Eigenartige Ideen zur Schweizerischen Nationalbank (SNB) machen die Runde. Vorgestellt wurden sie vergangene Woche unter anderem von PR-Berater-Legende Klaus J. Stöhlker an der Generalversammlung der Notenbank. Kern seiner Botschaft: Die SNB sei an der Börse unterbewertet. Zudem habe sie mit 100 000 Stück zu wenig Aktien, um der Schweizer Bevölkerung eine breite Beteiligung zu erlauben. Ein Aktiensplit solle das beheben.
Wie bitte? Unterbewertet? Die Aktie der Nationalbank erlebte in den letzten Jahren eine regelrechte Rally. Kostete sie lange rund 1000 Franken, so begann ihr Kurs Ende 2016 zu steigen – bis auf fast 9000 Franken Anfang 2018. Nach einem deutlichen Einbruch kostet sie nun noch immer 5830 Franken.
Eigentlich ein Lehrbuchbeispiel für einen garantierten Verlust
Zur Erinnerung: Pro Aktie wird eine Dividende von maximal 15 Franken bezahlt, was beim heutigen Kurs einer Rendite von 0,26 Prozent entspricht. Das steht so fix im Gesetz. Zudem haben die Aktionäre im Falle einer Liquidation gerade mal Anrecht auf die Rückzahlung des verzinsten Nennwerts von 250 Franken pro Aktie. Beim heutigen Kurs ist die SNB-Aktie eigentlich ein Lehrbuchbeispiel für einen garantierten Verlust.
Doch Stöhlker und Co. sehen das anders. Sie setzen die Marktkapitalisierung von einer halben Milliarde Franken ins Verhältnis zum Eigenkapital der Notenbank, das wegen der massiven Interventionen am Devisenmarkt und den daraus folgenden Gewinnen auf 151 Milliarden Franken angewachsen ist. Und sie kommen zum Schluss: krass unterbewertet.
Doch dabei machen sie einen gewaltigen Denkfehler. Wäre die Nationalbank eine normale Bank, hätten die Spekulanten recht. Die SNB wäre längst übernommen und liquidiert worden. Doch weder ist die SNB eine normale Bank noch gehört sie wirklich ihren Aktionären. Und daher funktioniert auch die Rechnung mit der Börsenkapitalisierung nicht. Denn die SNB hat faktisch einen weiteren, stillen Teilhaber: den Staat. Er bekommt den ganzen Ertrag. Gemäss Nationalbankgesetz fällt der frei verfügbare Bilanzgewinn zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Bei Letzteren wird das Geld nach dem Anteil ihrer Einwohner verteilt. Die nominellen Aktionäre – Stöhlkers Freunde – dagegen befinden sich im Seitenwagen und erhalten ein Gnadenbrot in Form der Dividende.
Die Kapitalisierung widerspiegelt höchstens den Grad der Spekulation
Weil der stille Teilhaber als grösster Nutzniesser keine Aktien der Nationalbank hält, kann die Marktkapitalisierung auch nie den Wert der SNB abbilden. Sie ist irrelevant und widerspiegelt höchstens den Grad der Spekulation. Und unter uns: Sie ist nicht zu tief, sondern deutlich zu hoch. Wer als Privater in diese Aktien investiert, ist selbst schuld.
Die Spekulationen um die SNB zeigen: Vermutlich wäre es an der Zeit, den (schweizerischen) Sonderfall Nationalbank zu beenden. Eine Notenbank gehört weder an die Börse noch in die Hände privater Aktionäre. Die Aktien sollten nicht gesplittet, sondern schlicht vom Markt genommen werden.