Es war einmal, da schwärmte man vom «Büro der Zukunft», das dank Computer und Internet «flexibel», «mobil» und damit auch ganz «nahe am Wohnort», wenn nicht gar «daheim» angesiedelt sein werde. «Plug & work» nannte man dieses Szenario auf Neudeutsch.
Aber sowenig das Büro papierlos wurde, so wenig liess sich dessen fixe Lokalität überwinden. Inzwischen verlassen immer mehr Schweizerinnen und Schweizer ihr Wohnhaus, um zur Arbeit zu gelangen: Es sind bereits neun von zehn. Seit 1970 ist die Zahl der Pendlerinnen und Pendler in der Schweiz um ganze 41 Prozent gewachsen, während die Zahl der Erwerbstätigen nur um 27 Prozent zugenommen hat.
Es war einmal, da erkannte man die «Endlichkeit der Ressourcen» und setzte grosse Hoffnungen in den öffentlichen Verkehr. Von links bis weit nach rechts postulierte man die «Verlagerung von der Strasse auf die Schiene»; doch auch diese gut gemeinte Politik wird längst durch die Statistik entzaubert. Während die Schweiz seit Jahrzehnten den öffentlichen Verkehr mit enormen finanziellen Mitteln fördert, steigt ein immer grösserer Teil der Bevölkerung auf das Auto um, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Frauen oder Männer handelt, ob die Leute im ländlichen Raum oder in der Agglomeration wohnen. 1980 entschieden sich erst 48 Prozent für den «motorisierten Individualverkehr», wie sich die Statistiker ausdrücken. Im Jahr 2000 waren es bereits 58 Prozent.
Menschen benutzen das Auto, weil der Arbeitsweg länger wird, und der Arbeitsweg wird länger, weil der Wohnort immer weiter weg liegt. Das Abbild der Verkehrsströme zeigt sich in der Zersiedelung der Landschaft. Die kleine Schweiz veramerikanisiert, das ganze Mittelland verkommt zu einem europäischen Los Angeles. Pro Sekunde wird zurzeit ein Quadratmeter zusätzliches Land, pro Jahr die Fläche des Zugersees verbaut. Nirgendwo ist richtig Land, nirgendwo richtig Stadt. «Gebaut wurde vor allem dort, wo die Landpreise relativ günstig sind», meldet das Bundesamt für Statistik in Neuenburg. «Familien aus dem Mittelstand haben sich hauptsächlich in den Verstädterungsgebieten im ehemals ländlichen Raum niedergelassen, während sich Familien aus den unteren sozialen Schichten näher bei den Zentren, im so genannten suburbanen Gürtel, konzentrieren.»
Gleichzeitig werden auch Arbeitsplätze vom Zentrum in den Agglomerationsgürtel hinaus verlagert, was zur Folge hat, dass immer mehr Leute im Kreis ums Zentrum herum pendeln. Mit Zug, Tram und Bus müssten sie mehrmals umsteigen, mit dem Auto geht das bequemer – und sogar schneller. Die Pendlerinnen und Pendler legen zwar immer grössere Distanzen zurück, der Zeitaufwand dafür aber bleibt konstant. Zu verdanken haben sie das dem Automobil. Wegen des zunehmenden Gebrauchs dieses Transportmittels gibt es wohl ein paar Staus, insgesamt jedoch «resultiert eine Zunahme der Durchschnittsgeschwindigkeiten», wie die Statistiker des Bundesamts für Statistik gemessen haben.
Auf der Strecke bleibt der so genannte «Langsamverkehr». Immer weniger Schweizerinnen und Schweizer gehen zu Fuss oder mit dem Velo zur Arbeit. 1980 waren es noch 28 Prozent, im Jahr 2000 nur noch 17 Prozent.
Quelle: Roman Frick et al.: Pendlermobilität in der Schweiz.
Bundesamt für Statistik, Neuenburg, 2004.