Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an Krebs sterben werden, ist ziemlich gross. Sie beträgt bei Männern 28 Prozent, bei Frauen 22 Prozent. Krebs ist nach den Herz-Kreislauf-Krankheiten die zweithäufigste Todesursache überhaupt. Bösartig ist der Krebs, weil besonders viele Opfer besonders jung sind. Keine andere Krankheit raubt so viele Lebensjahre.
Wer länger leben will, sollte das Krebsrisiko tunlichst meiden. Wie das geht, wissen wir eigentlich alle: Du sollst nicht rauchen, so lautet das erste Gebot. Damit reduziert man das Krebsrisiko gleich um ein Drittel. Nach dem Tabak kommt «wahrscheinlich» – so steht es in der neuen Studie zum nationalen Krebsprogramm – die Ursache «ungesunde Ernährung». Du sollst nicht zu viel Fett und nicht zu viel rotes Fleisch essen, nicht zu viel Alkohol trinken. Angesagt sind frisches Obst, Gemüse und etwas Bewegung. Jeden Tag während dreissig Minuten etwas ausser Atem kommen, das genügt schon. «Die sitzende Fastfood-Gesellschaft» (O-Ton Krebsstudie) ist Krebs erregend.
Wer gesund lebt, minimiert nicht nur das Krebsrisiko, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. So einfach ist das mit dem Längerleben. Nur noch eine einzige Massnahme drängt sich zusätzlich auf: Du sollst dich vor UV-Strahlung schützen – mit Hut, Brille, Sonnencrèmes. Und fertig ist die Prävention.
Aber Prävention allein genügt nicht. Ebenso entscheidend ist die Früherkennung. Beim invasiven Muttermundkrebs etwa ist das Risiko in den Ostschweizer Kantonen Graubünden, St. Gallen, Appenzell rund doppelt so hoch als in Genf, der Waadt und den beiden Basel. Warum wohl? Die Ursache liegt auch kaum darin, dass es in der Westschweiz und in Basel mehr Gynäkologen gibt, sondern dass diese regelmässig einen Abstrich machen. Dasselbe bei der Mammografie: Sie ist wichtig bei der Früherkennung von Brustkrebs, wird grossflächig aber erst in der Westschweiz angewendet. In der Ostschweiz hingegen zeigen sich noch soziale Unterschiede: Die ärmeren Schichten verzichten auf diese Untersuchungen – und haben prompt ein erhöhtes Sterberisiko. «Aus Sicht einer rationalen Gesundheitsversorgung» müssten Abstriche und Mammografien «von der Franchise befreit werden», fordert das nationale Krebsprogramm.
Auch beim Darmkrebs kann die Sterblichkeit reduziert werden, wenn Polypen oder ein Krebs frühzeitig entdeckt und entfernt werden. Heimtückisch jedoch der Prostatakrebs: Hier ist die Wirksamkeit von Früherkennungsmassnahmen wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen.
Ein Restrisiko bleibt immer, trotz aller Prävention und Diagnostik. In fünf Prozent aller Fälle ist das Erbmaterial schuld. Und in den andern 95 Prozent der Fälle fällt es eben nicht so leicht, sich richtig zu verhalten. Das ahnen selbst diejenigen, die es eigentlich besser wissen müssten: die Ärzte. Sie haben wie die Bauern ein um 160 Prozent erhöhtes Risiko, einen Schilddrüsenkrebs einzufangen, was laut Studie «erstaunlich» ist. Um 70 Prozent ist das Risiko bei Ärzten erhöht, ein Melanom einzufangen. Falls Ihnen also bei der nächsten Visite wieder einmal auffallen sollte, dass ausgerechnet so viele Mediziner so braun gebrannt sind – warnen Sie Ihren Arzt.
Markus Schneider, Journalist und Ökonom, Autor von «Idée suisse» und «Weissbuch 2004», beide im Weltwoche Verlag erschienen.