Wie kommt es, dass die Schweizer Uhrenmarke Eberhard nach 120 Jahren bei uns nach wie vor als Geheimtipp gilt? Die Frage löst bei Mario Peserico in Lugano, von wo aus der internationale Vertrieb dieser Uhren vom Stapel läuft, leises Schmunzeln aus. Als gebürtiger Italiener erzählt Peserico die Geschichte besonders gerne: «Nachdem die Brüder Georges und Maurice Eberhard die Manufaktur ihres Vaters und Firmengründers Georges-Emile Eberhard in den 1920er Jahren übernommen hatten, bereiste Maurice Italien regelmässig. Das hatte zur Folge, dass das ‹Land der Uhrenliebhaber› Eberhards wichtigster Exportmarkt wurde: Bis zu 90% der Jahresproduktion gingen nach Italien.»



Daran änderte sich auch nichts, als sich die Gebrüder Eberhard nach 1960 aus dem Geschäft zurückzogen und das Unternehmen an private Investoren verkauften. Zur Investorengruppe zählte Palmiro Monti aus Mailand, der als erfolgreicher Distribuent Eberhards Italienmarkt jahrzehntelang betreut hatte. 1993 übernahm Monti den Vertrieb weltweit und gründete dazu die Astor Time Ltd. in Lugano – geografisch die vernünftige Mitte zwischen seinem Wohnort Mailand und den inzwischen nach Biel umgezogenen Fertigungsateliers.

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Qualität kommt vor Quantität



Nach Montis Tod im Jahre 2004 übernahm seine Tochter Barbara, die seit ihrem 20. Lebensjahr im Betrieb mitarbeitet, die Führung des Unternehmens, gemeinsam mit ihrem Ehemann Mario Peserico. Sie ist die Ideengeberin für neue Produkte, er zeichnet fürs Marketing und die Erschliessung neuer Märkte verantwortlich.

Dank verstärkten internen Strukturen und der Zusammenarbeit mit Agenten und Distribuenten werden aktuell neben dem Heimmarkt Schweiz sukzessive Belgien, Deutschland, die Niederlande und Österreich aufgebaut. In der Schweiz gibts Uhren von Eberhard mittlerweile in 20 Fachgeschäften; mittelfristig sollen es hier 35 bis 40 und weltweit 800 Verkaufspunkte werden. Mit Abnehmern in China und in Russland sei man ebenfalls in Verhandlung, wobei Peserico vor allem dort, aber auch in weiteren Märkten festgestellt hat, dass sich die Struktur der Verkaufspunkte verändert. So konzentriere sich die Distribution immer mehr auf die Städte und dort auf die grossen Malls. Italien bleibe zwar der stärkste Markt, doch sei sein Anteil mittlerweile auf 55% gesunken.

Auf das Wachstum angesprochen, meint Peserico, dass dies zwar Ziel sei, aber für ein kleines Unternehmen nur schrittweise zu realisieren sei. «Uns ist Qualität wichtiger als Quantität. Dazu gehört der persönliche Kontakt zu unseren Kunden, auf deren individuelle Wünsche wir eingehen können und wollen.» Immerhin ist die Jahresproduktion in den vergangenen zehn Jahren von rund 14000 auf gut 22000 Uhren angestiegen. Davon ticken 95% mit mechanischen Werken.

Eberhard beschäftigt in den Bieler Ateliers und bei Astor Time in Lugano insgesamt 30 Personen.

«Wir sind heute keine Manufaktur mehr», hält der 41-jährige Marketingchef fest. «Wir kaufen die geeigneten mechanischen Basiswerke vornehmlich bei ETA, dekorieren sie und bauen eigene technische Innovationen darauf. Wir entwickeln die Produktideen bis und mit Prototyp und arbeiten für die einzelnen Uhrenteile mit passenden Zulieferern.» Die Assemblage aller Uhrenteile, Kontrollen und Logistik erfolgen am Hauptsitz in Biel, die Schlusskontrollen, der internationale Vertrieb, die Vermarktung und Administration sind in Lugano domiziliert.



Das Produkt im Vordergrund



Die Eberhardsche Geschichte ist eine Produktgeschichte der besonderen Art: Seit 120 Jahren liegt ihre Kontinuität in der Herstellung mechanischer Uhren, hauptsächlich von Chronographen. Bereits die erste Uhr, die der Firmengründer Georges-Emile Eberhard im Alter von 22 Jahren von Hand fertigte, war ein Taschenchronograph. 1919 bauten seine beiden Söhne den fortschrittlichsten Armband-Chronographen jener Epoche und 1930 den ersten Chronographen Replica mit Automatikaufzug. Damit stattete die königlich-italienische Kriegsmarine ihr Offizierskorps aus.

In der Krise der 30er Jahre lancierte Eberhard ihren ersten Chronographen Rattrapante – zu Deutsch Schleppzeiger-Chronograph genannt, weil sich mit den zwei übereinander liegenden Zeigern Zwischenzeiten messen lassen, indem der eine Zeiger durch den Drücker angehalten wird, während der andere weiterläuft und für sich angehalten werden kann. Auf erneutes Drücken springt der Doppelzeiger unter den Chronozeiger und wird von diesem mitgeschleppt.

Nach einem Unterbruch, bedingt durch den Zweiten Welt-krieg, entsteht in den 1950er Jahren die erste Modellreihe Extra-fort, die noch heute immer wieder neu interpretiert wird und die Kontinuität der Marke stärkt. Selbst als sich die hiesige Uhrmacherindustrie ab 1970 mit Japan und den USA am Wettbewerb um die erste Quarz-Armbanduhr beteiligte, blieb Eberhard wie der Schuster bei seinem Leisten und lancierte Anfang der 1980er Jahre die mechanische Automatikkollektion Replica, im Design dem Stil des Modells von 1930 nachempfunden.



Funktion kommt vor Form



Man nimmt es ihm ab, wenn Peserico betont: «Um das reiche Erbe der Marke nicht zu verwässern, sind uns Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sehr wichtig.» Die Neulancierungen in den vergangenen zehn Jahren sind, wie schon in der Vergangenheit, von technischen Innovationen geprägt. Es sind niemals Gags, sondern dienen einer hilfreichen Funktion, wie etwa bei der 8 Jours, einer 8-Tage-Uhr mit mechanischem Handaufzug, wo eine patentierte Vorrichtung ermöglicht, auf dem Zifferblatt eine Tagesskala anzuzeigen, um zu wissen, wann die Uhr wieder aufgezogen werden muss.

Oder beim Chrono 4, wo zum ersten Mal in der Geschichte der Uhrmacherkunst vier Chronographenanzeigen, 24- und 12-Stunden, 30-Minuten und 60-Sekunden, auf dem Zifferblatt in einer horizontalen Reihe angeordnet sind, was das Ablesen wesentlich einfacher macht. Die Variante Chrono 4 Temerario in Tonneau-Form mit vertikaler Anordnung der vier Chronographenanzeigen auf der rechten Zifferblatthälfte ist noch exklusiver: Die Drücker zur Bedienung der Chronographenfunktionen befinden sich oben links und rechts am Gehäuserand; die Krone liegt oberhalb 12 Uhr und ist mit einer Klappe verdeckt, die sich mit einem kleinen Hebel unter dem Gehäuserand bei der 1-Uhr-Position leicht öffnen und schliessen lässt. Hinter dieser technischen Innovation (Patent angemeldet) liegen viele Jahre Forschung.

Auch Taucheruhren macht Eberhard schon lange: Die im letzten Sommer lancierte Scafodat mit einer Wasserdichtigkeit von bis zu 500 m ist ein absolutes Profigerät. Die bei 4 Uhr positionierte, übergrosse, verschraubte Krone ist mit einer doppelten Sicherheit gegen unbeabsichtigtes Öffnen und damit Verstellen des Tauchrings am erhöhten Zifferblattrand gesichert. Mit dem kleineren Pendant bei 2 Uhr werden die Zeiger gestellt. Das eingebaute Heliumventil arbeitet während der Dekompressionsphase automatisch.

Die innovativen Neuheiten bestätigen die Philosophie der Marke Eberhard. «Wenn wir Uhren kreieren, so denken wir zu 95% an den Mann und seine Bedürfnisse», erklärt Mario Peserico. «Unsere Uhren – sechs Kollektionen im Preissegment 2000 bis 7500 Fr. – muss man kaufen wollen. Weil sie einzigartig sind und ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis haben und nicht, weil Bond oder ein anderer Botschafter sie trägt.» Eberhard hat einen treuen Kundenstamm, darunter viele Sammler, weshalb auch ihre Werbung nur das Produkt sprechen lässt.



www.eberhard-co-watches.ch



Eberhard & Co.: Sponsor des Short-Film-Festivals



Junge Künstler: Zur Feier des 120-jährigen Firmenjubiläums (1887–2007) führt Eberhard in Zusammenarbeit mit der italienischen Filmproduktionsfirma Alto Verbano und mit Publilink ein authorisiertes Kurzfilm-Festival durch. Angehende und junge Filmregisseure im Alter von 18 bis 35 Jahren aus ganz Europa können zum Thema «120 Jahre in 120 Sekunden» je einen Kurzfilm einreichen. Daraus werden 15 Arbeiten ausgewählt und ins Internet zur Publikums-Abstimmung gestellt: www.eberhard120years120seconds.com.

Zwei Kategorien: Eine Filmfach-Jury wird dies ebenfalls tun, um aus beiden Abstimmungen zusammen die Sieger der beiden Kategorien «Regisseur in Ausbildung» und «Unabhängige Regisseure» zu ermitteln. Diese werden mit einem Workshop an der New York Film Academy oder einem Stage bei einem berühmten Filmproduzenten belohnt.