Als in den Banlieues von Frankreich die Autos brannten, hiess es sofort: «Bei uns gibt es keine Ghettos.» Zudem ist unsere Sozialhilfe grosszügig, zumindest gemessen an den französischen Ansätzen. Schaut man nach, wer Fürsorge nötig hat, zeigt sich: Bei Ausländern ist die Quote dreimal höher als bei Schweizern, bei ausländischen Kindern steigt die Sozialhilfequote auf 11 bis 13 Prozent, bei Jugendlichen auf 9 bis 11 Prozent.
Was beweisen diese Zahlen, die aus dem Kanton Zürich stammen? Wenig. Sie sind nicht mehr als ein Indiz dafür, dass die Schweiz eine offene Gesellschaft ist – offen auch für Immigranten aus unteren sozialen Schichten. Diese fühlen sich noch nicht benachteiligt, nur weil sie in einer ersten Phase unter das Schweizer Niveau fallen. Sie erhalten sogar Sozialhilfe. Immigranten messen sich zunächst an ihrer Situation im Ursprungsland. So gesehen gelingt es ihnen, sich zu verbessern. Sonst kämen sie gar nicht hierher.
Anders ihre Kindern. Diese dürfen von einem Einwanderungsland, wie es die Schweiz ist, politisch etwas erwarten: Chancengleichheit. Zwar kann keine Gesellschaft der Welt wirklich gleiche Chancen für alle garantieren, aber wir sollten uns in unserem eigenen Interesse bemühen, dieses Ziel so weit wie möglich zu erreichen. Zentraler Ort dafür ist die Schule.
Von den in der Schweiz geborenen Ausländern schaffen es 16 Prozent an eine Universität oder eine Fachhochschule, bei Schweizerinnen und Schweizern sind es dagegen 21 Prozent. Was beweisen diese Zahlen? Schon wieder wenig. Sieht man sich die Gruppe dieser «Schweizer» näher an, fällt auf: Mit Abstand am besten schneiden die eingebürgerten Secondas und Secondos ab. Von ihnen gelangen 27 Prozent an eine Uni oder eine Fachhochschule. Vor allem eingebürgerte Spanier, aber auch eingebürgerte Italiener seien im Vergleich zu einheimischen Kindern «deutlich häufiger» erfolgreich, heisst es in einer Studie des Bundesamts für Statistik.
Somit erweisen sich zumindest die integrierten Immigranten als hungrig, hungriger jedenfalls als manche Alteingesessene. Warum? Vermutlich, weil sie von ihren Eltern etwas geerbt haben: den Willen, sozial aufzusteigen. Das gelingt der zweiten Generation in vielen Fällen erstaunlich gut – und zwar selbst dann, wenn ihre Eltern keinen guten Schulsack mitgebracht haben.
Zwei Statistiker der Uni Basel, Regina Riphan und Philipp Bauer, nahmen die Daten der letzten Volkszählung und teilten alle 17-Jährigen sowie deren Eltern in drei Bildungsstufen ein («hoch», «mittel», «tief»). Resultat: Haben die Eltern ein tiefes Bildungsniveau, haben auch ihre Kinder nur geringe Chancen, völlig unabhängig von der jeweiligen Nationalität. Dieser Nachteil wirkt sich aber nicht bei allen Volksgruppen gleich stark aus: Bringen spanische Eltern eine tiefe Bildung mit, haben ihre Kinder eine Chance von 22 Prozent, in der Schweiz eine hohe Bildung zu erreichen. Die Italiener, Deutschen und Franzosen kommen bei gleich schlechten Voraussetzungen auf 15 Prozent. Immerhin. Miserabel schneiden die Türken und – welche Überraschung! – die Einheimischen ab. Haben schweizerische und türkische Eltern eine tiefe Bildung, schaffen es ihre Kinder mit nur sieben bis neun Prozent Wahrscheinlichkeit zu einer hohen Bildung. Ähnlich mies ergeht es den Jugendlichen aus Ex-Jugoslawien und Albanien, die aber meist erst vor zehn bis fünfzehn Jahren eingewandert, also noch nicht lange genug da sind, um integriert zu sein.
Fazit: Die Kinder der Immigranten, von denen etwa jedes achte von der Sozialhilfe unterstützt wird, erhalten nicht nur Chancen – manche nutzen diese Chancen auch. Insgesamt gelingt die Integration besser, als die meisten Leute denken.
Benachteiligt sind allenfalls bestimmte ethnische Gruppen: Türken, Leute vom Balkan und die Unterschichten der einheimischen Schweizer.