuld daran ist einerseits der hochkomplexe innerschweizerische Finanzausgleich. Der Bund subventioniert die Kantone, damit diese ihre Bevölkerung subventionieren können, aber der Bund privilegiert dabei ganz klar die ländliche Schweiz. Je finanzschwächer die Kantone – Appenzell Innerrhoden, Obwalden –, umso mehr Gelder fliessen aus Bern.
Anderseits spielt das Niveau der Prämien eine entscheidende Rolle. In Genf zahlt ein Erwachsener im Monat über, in Basel-Stadt um die 400 Franken. Bei solchen Summen reichen die Bundessubventionen natürlich nicht so weit. Vor allem aber müssen die Kantone für sämtliche Personen, die eine Sozialhilfe, eine IV- oder eine AHV-Ergänzungsleistung beziehen, die volle Prämie übernehmen, inklusive Franchise und Selbstbehalt. Da die Zahl der Sozialhilfeempfänger just in den Städten rasant steigt, bleibt immer weniger Budget übrig, um auch die übrige Bevölkerung zu unterstützen. Im Kanton Zürich werden zurzeit 44 Prozent aller Subventionsgelder benutzt, um die Bedürfnisse der Sozialhilfeempfänger zu befriedigen. Tendenz: stark zunehmend. Als Konsequenz muss die Hilfe an die übrige Bevölkerung gekürzt werden. Für 2005 etwa sank die Verbilligung der Erwachsenenprämien um 120 Franken.
Am Ende stehen diejenigen Personen am schlechtesten da, die dort wohnen, wo die Prämien am höchsten sind, die selber aber knapp zu viel verdienen, um im Kreis der Subventionsempfänger zu verbeleiben. Das ist schon wieder absurd. Damit treiben die Städte ihre Kleinverdiener direkt in die Sozialhilfe.
Markus Schneider, Journalist und Ökonom, Autor von «Idée suisse» und «Weissbuch 2004», beide im Weltwoche Verlag erschienen.